OGH 13Os2/81

OGH13Os2/8126.3.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1981 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zeitler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegmar A wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 2 StGB.

über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengerichts vom 31. Oktober 1980, GZ. 3 Vr 2340/80-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Huber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und gemäß § 290 Abs 1 StPO. auch in dem unter Punkt 2 bezeichneten Schuldspruch des Angeklagten und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.August 1965 geborene, somit jugendliche Angeklagte Siegmar A des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 2 StGB. schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm liegen nach dem Inhalt des Schuldspruchs mehrere in Kainach/Steiermark, zum Teil in einem der Religionsübung dienenden Raum verübte Diebstähle von Geld in einem insgesamt 5.000 S nicht übersteigenden Betrag zur Last. Im einzelnen erbeutete er 1.) in der Zeit ab dem 20.August 1979 in mehrfachen Zugriffen jeweils Geldbeträge (zwischen 20 und 50 S) aus dem Opferstock der Pfarrkirche Kainach (in der Höhe von insgesamt etwa 500 S), 2.) Ende 1979 aus (der Sakristei) der Pfarrkirche Kainach einen Geldbetrag von 100 S und 3.) Ende 1979 in mehreren Zugriffen (aus der Volksschule Kainach) zum Nachteil von Schülern dieser Schule Geldbeträge von insgesamt 180 S. Nach den im Ersturteil zu dem unter Punkt 2.) dieses Schuldspruchs bezeichneten Diebstahlsfaktum getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte Ende 1979 aus der Sakristei der Pfarrkirche Kainach einen dieser Pfarre gehörenden, in einem kleinen Säckchen verwahrten Geldbetrag von 700 S mit Diebstahlsvorsatz an sich genommen, davon 100 S (sogleich) entnommen und dieses Geld innerhalb einer Woche verbraucht, das Säckchen mit dem Restbetrag von 600 S jedoch (ersichtlich mit dem Vorhaben, das Geld später zu holen und für sich zu verwenden) in der Kirche unter einer Bank versteckt. Als er kurze Zeit später auf Grund von sich gegen ihn ergebenden Verdachtsmomenten von dem Kaplan Engelbert B wegen dieses Gelddiebstahls zur Rede gestellt wurde, gestand er den Diebstahl ein, holte sogleich das Säckchen mit dem Restbetrag von 600 S aus dem Versteck in der Kirche und übergab es samt dem Geld dem Kaplan. In rechtlicher Beziehung ging das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts davon aus, daß bezüglich der 600 S in Anbetracht des Umstands, daß 'Sakristei und Kirche als eine örtliche Einheit zu betrachten sind' ein - für die Annahme eines Diebstahls erforderlicher - Gewahrsamsbruch nicht vorliege (S. 38 und 39). Es gelangte sohin in diesem Faktum nur bezüglich der vom Angeklagten aus dem Säckchen entnommenen (und sodann verbrauchten) 100 S zu einem Schuldspruch wegen Diebstahls (Punkt 2.) und sprach den Angeklagten in Ansehung des weiteren Betrags von 600 S von dem Diebstahlsvorwurf gemäß § 259 Z. 3 StPO. frei.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt:

Entscheidend für die Beantwortung der sich angesichts des festgestellten Sachverhalts allein stellenden Frage der Abgrenzung des Versuchs von der Vollendung des Diebstahls ist, daß eine Sache dann (im Sinne des § 127 Abs 1 StGB.) als weggenommen gilt und sohin der Diebstahl vollendet ist, sobald der Täter die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangt und der bisherige Gewahrsamsinhaber dadurch nicht mehr in der Lage ist, darüber zu verfügen (ÖJZ-LSK 1975/21, 1977/9), weil z.B. der Täter eine verhältnismäßig kleine Sache nach deren Ergreifung zwecks späterer Bergung in ein dem bisherigen Gewahrsamsinhaber nicht bekanntes Versteck verbringt.

So gesehen ist im vorliegenden Fall vollzogener Gewahrsamsbruch und damit vollendeter Diebstahl zu bejahen, hat doch der Angeklagte das Säckchen mit dem Restbetrag von 600 S nicht nur vom unmittelbaren Tatort (der Sakristei) in die Kirche verbracht, sondern das Geld dort überdies unter einer Bank versteckt, womit es dem Zugriff des bisherigen Gewahrsamsinhabers, dem dieses Versteck nicht bekannt war, entzogen und der Gewahrsamswechsel eingetreten war (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 41 zu § 127

StGB. und die dort zitierte Judikatur).

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts liegt sohin auch bezüglich des den Gegenstand des Freispruchs bildenden (Rest-)Betrags von 600 S vollendeter Diebstahl vor.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO. von Amts wegen wahrzunehmen, daß der im Schuldspruch des Angeklagten unter Punkt 2.) angeführte Diebstahl von 100 S zum Nachteil der Pfarre Kainach, der sich in Verbindung mit dem vorerwähnten, im freisprechenden Teil des Ersturteils umschriebenen Sachverhalt als einzige Tat (Diebstahl von insgesamt 700 S) darstellt, mit der materiellrechtlichen Nichtigkeit nach der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. behaftet ist, die einer abschließenden Beurteilung dieses Diebstahls in seiner Gesamtheit entgegensteht:

Im Ersturteil wird zwar dem Angeklagten der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue, soweit dessen Großmutter Emma C in den Urteilsfakten Punkt 1.) und 3.) /ersichtlich rechtzeitig und auch vollständig / Schadensgutmachung geleistet hat, nicht zuerkannt, weil er sich nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen um diese Schadensgutmachung durch seine Großmutter nicht ernstlich bemüht hatte und sohin eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme dieses Strafaufhebungsgrunds nach der in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Bestimmung des § 167 Abs 4 StGB. fehlte. In dem hier in Rede stehenden Fall (Diebstahl von insgesamt 700 S aus der Sakristei der Pfarre Kainach) ist aber - anders als in den unter Punkt 1.) und

3.) des Schuldspruchs angeführten Fällen - nach der Verantwortung des Angeklagten das Vorliegen des Strafaufhebungsgrunds der tätigen Reue nach dem § 167 Abs 2 Z. 1 StGB. infolge freiwilliger, rechtzeitiger und vollständiger Schadensgutmachung durch den Angeklagten selbst aktuell, hat er doch nach seiner in der Hauptverhandlung gegebenen Darstellung (vgl. S. 26) noch am Tage der Tat die von ihm in der Kirche versteckten 600 S dem Kaplan Engelbert B (sei es auch über dessen Andringen) sogleich und den (von ihm inzwischen verbrauchten) Restbetrag von 100 S etwa eine Woche später rückerstattet, nachdem er sich den letztgenannten Betrag von seiner Großmutter ausgeborgt (und ihr später auch wieder zurückgezahlt) hatte. Hiezu läßt aber das Ersturteil jede Feststellung vermissen. Da dieser, Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. bewirkende Feststellungsmangel nicht nur Punkt 2.) des Schuldspruchs und die dort angeführten 100 S betrifft, sondern sich nach dem Vorgesagten auch auf die damit im Zusammenhang stehenden, den Gegenstand derselben Diebstat bildenden und vom Freispruch erfaßten 600 S auswirkt, war spruchgemäß zu erkennen.

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