OGH 13Os23/79

OGH13Os23/792.3.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter, sowie des Richteramtanwärters Mag. Santa als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz A wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 11. November 1976, GZ. 8 U 2134/76-3, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 11. November 1976, GZ. 8 U 2134/76-3, mit der Franz A des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125

StGB schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe verhängt wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 460 Abs. 1 StPO sowie des § 166 Abs. 1 und 3 StGB Diese Strafverfügung und alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben.

Der Antrag des öffentlichen Anklägers auf Bestrafung des Franz A wegen Vergehens nach § 125 StGB wird abgewiesen und das Strafverfahren eingestellt.

Text

Gründe:

Die Pensionistin Maria A zeigte am 19. Oktober 1976 Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Innsbruck an, daß ihr Sohn Franz A soeben fünf Scheiben des Schlafzimmerfensters ihrer Wohnung in Innsbruck, Schullernstraße 3, nach längerem Klopfen, ohne daß sie ihm Einlaß gewährt hätte, eingeschlagen habe, wodurch ein Schaden von ungefähr 350 S entstanden sei.

Da der Aufenthalt des Franz A vorerst nicht zu ermitteln war, wurde er zu dieser Anzeige nicht vernommen.

Am 9. November 1976 beantragte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Innsbruck, Franz A wegen Vergehens nach § 125 StGB zu bestrafen. Hierauf verhängte das Bezirksgericht Innsbruck mit Strafverfügung vom 11. November 1976, GZ 8 U 2134/76-3, über Franz A wegen Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen, deren Höhe mit 100 S festgesetzt wurde, und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Tagen, weil er nach dem Ergebnis der durchgeführten Erhebungen am 19. Oktober 1976 in Innsbruck dadurch, daß er fünf Fensterscheiben des Schlafzimmerfensters der Maria A einschlug, wobei der Schaden 350 S betrug, eine fremde Sache in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert zerstört habe.

Diese Strafverfügung wurde rechtskräftig, da weder der Bezirksanwalt noch der Beschuldigte, an dessen (nachmals ermitteltem) Wohnort sie am 23. Juni 1977 postamtlich hinterlegt, von ihm aber nicht behoben wurde, rechtzeitig Einspruch erhoben. Der vom Beschuldigten (erst) am 13. Oktober 1977 erhobene Einspruch wurde vom Bezirksgericht Innsbruck mit Beschluß vom 29. Dezember 1977 (ON 9) als verspätet zurückgewiesen.

Franz A erlegte auf die Geldstrafe am 8. Juni 1978 einen Teilbetrag von 1.000 S. Infolge Uneinbringlichkeit des Restes wurde er am 20. Oktober 1978 zum Vollzug des entsprechenden Teiles der Ersatzfreiheitsstrafe (von 20 Tagen) vorgeführt, am 24. Oktober 1978 jedoch nach Entrichtung des sohin noch aushaftenden Restes der Geldstrafe von 3.154 S aus der Strafhaft entlassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 11. November 1976 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 460 Abs. 1 StPO kann im bezirksgerichtlichen Verfahren - außer in dem hier von vornherein nicht gegebenen Fall einer Anzeige durch eine Behörde oder durch ein Sicherheitsorgan auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines Geständnisses - die Strafe ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung festgesetzt werden, wenn die durchgeführten Erhebungen zur Beurteilung aller für die Entscheidung maßgebenden Umstände ausreichen.

Diese Voraussetzung ist grundsätzlich dann nicht erfüllt, wenn dem das ganze Strafverfahren beherrschenden Grundsatz des beiderseitigen Gehörs in einer der Erforschung der materiellen Wahrheit dienlichen Weise nicht Rechnung getragen wurde (ÖJZ-LSK 1977/16 = ZVR 1977/89). Gerade das war aber vorliegend der Fall, weil der Beschuldigte zu der gegen ihn erstatteten Anzeige durch die Sicherheitsbehörde überhaupt nicht hatte vernommen werden können.

Außerdem wurde bei Erlassung der Strafverfügung nicht beachtet, daß die Sachbeschädigung nach der Aktenlage zum Nachteil der Mutter des Beschuldigten begangen wurde. Nach den durchgeführten Erhebungen ist zwar nicht zu ersehen, in wessen Eigentum das Haus steht, in dem sich die Wohnung der Maria A befindet. Jedoch auch bei Mietwohnungen hat in der Regel der Mieter für die Wiederherstellung eingeschlagener Fensterscheiben der Wohnräume aufzukommen; durch deren Beschädigung wird daher sein Vermögen betroffen. Nun ist aber nach § 166 Abs. 1 und 3

StGB nur auf Verlangen des Verletzten u. a. zu bestrafen, wer eine Sachbeschädigung zum Nachteil eines Verwandten in gerader Linie begeht; auf das Bestehen einer Hausgemeinschaft zwischen dem Täter und dem Verletzten kommt es in diesem Fall naher Angehörigenschaft nicht an. Gemäß § 2 Abs. 2 StPO wäre daher nur Maria A als Verletzter die Erhebung der Privatanklage zugekommen; sohin fehlte die nach dem Gesetz erforderliche Anklage (vgl. § 281 Abs. 1 Z 9 lit. c StPO).

Es war sohin in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte