OGH 9Os172/80

OGH9Os172/8016.12.1980

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Otto A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG und anderer Delikte nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. September 1980, GZ. 6 d Vr 6623/80-21, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den unter Punkt I) 1) -

3) ergangenen Schuldsprüchen und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Das Schöffengericht erkannte den am 4. Jänner 1945

geborenen Kaufmann Otto A des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, des Vergehens nach § 16 Abs. 2 Z 1 SuchtgiftG und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a und b WaffenG schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsund Wertersatzstrafe. Nach den Urteilsannahmen hatte der Angeklagte in Wien I. vom Februar 1980 bis Mai 1980 vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er 1) zumindest 50 g Heroin an Josef B verkaufte;

2) dem Alain C S 50.000,-- zum Ankauf und zur anschließenden Einfuhr von Thai-H. aus Thailand nach Österreich überließ;

3) zwei bis drei Zigaretten Haschisch dem Andreas D zum Mitrauchen überließ;

II.in der Zeit zwischen August 1979 und Mai 1980 wiederholt unberechtigt Suchtgifte, vornehmlich Heroin und Haschisch erworben und im Besitz gehabt;

III.in der Zeit zwischen 1978 und 2. Juni 1980

1) unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine Pistole Steyr-Kipplauf 7,65 mm in Besitz gehabt;

2) eine gemäß § 11 Abs. 1 Z 6 WaffenG verbotene Waffe, nämlich ein Springmesser unbefugt in Besitz gehabt.

Lediglich gegen den Pkt. I. des Schuldspruches - genauer gesagt gegen den Pkt. I.1) desselben - richtet sich die auf die Z 5 (zitiert auch Z 9 lit. a) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, gegen den Strafausspruch dessen Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist begründet.

Zutreffend wendet der Angeklagte in seinen Beschwerdeausführungen dem Sinne nach ein, das Gericht habe zu Unrecht Feststellungen bezüglich eines auf Herbeiführung einer Gemeingefahr gerichteten Tätervorsatzes in der (verfehlten) Annahme unterlassen, daß sich solche vorliegend erübrigen, weil die von ihm weitergegebene Suchtgiftmenge so groß gewesen sei, daß sie außerhalb jeder Relation für einen möglichen Eigenbedarf liege. Denn bei dem vom Zeugen Josef B angegebenen, im Urteil allerdings nicht erörterten Eigenbedarf von rund 1 g Heroin pro Tag (S 166 d. A) würden die vom Angeklagten nach den Urteilsannahmen (S 179 d.A) in der Zeit zwischen Februar und Mai 1980

an den Letztgenannten verkauften 50 g Heroin nicht außer Relation zum persönlichen Bedarf des B stehen. Im übrigen aber bedarf es selbst bei einer weit über der 'Grenzmenge' liegenden Menge der Feststellung des Gefährdungsvorsatzes (13 Os 105/79); denn es reicht auch in diesem Fall die Kenntnis des Täters von der theoretischen Möglichkeit der Verwendung und Verbreitung des Suchtgiftes nicht für die Annahme des im § 12 SuchtgiftG umschriebenen Gefährdungsvorsatzes aus. Der Umstand, daß die zum Verkauf gebrachte Suchtgiftmenge außer jeder Relation für den möglichen Eigenbedarf einer begrenzten Personenzahl steht (SSt 45/10 uva), entbindet das Gericht lediglich von der Verpflichtung die in der Regel erforderlichen Feststellungen darüber zu treffen, was der Täter mit der angeführten Suchtgiftmenge vorhatte, d.h. an welchen Personenkreis, Süchtige, Endverbraucher oder Händler der Verkauf durchgeführt werden und wie der Verkauf bzw. die Verteilung des Suchtgiftes vonstatten gehen sollte.

Wegen dieses Feststellungsmangels, der inhaltlich der Entscheidungsgründe auch den unter den Punkten I.2) und 3) ergangenen Schuldsprüchen anhaftet, war der Nichtigkeitsbeschwerde, die sich - wie bereits oben erwähnt - der Sache nach lediglich gegen den Schuldspruch I.1) richtet - Folge zu geben und das Urteil gemäß § 289 StPO nicht nur in diesem Punkt, sondern auch in den Punkten I.2) und 3), die solcherart mit dem angefochtenen Schuldspruch im untrennbaren Zusammenhang stehen, und demgemäß im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht in Ansehung des Schuldspruches Pkt. I.1) zu beachten haben, daß ein (bedingter) Tätervorsatz bezüglich der Herbeiführung einer Gemeingefahr auch dann gegeben sein kann, wenn der Täter konkret nicht gewillt oder in der Lage ist, die Verteilung einer zur Herbeiführung einer Gemeingefahr geeigneten Suchtgiftmenge auf einen geringen Umfang zu begrenzen (SSt 48/46); ferner, daß bei mehrmaligen Suchtgiftverkäufen die Suchtgiftmengen der einzelnen Tathandlungen zu addieren sind und an der Gesamtmenge die Eignung nach § 12 SuchtgiftG zu prüfen ist, wenn im Sinne einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung die betreffenden Einzelakte objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und auf der subjektiven Seite der (bedingte) Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt (RZ 1979/73 ua), wobei unter Umständen auch die forensische Erfahrungstatsache zu berücksichtigen ist, daß größere Suchtgiftmengen in der Regel nicht lange gehortet, sondern rasch verteilt werden (vgl. 13 Os 120/79).

Bezüglich des Faktums I.2) wieder wird das Gericht (zusätzlich) beachten müssen, daß für die Gemeingefahr die Suchtgiftmenge und nicht der dafür bezahlte Preis entscheidend ist (vgl. 13 Os 174/77), weshalb diesbezüglich die Feststellung, der Angeklagte habe dem Alain C S 50.000,-- zum Ankauf und zur anschließenden Einfuhr von Thai-H. nicht ausreicht.

Infolge Aufhebung des Strafausspruches war der Angeklagte mit seiner Berufung auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

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