OGH 12Os173/78

OGH12Os173/784.12.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Dezember 1978 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schnattinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2, Z 1 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30.Juni 1978, GZ. 4 d Vr 4464/78-42, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Gerig, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

510 Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß § 31 und 40 StGB auf das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 6.Juli 1978, GZ. 2 E Vr 889/78-24, auf 16 (sechzehn) Monate als Zusatzstrafe erhöht. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Juli 1940 geborene Hilfsarbeiter Rudolf A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84

Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 31.Mai 1974 in Wien Karl B durch einen gegen den Bauch geführten Stich mit einem Taschenmesser, dessen 9 cm lange Klinge an der Spitze beidseitig geschliffen war, sohin mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, am Körper verletzte, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, sowie eine an sich schwere Verletzung des Karl B, nämlich eine Stichverletzung unter Eröffnung der Bauchhöhle und des Dickdarmes zur Folge hatte. Dieses - seitens des Angeklagten unangefochten gebliebene - Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde insoweit, als der Angeklagte nicht - im Sinne der in der Hauptverhandlung modifizierten Anklage - des Verbrechens der absichtlichen (mit einer schweren Dauerfolge im Sinne des § 85 Z 3 StGB verbundenen) Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt wurde.

Zum erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt sie die Abweisung ihres in der Hauptverhandlung gestellten Antrages, ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten darüber einzuholen, ob die Verletzung des Karl B mit schweren Dauerfolgen verbunden gewesen sei (vgl. S 181 ff d. A), im wesentlichen mit der Begründung, daß die im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. Walther C erstellte Prognose, es seien schwere Dauerfolgen nicht zu erwarten, nur für den Tag der Gutachtenerstellung (27.Jänner 1975) gültig gewesen sei, die seither eingetretenen Ereignisse darin aber nicht hätten berücksichtigt werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge versagt.

Eine Ergänzung des (in der Hauptverhandlung verlesenen) Gutachtens des genannten gerichtsmedizinsichen Sachverständigen in der von der Staatsanwaltschaft begehrten Richtung lehnte das Erstgericht nicht nur unter Hinweis auf dessen Unbedenklichkeit und Schlüssigkeit, sondern vor allem im Hinblick auf die Aussage des Zeugen Karl B ab, wonach dieser sich zunächst bis 31.Oktober 1974 im Krankenstand befunden habe und sodann, da er weiterhin arbeitsunfähig gewesen sei, bis zum Jahre 1977 eine Früh- (Invaliditäts-) rente erhalten habe, seither jedoch wieder einer Arbeit nachgehen könne (vgl. S 180 d. A). Da der Verletzte mithin seiner eigenen Darstellung zufolge - konform mit der vom Sachverständigen Dr. Walther C seinerzeit erstellten Prognose - seine Erwerbsfähigkeit tatsächlich wiedererlangt hat, bedurfte es, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, zur Klärung der Frage, ob die Tat für immer oder für lange Zeit Berufsunfähigkeit zur Folge hatte, keiner weiteren Beweisaufnahme. Der in diesem Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist gleichfalls unbegründet: Die Urteilsannahme, Karl B habe sich bis 31.Oktober 1974 im Krankenstand befunden, ist in dessen Zeugenaussage in der Hauptverhandlung gedeckt. Damit brachte das Erstgericht aber keineswegs zum Ausdruck, daß ab diesem Zeitpunkt keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit des Verletzten mehr bestanden hätte; es stellte vielmehr ausdrücklich fest, daß diesem 'Krankenstand' (im engeren Sinn) ein längerer Zeitraum folgte, in welchem Karl B zufolge seiner Verletzung keiner Arbeit nachgehen konnte und deshalb eine Früh- (Invaliditäts-)rente bis 1977, dem Wiedereintritt seiner Erwerbsfähigkeit, erhielt (vgl. S 189 d. A).

Soweit die Staatsanwaltschaft - sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO - geltend macht, daß eine drei Jahre dauernde Berufsunfähigkeit, wie sie nach den Urteilsfeststellungen bei Karl B vorlag, eine schwere Dauerfolge im Sinne des § 85 Z 3 StGB darstelle, ist ihr aber folgendes entgegenzuhalten:

Der Tatbestand der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen setzt voraus, daß die Tat für immer oder für lange Zeit eine der im § 85 StGB näher bezeichneten Folgen nach sich gezogen hat. Wie in der Beschwerde an sich richtig ausgeführt wird, bedeutet der Begriff der langen Zeit einen langen Zeitraum, der sich deutlich von einer 24- tägigen Dauer der Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit (§ 84 Abs. 1 StGB) abhebt und im Hinblick auf die durchschnittliche Lebensdauer einen wesentlichen Teil des Lebens darstellt (vgl. Foregger, StGB2, 160). Nach § 85 StGB können demnach nur solche langdauernden Leiden in Betracht kommen, die eine gewichtige, einer immerwährenden Folge nahekommende Beeinträchtigung des Daseinswertes für den Betroffenen bedeuten (vgl. EB zur RV, 216). Davon kann jedoch im vorliegenden Fall bei einer rund dreijährigen Berufsunfähigkeit eines zur Tatzeit 40-jährigen Mannes ungeachtet der für ihn damit verbundenen hohen Verdiensteinbuße und empfindlichen Beeinträchtigung seiner Lebensführung noch nicht gesprochen werden.

