OGH 11Os14/80

OGH11Os14/8026.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführer in der Strafsache gegen Günter C wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und 2 Z 1 StGB und des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach dem § 94 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Jugendschöffengerichtes vom 29. November 1979, GZ 14 Vr 901/79-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Gloß und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Gerhart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (als unangefochten) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt B sowie im Günter C betreffenden Strafausspruch aufgehobenen und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 27. Juni 1962 geborene Handelsschüler Günter C des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 StGB (Punkt A des Urteilssatzes) und des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach dem § 94 Abs. 1 StGB (Punkt B des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Zum letztgenannten Schuldspruch wird ihm angelastet, am 6. Juli 1979 in Wilhelmsburg es (vorsätzlich) unterlassen zu haben, dem Gendarmerieinspektor Werner D, dessen Verletzung - eine Fissur des Kammbeines am Daumen der linken Hand - er verursacht hatte, die erforderliche Hilfe zu leisten.

Nur in diesem Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Günter C das Urteil mit einer auf die Z 3, 4, 5, 9

lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt schon aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Wie auch von der Generalprokuratur richtig erwähnt, verlangt § 94 Abs. 1 StGB auf der inneren Tatseite Vorsatz. Der Täter muß es also zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, einem anderen, dessen Verletzung er verursacht hat, die erforderliche Hilfe nicht zu leisten.

Ein solcher auch die festgestellte Verletzung des Gendarmeriebeamten umfassender (zumindest bedinger) Vorsatz des Angeklagten Günter C ist aber - wie die Beschwerde zutreffend rügt - dem Urteil nicht zu entnehmen. Alle Ausführungen im bezüglichen Zusammenhang beschränken sich auf den Sturz des Beamten, wobei der Urteilstext die Vermutung begründet, daß das Erstgericht - auf Grund irrtümlicher Auslegung des Umfanges der in der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. März 1976 (SSt. 47/17) aus der oben erwähnten Strafnorm abgeleiteten Überzeugungspflicht - der Frage, ob sich der Angeklagte auch der naheliegenden Möglichkeit bewußt war, eine Verletzung des Gendarmeriebeamten verursacht zu haben, keine Bedeutung beimaß. Rechtsrichtig bezieht sich aber die erwähnte Überzeugungspflicht nicht (schon) auf die Frage der Verletzung eines anderen, sondern lediglich auf dessen Hilfsbedürftigkeit. Sie wird daher erst dann relevant, wenn die Verursachung einer Verletzung des anderen Inhalt des - zumindest bedingten -

Vorsatzes des Täters wurde. Darüber fehlt jedoch eine klare Feststellung. Dieser Nichtigkeit des Urteils nach der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO bewirkende Mangel läßt eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sachverhaltens, der den Gegenstand des Schuldspruches zu B des Urteilssatzes bildete, nicht zu. In diesem Umfang (und demgemäß auch im Strafausspruch) war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil aufzugeben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne daß es noch eines Eingehens auf das übrige Beschwerdevorbringen bedurfte.

Mit seiner hiedurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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