OGH 11Os6/79

OGH11Os6/7930.1.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Jänner 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Liebetreu als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A wegen des Vergehens nach dem § 9 Abs 1 Z 1

und 2 Suchtgiftgesetz über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. April 1978, GZ 6 c Vr 405/78-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt DDr. Groh, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Peter A ua, AZ 6 c Vr 405/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzt das Urteil dieses Gerichtes vom 27. April 1978, mit dem ausgesprochen wurde, daß 'die gemäß § 9 Abs 1

SuchtgiftG unter Bedachtnahme gemäß den § 31, 40 StGB auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 23. Februar 1978, 19 U 1366/77, gegen Peter A zu bestimmende Gesamtstrafe fünf Monate Freiheitsstrafe beträgt', durch diesen Ausspruch das Gesetz in den Bestimmungen der § 31 Abs 1, 40, 55 Abs 1 StGB und des § 495 Abs 1 und 2 StPO Dieser Ausspruch wird aufgehoben und es wird im Umfange der Aufhebung gemäß den § 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

'Gemäß den § 31 Abs 1 und 40 StGB wird unter Bedachtnahme auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 23. Februar 1978, GZ 19 U 1366/77-23, von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen. Mit seiner gegen den Strafausspruch des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. April 1978, GZ 6 c Vr 405/78-40, gerichteten Berufung wird Peter A auf diese Entscheidung verwiesen.'

Text

Gründe:

I./ 1.) Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 23. Februar 1978, GZ 19 U 1366/77-23, wurde der am 17. Mai 1954 geborene Vertreter Peter A des Vergehens nach dem § 9 Abs 1 Z 1 und 2 SuchtgiftG schuldig erkannt und hiefür nach dem § 9 Abs 2 SuchtgiftG zu einer gemäß dem § 43 Abs 1

StGB für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, weil er in Wien im März 1977 Opiumtinktur von Unbekannten, im Juni 1977 Morphinbase von Nicolas B und Morphin von Adolf C sowie in der Zeit zwischen Frühjahr bis Ende Juni 1977 verschiedene weitere Suchtgifte erworben, ferner weil er an Irene D im Juni und Juli 1977 Heroin verkauft bzw öfter weitergegeben und ihr am 5. Juli 1977 von Adolf C erworbenes Morphinpulver überlassen hat.

Auf die verhängte Freiheitsstrafe wurde gemäß dem § 38 Abs 1 Z 1 StGB die vom Verurteilten in diesem Verfahren erlittene (Vor) Haft vom 5. Juli 1977, 11 Uhr, bis 6. Juli 1977, 17 Uhr, angerechnet.

2.) Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. April 1978, GZ 6 c Vr 405/78-40, wurde Peter

A (erneut) des Vergehens nach dem § 9 Abs 1 Z 1 SuchtgiftG, als Beteiligter gemäß dem § 12 (letzter Fall) StGB, deshalb schuldig erkannt (Punkt III/ des Urteilssatzes), weil er zur Ausführung der mit demselben Urteil abgeurteilten Tat des Mitangeklagten Raoul E (der laut Punkt II/1 des Urteilssatzes im Sommer 1977 an Kurt F und Veronika G zumindest 2 1/2 Gramm Heroin unberechtigt überlassen hatte) dadurch beigetragen hat, daß er Raoul E mit Kurt F zwecks überlassung von Suchtgift zusammenführte.

Das Schöffengericht sprach weiters aus, daß 'die gemäß § 9 Abs 1 SuchtgiftG unter Bedachtnahme gemäß § 31, 40 StGB auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 27. Februar 1978, 19 U 1306/77, gegen Peter A zu bestimmende Gesamtstrafe fünf Monate Freiheitsstrafe beträgt'.

In den Entscheidungsgründen des Urteils wird hiezu ausgeführt (sS 195/196 dA), daß 'hinsichtlich des Angeklagten A das im Spruch angeführte Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vorliegt, das im Sinne der § 31, 40 StGB berücksichtigt werden mußte. Bei gemeinsamer Aburteilung der von jenem Verfahren betroffenen Straftaten mit den vorliegenden wäre eine fünfmonatige Freiheitsstrafe zu verhängen. Insoweit war von der Verhängung einer Zusatzstrafe abzusehen. Da jedoch das bezirksgerichtliche Urteil die Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen hat, war die vom Schöffengericht vorgenommene (Gesamt) Strafbemessung im Urteilsspruch auszudrücken, weil diese nicht mit bedingter Strafnachsicht verbunden wurde.' Auf die solcherart verhängte Gesamtstrafe rechnete das Schöffengericht - spruchmäßig - gemäß dem § 38 Abs 1 Z 1 StGB die von Peter A in der Zeit vom 30. Jänner 1978, 20 Uhr, bis 13. Februar 1978, 14 Uhr 05, erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft an.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Peter A Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (S 187 a verso dA), jedoch lediglich das letztbezeichnete Rechtsmittel ausgeführt (ON 47) und beantragt, die über ihn verhängte Freiheitsstrafe für eine Probezeit aufzuschieben. Die (angemeldete) Nichtigkeitsbeschwerde wurde sodann vom Vorsitzenden mit Beschluß vom 16. Oktober 1978 zurückgewiesen (ON 48); über die Berufung wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