Die Auffassung des Erstgerichtes, daß die festgestellten Verletzungsfolgen keine schweren Dauerfolgen im Sinne des § 85 StGB darstellen, ist demnach frei von Rechtsirrtum. Im übrigen verlangte der zur Tatzeit geltende § 156

lit. c StG immerwährende Berufsunfähigkeit des Verletzten. Zufolge dieser insoweit für den Täter günstigeren Bestimmung des StG-Rechts wäre daher, selbst bei Vorliegen einer (im Sinne des § 85 Z 3 StGB) langdauernden Berufsunfähigkeit eine Zurechnung schwerer Dauerfolgen ausgeschlossen.

Den Ausspruch des Erstgerichtes, der Angeklagte habe die schwere Körperverletzung dem Karl B nicht absichtlich (im Sinne des § 5 Abs. 2 StGB) zugefügt, bezeichnet die Beschwerdeführerin als im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5

StPO unvollständig begründet, weil die Äußerung des Angeklagten, mit der er dem Verletzten einen Messerstich angedroht habe, im Urteil nicht wörtlich wiedergegeben sei. Der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO wird ferner behauptet, das Erstgericht habe die Annahme eines absichtlichen Handelns rechtsirrig verneint.

Auch nach dieser Richtung hin kommt der Beschwerde keine Berechtigung zu.

Daß der Angeklagte im Zuge seiner Auseinandersetzung mit Karl B diesem einen Messerstich androhte, wurde im Urteil festgestellt, im Rahmen der Beweiswürdigung hinreichend erörtert und dahin gewürdigt, daß der Vorsatz des Angeklagten hiebei zunächst (nur) darauf gerichtet war, seinen Gegner einzuschüchtern (vgl. S 189, 192 f d. A);

einer wörtlichen Wiedergabe der drohenden Äußerung bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Im übrigen findet die bekämpfte Annahme, wonach der Angeklagte zwar bedachte, er werde Karl B durch einen Messerstich lebensgefährlich verletzen, und sich damit abfand, es ihm aber gleichwohl nicht darauf ankam, einen schweren Verletzungserfolg herbeizuführen, in den im Urteil dargelegten Erwägungen eine wenn auch nicht zwingende, so doch mit den logischen Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht in Widerspruch stehende und folglich auch zureichende Begründung, der formelle Mängel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht anhaften.

Geht man aber von den zur subjektiven Tatseite getroffenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes aus, so ist für eine Unterstellung des Tatverhaltens des Angeklagten unter den Tatbestand der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 StGB kein Raum. Denn nach § 5 Abs. 2 StGB handelt ein Täter absichtlich, wenn es ihm auf die Verwirklichung des Umstandes oder Erfolges, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt, d.i.

nach § 87 StGB die Herbeiführung einer schweren Körperverletzung eines anderen Menschen, ankommt. Anders als beim Handeln mit bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB), bei welchem er die Verwirklichung des Unrechtssachverhaltes nicht erstrebt und sich ihrer auch nicht gewiß ist, sondern sie bloß ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet, und anders als bei wissentlichem Handeln (§ 5 Abs. 3 StGB), bei welchem er mit Bestimmtheit damit rechnet, daß die rechtswidrigkeitserheblichen Umstände vorliegen oder durch ihn verwirklicht werden, ohne dies geradezu zu bezwecken, setzt sich der Täter bei absichtlichem Handeln die Verwirklichung des tatbildmäßigen Unrechts direkt zum Ziel (vgl. LSK 1976/119 = EvBl. 1976/242).

Eben diese Voraussetzung lag beim Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen aber nicht vor.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Rudolf A nach § 84 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten und nahm bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, als mildernd das reumütige Geständnis an.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft, welche eine Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe begehrt, ist berechtigt. Zu den vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründen kommen noch weitere erschwerender Natur hinzu.

Zum einen, der rasche Rückfall, da der Angeklagte nach Verbüßung seiner wegen der übertretung nach § 411 StG verhängten Arreststrafe von einer Woche am 20.Dezember 1973

bereits 5 Monate später mit der Begehung der gegenständlichen Tat einschlägig rückfällig wurde. Zum anderen, daß die Tat nach § 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB zweifach qualifiziert ist und, was besonders ins Gewicht fällt, die Folgen der Tat - der Verletzte war drei Jahre berufsunfähig - als sehr erheblich angesehen werden müssen und der Qualifikation nach § 85 Z 3 StGB (Berufsunfähigkeit für lange Zeit) nahekommen. Es war daher, um dem Schuldund Unrechtsgehalt der Tat, sowie der Täterpersönlichkeit gerecht zu werden, eine Erhöhung der Freiheitsstrafe vorzunehmen. Dabei war gemäß § 31, 40 StGB auf das Urteil des Jugendsgerichtshofes Wien vom 6. Juli 1978, GZ. 2 E Vr 889/78-1, Bedacht zu nehmen, mit welchem der Angeklagte wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt wurde. Unter diesen Umständen erscheint die Verhängung einer Zusatzstrafe von 16 (sechzehn) Monaten angemessen. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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