OGH 13Os32/80

OGH13Os32/8020.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB. über die vom Vater und gesetzlichen Vertreter des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Jugendschöffengerichts vom 18. Dezember 1979, GZ. 11 Vr 1545/79-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Teicht und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Mario A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, am 8.Juni 1979 in St. Veit an der Glan vorsätzlich Karl B durch Versetzen von Faustschlägen in das Gesicht am Körper verletzt zu haben, wobei die Verletzung infolge Verlustes von drei Schneidezähnen im Oberkiefer an sich schwer gewesen sei, und hiedurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB. begangen zu haben, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.Oktober 1964 geborene Hauptschüler Mario A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84

Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 8.Juni 1979 während einer Unterrichtspause im Hof der Hauptschule in St. Veit an der Glan dem etwa gleichaltrigen Schüler Karl B durch einen in Mißhandlungsabsicht (§ 83 Abs. 2 StGB.) versetzten stärkeren Schlag ins Gesicht drei obere Schneidezähne ausschlug.

Den Urteilsfeststellungen zufolge hatte B dem A schon am Vortag einige Schläge versetzt und mit ihm auch am 8.Juni 1979 raufen wollen, war deshalb A im Schulhof nachgegangen und hatte A aufgefordert, ihn (B) doch zu schlagen, dann den sich weiterhin passiv verhaltenden A gepackt und ihm, ohne ihn allerdings zu verletzen, ans Kinn geschlagen. Im Zeitpunkt der die Verletzung des B verursachenden Schlagführung stand der Angeklagte seinem Widersacher gegenüber; er schlug insgesamt zweimal gegen B, der dem ersten Schlag ausweichen konnte. Auch B wollte den Beschwerdeführer schlagen und hatte bereits zu einem Schlag ausgeholt, er wurde dabei aber von einem hinter ihm stehenden Schüler 'eingehalten'; nach der im Urteil u.a. bezogenen Zeugenaussage des Karl C (siehe S. 49/50) schlug der Angeklagte im selben Augenblick zu, als B zuschlagen wollte und zum Hieb ausholte, aber zurückgehalten wurde. Wie das Erstgericht abschließend ausführt (siehe S. 72), schlug A auf B 'nicht etwa zum Zwecke der Verteidigung, sondern in der Absicht, die ständigen Provokationen des B zu vergelten'.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1

StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der auf den letztangeführten Nichtigkeitsgrund gestützten Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer den Rechtfertigungsgrund der Notwehr geltend macht, kommt Berechtigung zu.

Ausgehend von dem soeben wiedergegebenen Urteilssachverhalt ist dem Angeklagten unter Berücksichtigung des Zeitmoments eines solches Schlagwechsels zuzubilligen, daß er in Notwehr (§ 3 Abs. 1 StGB.) gehandelt hat, um einem bereits im Gang befindlichen - mithin 'gegenwärtigen' -

rechtswidrigen Angriff des B auf seine körperliche Integrität, welchem er sich nicht hatte entziehen können, zu begegnen. Da der Rechtsmittelwerber seinem gleichaltrigen Widersacher nur einen, wenn auch kräftigen Schlag versetzte, hat er die Grenzen der notwendigen Verteidigung nicht überschritten (§ 3 Abs. 1, erster Satz, StGB.). Daß der Angeklagte, wie das Erstgericht ('ergänzend feststellend') zum Ausdruck bringt, hiebei nicht in Verteidigungsabsicht gehandelt hat, steht der Beurteilung seines Verhaltens als gerechte Notwehr angesichts der objektiv gegebenen Notwehrsituation nicht entgegen (vgl. Harbich, RZ. 1979 S. 3/4; SSt. XXX/111, EvBl. 1973 Nr. 188 u.a.). Ein spezifischer Verteidigungswille des Angegriffenen ist nämlich entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichtes als Motivation der Notwehrhandlung nicht (zusätzlich) erforderlich.

War nun die die schwere Verletzung des Karl B bewirkende Schlagführung des Beschwerdeführers wegen Notwehr gerechtfertigt, erweist sich das angefochtene Urteil aus dem Grunde des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. als nichtig, weshalb - ohne auf die Verfahrens- und Mängelrüge einzugehen - spruchgemäß zu entscheiden war.

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