Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird verweigert.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die am 4. März 1961 geborene Renate A wurde mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 20. Dezember 1978, GZ. 4 a Vr 1583/78-28, des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142, 143
Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach Urteilsverkündung und Erteilung der Rechtsmittelbelehrung erklärte die Angeklagte, sich (drei Tage) Bedenkzeit vorzubehalten. Am 2. Jänner 1979 langte beim Jugendgerichtshof Wien ein an das Landesgericht für Strafsachen Wien gerichteter, die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das vorstehend bezeichnete Urteil beinhaltender Schriftsatz des Verteidigers der Angeklagten ein. Diese Rechtsmittelanmeldung war am 27. Dezember 1978 zur Post gegeben worden, am 28. Dezember 1978 beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingelangt und sodann an den Jugendgerichtshof Wien weitergeleitet worden (siehe ON 30 samt beigeheftetem Briefumschlag).
Ungeachtet des wegen Verstreichens der zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung in den § 284 Abs. 1 und 294 Abs. 1 StPO vorgesehenen (Dreitage-)Frist verspäteten Einlangens der Rechtsmittelanmeldung - die Tage des Postlaufes wären nur bei richtiger Adressierung des Rechtsmittels, also an das zuständige Gericht (hier: Jugendgerichtshof Wien) nicht mitzuzählen gewesen (vgl. dazu u.a. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/1, Nr. 36 ff zu § 6 StPO und III/2, Nr. 20 b zu § 285 StPO) - erging am 3. Jänner 1979 die richterliche Verfügung, eine Urteilsausfertigung an den Verteidiger 'zur Ausführung des Rechtsmittels' zuzustellen (S. 392). Nachdem der Verteidiger am 24. Jänner 1979 die Urteilsausfertigung zugestellt erhalten hatte, führte er die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten aus; dieser Schriftsatz langte am 6. Februar 1979, mithin innerhalb der in den § 285 Abs. 1, 294 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen (Vierzehntage-) Frist, beim Jugendgerichtshof Wien ein.
Daraufhin wies der Jugendgerichtshof Wien die Nichtigkeitsbeschwerde der Verurteilten wegen der bereits aufgezeigten verspäteten Anmeldung gemäß dem § 285 a Z 1 StPO zurück (S 1 h und 1 h verso). Erst mit Zustellung dieses Beschlusses am 26. Februar 1979 (siehe Rückschein bei S 1 h verso) erkannte der Verteidiger die anläßlich der Rechtsmittelanmeldung unterlaufene Verspätung und richtete am selben Tag einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an den Jugendgerichtshof Wien (siehe ON 32 samt beigeheftetem Briefumschlag). Dieser legte nach Einholung einer Äußerung der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung aussprach (S 1 i), die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den in Rede stehenden Antrag vor (§ 364 Abs. 2 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in welchem die versäumte Prozeßhandlung nicht nachgeholt (Z 3 des § 364 Abs. 1 StPO) und ein Versäumnis der Kanzleiangestellten des Verteidigers bei Verfassung des die Rechtsmittelanmeldung beinhaltenden Schriftsatzes behauptet wird, geht ins Leere.
Für die - im vorliegenden Fall maßgebliche - richtige Adressierung der Rechtsmittelanmeldung (ON 30) war nämlich nicht die - laut Vorbringen mit der Verfassung des Schriftsatzes betraute - Kanzleiangestellte, sondern der Verteidiger selbst verantwortlich. Denn ungeachtet eines Fehlers bei der Vorerledigung wäre es die Aufgabe des Verteidigers gewesen, anläßlich der Unterfertigung des Schriftsatzes die Richtigkeit desselben zu überprüfen. In den Rahmen einer solchen überprüfung wäre u.a. die Bezeichnung des Gerichtes, an welches die Rechtsmittelanmeldung ergehen sollte, gefallen. Da nun infolge der unrichtigen Adressierung der Schriftsatz erst verspätet, nämlich - wie schon angeführt - nach Ablauf der für die Anmeldung eines Rechtsmittels gegen ein schöffengerichtliches Urteil offenstehenden Frist beim Jugendgerichtshof Wien als zuständigem Gericht, einlangte, liegt ein solcher Mangel an Sorgfalt des Vertreters der Angeklagten vor, welcher ein Verschulden an der Veräumung der Frist zur Rechtsmittelanmeldung begründet (§ 364 Abs. 1 Z 1 StPO).
Aus den dargelegten Gründen war demnach die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verweigern. Da die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits - rechtsrichtig, weil noch vor Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages (vgl. dazu EvBl. 1961/285) - durch das Erstgericht erfolgt ist, war vom Obersten Gerichtshof nur mehr die Berufung zurückzuweisen (§ 296 Abs. 1 und 2 /sinngemäß/ in Verbindung mit 294 Abs. 4 StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)