II./ Das zu I/2 bezeichnete Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien steht, insoweit es eine 'Gesamtstrafe' von fünf Monaten Freiheitsstrafe bestimmt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Wird ein Angeklagter für schuldig befunden, so hat das Strafurteil (ua) gemäß dem § 260 Abs 1 Z 3 StPO bei sonstiger Nichtigkeit auszusprechen, zu welcher Strafe er verurteilt wird. Wird jemand - so wie vorliegend Peter A - der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon im früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist gemäß dem § 31 Abs 1 StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen, die das Höchstmaß der Strafe nicht übersteigen darf, die für die nunmehr abzuurteilende Tat angedroht ist. Die Summe der Strafen darf die Strafe nicht übersteigen, die nach den Regeln über die Strafbemessung beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen (§ 28 StGB) und über die Zusammenrechnung der Werte und Schadensbeträge (§ 29 StGB) zulässig wäre. In einem solchen - hier gegebenen - Fall der Strafbemessung bei nachträglicher Verurteilung ist im Sinne des die eben erörterte Bestimmung des § 31 Abs 1 StGB ergänzenden § 40 StGB die Zusatzstrafe innerhalb der im § 31 StGB bestimmten Grenzen so zu bemessen, daß die Summe der Strafen jener Strafe entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen wäre. Wäre bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen, so ist von einer Zusatzstrafe abzusehen. Hiebei ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl LSK 1975/50; RZ 1978/23) bei der Ausmessung der Zusatzstrafe im konkreten Fall zunächst jene Strafe (gedanklich) zu ermitteln, die bei gemeinsamer Aburteilung aller Taten zu verhängen gewesen wäre. Von dieser Strafe ist sodann die in dem gemäß dem § 31 StGB zu beachtenden Vorurteil verhängte Strafe abzuziehen; ein hiebei verbleibender Rest ist als Zusatzstrafe (neu) zu verhängen, ansonsten ist von der Verhängung einer solchen abzusehen.

Den Widerruf bedingter Nachsicht einer Strafe im Falle einer derartigen nachträglichen Verurteilung gemäß dem § 31 Abs 1 StGB regelt § 55 StGB Voraussetzung des Widerrufes ist, daß die bedingte Nachsicht bei gemeinsamer Aburteilung nicht gewährt worden wäre. Hiebei behandelt § 55 Abs 1 StGB den - hier gegebenen - Fall einer im ersten Urteil ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht, und deren Widerruf wegen einer nachträglichen Verurteilung im Sinne des § 31 StGB Der zweite Absatz des § 55 StGB regelt sodann den (umgekehrten) Fall des Widerrufes einer im späteren Urteil (in Unkenntnis des früheren Urteils, auf das Bedacht zu nehmen gewesen wäre) gewährten bedingten Strafnachsicht.

Die Entscheidung über einen solchen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung fällt gemäß dem § 495 Abs 1

und 2 StPO jenem Gericht zu, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und das zuletzt rechtskräftig wurde;

über den Widerruf ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zu entscheiden.

Im Hinblick auf diese eindeutige Rechtslage kommt im Falle einer nachträglichen Verurteilung im Sinne des § 31 Abs 1 StGB weder die Bestimmung einer 'Gesamtstrafe' noch eine urteilsmäßige Korrektur der im früheren Urteil getroffenen Entscheidung über die Gewährung bedingter Strafnachsicht in Betracht (s Leukauf-Steininger, 229; Foregger-Serini2, 74/75; vgl auch EBRV 1971, 120).

Vielmehr hätte das Schöffengericht, nach dessen Auffassung für beide Straftaten zusammen eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten angemessen war, vorliegend von der Verhängung einer Zusatzstrafe - auch spruchmäßig -

absehen müssen, womit schon begrifflich eine Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 43 Abs 1 StGB (weiterhin) vorliegen, nicht mehr möglich war. Die Entscheidung über einen allfälligen Widerruf der im früheren Urteil ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht aus dem Grunde der nunmehrigen (nachträglichen) Verurteilung wäre im übrigen im Sinne der erörterten Regelung des § 55 Abs 1 StGB und des § 495 Abs 1 und 2 StPO dem Strafbezirksgericht Wien (im Verfahren 19 U 1366/77) zu überlassen gewesen. Durch die Vorwegnahme dieser Entscheidung im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. April 1978, und zwar zu Ungunsten des Angeklagten Peter A, wurde dieser möglicherweise benachteiligt.

Der gesetzwidrige Strafausspruch war daher aufzuheben und auszusprechen, daß von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen wird - zu welchem Ergebnis letztlich ja auch das Schöffengericht gekommen ist (vgl S 196 dA).

Von der durch die Generalprokuratur beantragten Ergänzung des Ausspruches des Obersten Gerichtshofes dahin, daß auf die in dem gemäß dem § 31 StGB zu beachtenden Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien über Peter A verhängte Freiheitsstrafe von 5 Monaten auch noch die von diesem Angeklagten im Verfahren zu 6 c Vr 405/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erlittene Vorhaft anzurechnen ist, um den Angeklagten vor einer Benachteiligung infolge der getrennten Führung der beiden in Rede stehenden Verfahren zu bewahren, konnte abgesehen werden, weil der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu 6 c Vr 405/78 als der Bestimmung des § 38 StGB entsprechend von der Aufhebung ohnehin nicht betroffen ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte