OGH 2Ob2/81

OGH2Ob2/8110.3.1981

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer, Dr. Kralik, Dr. Melber und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache klagenden Partei Johann P*****, vertreten durch Dr. Walter Stadler und Dr. Harald Heinrich, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1) Monika B*****, und 2) I*****, beide vertreten durch Dr. Helmut Renner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 19.190,34 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgerichts vom 22. Oktober 1980, GZ 32 R 305/80-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Oberndorf vom 13. Juni 1980, GZ C 8/80 -8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben, sondern das angefochtene berufungsgerichtliche Urteil bestätigt, wobei die Entscheidung zu lauten hat:

„1.) Die Forderung des Klägers besteht mit 12.792,56 S zu Recht, mit 6.396,78 S nicht zu Recht;

2.) die Gegenforderung der Erstbeklagten besteht mit 1.166,66 S zu Recht;

3.) die Beklagten haben daher zur ungeteilten Hand dem Kläger den Betrag von 11.626,90 S samt 4 % Zinsen seit 8. 12. 1979 und die mit 1.507,74 S bestimmten Prozesskosten (darin 89,20 S USt und 306 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren nach Zahlung weiterer 7.563,44 S sA wird abgewiesen.

Die Beklagten haben dem Kläger zur ungeteilten Hand die mit 354,22 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 25,66 S USt und 8 S Barauslagen), binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.“

Der Kläger hat den Beklagten die mit 1.718,82 S (darin 109,54 S USt und 240 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6. 10. 1979 gegen 18:00 Uhr, bereits bei Dunkelheit, ereignete sich auf der St. Georgener Landesstraße in der sogenannten Lindenkurve ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter seines PKWs Austin Mini Clubman, Kennzeichen *****, und die Erstbeklagte als Lenker und Halter ihres PKWs VW 11, Kennzeichen *****, beteiligt waren; die zweitbeklagte Partei ist Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs der Erstbeklagten.

Der Kläger begehrte den Ersatz seines unfallbedingten Reparaturschadens in der Höhe von 19.190,34 S sA mit der Behauptung des Alleinverschuldens der Erstbeklagten, die, während er im Überholen begriffen gewesen sei, ein vorschriftswidriges Linksabbiegemanöver durchgeführt habe.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung wegen Alleinverschuldens des Klägers am Unfall, der vorschriftswidrig zu überholen versucht habe. als Gegenforderung wurde ein Unfallschaden von 3.500 S - der Höhe nach außer Streit stehend - zur Aufrechnung eingewendet.

Das Erstgericht gab, ausgehend vom Alleinverschulden der Erstbeklagten, dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht erkannte über Klagsforderung und Gegenforderung auf der Grundlage einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Lasten der beklagten Parteien. Die Abweisung des Mehrbegehrens unterblieb offenbar versehentlich.

Das Urteil des Berufungsgerichts, insoweit damit das Mehrbegehren - schlüssig - abgewiesen wurde, wird vom Kläger mit Revision aus den Gründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO und dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise einem Aufhebungsantrag, bekämpft.

Die beklagten Parteien, die eine Revisionsbeantwortung erstatteten, beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Dem angefochtenen Urteil liegt der Sachverhalt zugrunde, wie er auf den Seiten 4 und 5 der Ausfertigung (= Seite 58 und 59 des Akts) wiedergegeben wird.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichts habe die Erstbeklagte in mehrfacher Hinsicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Sie habe es unterlassen nach links in weitem Bogen nahe der Kreuzungsmitte einzubiegen. Sie habe die beabsichtigte Fahrtrichtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt und habe sich vor dem Einbiegen nach links nicht nochmals durch einen Blick in den Rückspiegel vergewissert, dass der Abbiegevorgang zulässig sei. Im Hinblick auf die geringe Fahrbahnbreite sei ein Einordnen zur Fahrbahnmitte praktisch nicht möglich gewesen. Die Erstbeklagte habe auch eine bedenkliche Verkehrssituation dadurch geschaffen, dass sie nicht den ersten Einbiegeast zum Abbiegen benützt habe. Das Fahrverhalten der Erstbeklagten habe beim Kläger keine Bedenken hervorrufen müssen. Eine Ausgleichspflicht des Klägers sei nicht gegeben.

