OGH 11Os1/79

OGH11Os1/7916.1.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Liebetreu als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und 2, Z 1, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Dezember 1978, GZ 23 Vr 1943/77-47, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 13. September 1978, GZ 23 Vr 1943/77-39, wurde ua Georg B eines Verbrechens und eines Vergehens schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung meldete dieser Angeklagte gegen das Urteil die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung an (S 144 dA). Der Verteidiger des Angeklagten, dem am 8. November 1978 eine Urteilsausfertigung zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel zugestellt worden war (S 165 dA), führte am 22. November 1978 die Strafberufung aus, zog aber gleichzeitig die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurück (S 167 dA).

Mit Schreiben vom 23. November 1978, zur Post gegeben am 25. November 1978 (ON 46), sohin nach Ablauf der 14tägigen Rechtsmittelausführungsfrist, teilte Georg B dem Gericht mit, daß er nicht nur die Berufung, sondern auch die Nichtigkeitsbeschwerde aufrecht erhalte und dies auch seinem Anwalt mitgeteilt habe. Er beantrage daher, die Erklärung seines Anwalts in dessen Berufungseingabe als unbeachtlich anzusehen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht die Nichtigkeitsbeschwerde des Georg B gemäß dem § 285 a StPO mit der Begründung zurück, daß die Zurücknahme eines vom Angeklagten angemeldeten Rechtsmittels durch den Verteidiger selbst dann wirksam sei, wenn sie ohne oder - sogar - gegen den Willen des Angeklagten erfolgte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Beschwerde ist nicht gerechtfertigt. Gemäß dem § 44 StPO bedarf der einmal bestellte Verteidiger zur Vornahme einzelner Prozeßhandlungen keiner besonderen Vollmacht. Diese Bestimmung ist sowohl auf den Wahlverteidiger als auch auf die nach dem § 41 Abs 2 und Abs 3 StPO bestellten Verteidiger anzuwenden. Demnach kann ein Verteidiger für seinen Mandanten verbindliche Rechtsmittelerklärungen abgeben und somit auch angemeldete Rechtsmittel zurückziehen. Zwar dürfen solche Rechtshandlungen in der Regel nicht gegen den Willen des Angeklagten vorgenommen werden (Foregger-Serini 2, Anm II zu § 44), doch bedeutet dies zunächst nur, daß der Verteidiger im Innenverhältnis verpflichtet ist, sich dem Willen des Angeklagten zu beugen, nicht aber daß die vom Verteidiger - wenn auch gegen den Willen des Angeklagten -

vorgenommene Rechtshandlung keine prozessuale Wirkung erzeugte. Nur dann, wenn dem Gericht schon bei Abgabe der prozessualen Erklärung bekannt ist, daß zwischen dem Angeklagten und dem Verteidiger in Bezug auf diese kein Konsens besteht, dh also der Angeklagte zB mit der vom Verteidiger abgegebenen Rechtsmittelerklärung nicht einverstanden ist, könnte diese keine Wirksamkeit haben. In diesem Sinne ist auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. Juni 1969, 12 Os 137, 138/69 (EvBl 1970/105) zu verstehen, wonach eine Berechtigung zur eigenmächtigen Verweigerung der Ausführung der vom Angeklagten angemeldeten Rechtsmittel gegen dessen erklärten Willen dem Verteidiger keinesfalls zugebilligt werden könne und die Ratskammer verpflichtet sei, die Weigerungsgründe auf ihre Erheblichkeit zu prüfen.

So gesehen handelte aber das Erstgericht zu Recht, wenn es die Erklärung des Angeklagten - die überdies erst nach Ablauf der Rechtsmittelausführungsfrist vom Angeklagten zur Post gegeben worden war -, dessen Willen ihm im Zeitpunkt der Rechtsmittelzurückziehungserklärung des Verteidigers nicht bekannt war, zurückwies. Andernfalls wäre die Rechtssicherheit gefährdet, weil der Angeklagte auch noch Monate nach Ablauf der Rechtsmittelausführungsfrist die Möglichkeit hätte, dem Gericht nachzuweisen, daß er mit der Abgabe der Rechtsmittelerklärung seitens seines Verteidigers nicht einverstanden war, um diese somit noch ungültig zu machen.

Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen, ohne daß zu prüfen gewesen wäre, ob tatsächlich eine Willensdivergenz zwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten im Zeitpunkt der Rechtsmittelzurückziehung vorlag.

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