Das Berufungsgericht nahm ein Mitverschulden des Klägers am Unfall an, der angesichts der Herabminderung der Fahrgeschwindigkeit der Erstbeklagten von zwischen 50 und 60 km/h auf 20 km/h auf eine unklare Verkehrssituation hätte schließen müssen. Auch im Hinblick auf die Fahrbahnverengung von 5,5 m im Bereiche des zweiten Einbiegungsasts, in welchen die Erstbeklagte abzubiegen beabsichtigte, auf 3,6 m danach hätte dem Kläger ein Überholen als gefährlich erscheinen müssen. Er hätte daher entweder das Überholmanöver abbrechen oder vor Einleitung des unmittelbaren Überholvorgangs mit der Erstbeklagten durch Abgabe eines akustischen oder optischen Warnsignals Kontakt aufnehmen müssen. Der Kläger habe sohin gegen § 16 Abs 1 lit a StVO verstoßen, weshalb ihm 1/3 Mitverschulden am Unfall anzulasten sei.

Einen Verfahrensmangel erblickt der Kläger im Fehlen der Feststellung, dass „bei einem normalen Überholvorgang“, dh, wenn der Kläger nicht gebremst hätte, das Überholmanöver im Bereich der Fahrbahnverengung bereits abgeschlossen gewesen wäre; demnach komme der festgestellten Verengung der Fahrbahn von 5,5 m im Einbiegebereich auf 3,6 m danach keine Bedeutung zu. Auch hätte festgestellt werden müssen, ob für den Kläger im Hinblick auf die langgezogene Rechtskurve die bevorstehende Verengung der Fahrbahn überhaupt erkennbar gewesen sei. Erforderlich wäre schließlich die Feststellung gewesen, welche Geschwindigkeit die Erstbeklagte bei Beginn des Überholmanövers eingehalten habe und ob in diesem Zeitpunkt die Verkehrslage bereits unklar gewesen sei.

Mit diesem Vorbringen werden indes nicht Verfahrens-, sondern Feststellungsmängel geltend gemacht, die in das Gebiet der Rechtsrüge fallen, auf die im Folgenden eingegangen wird. In rechtlicher Hinsicht führt der Kläger noch ins Treffen, die Abgabe eines akustischen oder zusätzlichen optischen Warnsignals sei, da er ohnedies mit Scheinwerferlicht gefahren sei, nicht erforderlich gewesen; eine unklare Verkehrssituation habe nicht bestanden.

Dem kann nicht beigepflichtet werden, wird von den - für die rechtliche Beurteilung der Frage eines Mitverschuldens des Klägers durchaus hinreichenden - Feststellungen ausgegangen, dann kann das Bestehen einer unklaren Verkehrssituation nicht zweifelhaft sein, weil die Erstbeklagte ihre Fahrgeschwindigkeit, was für den Kläger wahrnehmbar gewesen sein muss, von zwischen 50 und 60 km/h auf 20 km/h verringerte und sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet hatte. Da diese Verringerung „allmählich“ erfolgte, muss sie sich zwangsläufig über eine längere Fahrstrecke und einen längeren Zeitraum, und daher für den Kläger ausreichend wahrnehmbar, hingezogen haben. Wenn der Kläger auf die mangelnde Erkennbarkeit der Fahrbahnverengung verweist, so kann ihn dies nicht entlasten, weil sich daraus nur ergibt, dass die Fahrbahn in jenem Bereich unübersichtlich war. Zu dem vom Berufungsgericht angenommenen Verstoß gegen das Überholverbot nach § 16 Abs 1 lit a StVO kommt daher noch ein solches gegen § 16 Abs 2 lit b StVO, weil der Kläger auf einer unübersichtlichen Straßenstelle zu überholen versuchte. In der Verschuldensteilung, wie sie das Berufungsgericht vornahm, kann daher ein Rechtsirrtum nicht gefunden werden.

Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen und das angefochtene Urteil in einer dem § 545 Abs 3 GeO entsprechenden, die Abweisung des Mehrbegehrens enthaltenden Fassung, zu bestätigen (vgl Fasching III 580).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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