OGH 12Os99/78

OGH12Os99/7814.9.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A und andere wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Friedrich B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 8. Mai 1978, GZ. 23 Vr 576/78-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Villgratner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Friedricht B wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung dieses Angeklagten aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Friedrich B wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 17. August 1977 in Mittewald/Drau im bewußten und gemeinsamen Zusammenwirken mit Rudolf A, Robert C, Franz D, Albert E, Gerhard E, Werner C und Josef F als Mittäter die Hildegard A mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich dadurch, daß er und die anderen Mittäter sie in einen Wald lockten, über sie herfielen, sie zu Boden warfen, ihr die Augen und den Mund zuhielten, sie an den Händen und Füßen festhielten, ihr die überhose und den Schlüpfer auszogen und ihr die Brüste entblößten sowie sie am Geschlechtsteil und an den Brüsten abgriffen, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zur Unzucht mißbraucht und hiedurch das Verbrechen des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden unter anderem Rudolf A, Robert C, Franz D, Albert E, Gerhard E, Werner C und Josef F, welche mit Ausnahme von Robert C und Franz D zur Tatzeit durchwegs noch jugendlich waren, abweichend von Punkt I) der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 5.12.1977, ON 27, die ihnen das Verbrechen des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs. 1 StGB in der im Spruch näher bezeichneten Form angelastet hatte, (teilweise neben anderen Delikten) des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 17.8.1977 in Mittewald/Drau im bewußten und gemeinsamen Zusammenwirken als Mittäter die Hildegard A mit Gewalt zur Duldung der Entkleidung nötigten (Punkt I des Urteils).

Der am 26.6.1961 geborene, sohin zur Tatzeit ebenfalls noch jugendliche kaufmännische Lehrling Friedrich B, dem die eingangs erwähnte Anklageschrift ebenfalls das Verbrechen des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs. 1 StGB, begangen als Mittäter zusammen mit den genannten Personen, vorgeworfen hatte, wurde mit diesem Urteil schuldig erkannt, zur oben erwähnten Straftat der dort genannten Mitangeklagten dadurch beigetragen und hiedurch das Vergehen der Nötigung (als Beteiligter) nach den § 12, 105 Abs. 1 StGB begangen zu haben, 'daß er über Aufforderung eines der Täter die Taschenlampe löschte' (Punkt II des Urteils).

Gegen dieses Urteil, das in Ansehung der übrigen Angeklagten als unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wendet sich der Angeklagte Friedrich B mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 9 lit. a ('bzw. 10') des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der den letztgenannten Nichtigkeitsgrund relevierenden Rechtsrüge kommt Berechtigung zu.

Nach den Urteilsfeststellungen trafen sich die oben genannten Burschen am 17.8.1977 in ihrem Heimatort und vereinbarten über Vorschlag des Rudolf A, daß dieser seine Schwester, die am 13.1.1960 geborene Hildegard A nach Einbruch der Dunkelheit zur sogenannten Vergeiner-Hütte locken solle, wo die anderen - in der Finsternis unerkannt bleibend - sie überfallen und entkleiden würden. Nur Friedrich B, der den Plan ebenfalls kannte, war damit nicht einverstanden und ging nach Hause. Die übrigen Burschen führten den Plan wie besprochen aus, wobei das Mädchen umringt, zu Boden gerisssen, festgehalten und trotz heftiger Gegenwehr entkleidet wurde. Der in der Nähe des Tatortes wohnende Friedrich B hörte die dabei verursachten Geräusche, war sogleich über die ablaufenden Vorgänge im klaren und begab sich aus Neugierde unter Mitnahme einer Taschenlampe zum Tatort. Dort angelangt, beleuchtete er mit der Lampe mehrfach das am Boden liegende, teilweise entkleidete und festgehaltene Mädchen, dem man den Mund zuhielt, aber auch die Augen zu bedecken trachtete, damit es niemanden erkennen könne. Einer der Burschen forderte daraufhin B auf, die Taschenlampe auszuschalten, was dieser auch sogleich im Bewußtsein der Tatsache tat, daß er die Lampe deshalb ausschalten sollte, damit das Mädchen die an der Tat beteiligten Burschen nicht leichter erkennen könne. Hierauf entfernte sich B wieder vom Tatort. Hildegard A konnte dann um Hilfe rufen, worauf die Burschen von ihr abließen und flüchteten. Ausgehend von diesem Sachverhalt, gelangte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zur Auffassung, daß Friedrich B eine strafbare Beteiligung im Sinne des § 12 StGB (gemeint: 3. Alternative) an dem den anderen Mitangeklagten zur Last fallenden Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB deshalb zu verantworten habe, weil er die Fortführung der Tat, durch die anderen Angeklagten dadurch unterstützt habe, daß er über Aufforderung eines der Täter die Taschenlampe löschte und so verhindern half, daß Hildegard A in der Dunkelheit einen der Täter erkennen könne.

Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß sich der Beschwerdeführer der Verabredung der übrigen Burschen von vornherein nicht anschloß und seine Ablehnung der geplanten Tat auch äußerlich dadurch dokumentierte, daß er sich von den anderen trennte und nach Hause ging.

Er hat seinen Willensentschluß auch nicht geändert, nachdem er später zutreffend angenommen hatte, daß die anderen mit der Tatverwirklichung begonnen hatten, sondern sich bloß aus Neugierde, also als unbeteiligter Zuseher, zum Tatort begeben. Daß er dort seine Taschenlampe anzündete und kurzfristig das bereits am Boden liegende und festgehaltene Mädchen beleuchtete, geschah nach den Urteilsfeststellungen nicht etwa in der Absicht, den Tätern die Fortsetzung der Tat zu erleichtern und wurde dem Beschwerdeführer demgemäß auch gar nicht als tatbildmäßiges Verhalten im Sinne der § 12, 105 Abs. 1 StGB vorgeworfen. Soweit er aber seine Lampe über Aufforderung eines der Täter - und nur dies ist Gegenstand des Schuldvorwurfes des Erstgerichtes - wieder ausschaltete, ist darauf zu verweisen, daß das Vorliegen einer strafbaren Förderungshandlung im Sinne der 3. Alternative des § 12 StGB in kausaler Hinsicht voraussetzt, es wäre die Tat ohne diese Förderungshandlung jedenfalls nicht so geschehen, wie sie sich tatsächlich ereignet hat (vgl. Leukauf-Steininger, 123, 124 mit Literaturhinweis). Vorliegend hat sich zwischen der Situation vor dem Einlangen des Beschwerdeführers am Tatort und jener nach Setzung des ihm als Förderungshandlung angelasteten Verhaltens keinerlei önderung ergeben, die den Täten eine Fortsetzung ihres im Sinne des § 105 Abs. 1 StGB tatbildmäßigen Verhaltens erleichtert hätte. Denn nach dem Abschalten der Taschenlampe war es so dunkel, wie schon vor dem Eintreffen des Beschwerdeführers am Tatort. Der Beschwerdeführer hat vielmehr nur durch das Wiederlöschen der Taschenlampe, sohin den zweiten Teil seines Verhaltens am Tatort, eine erst von ihm selbst - in bezug auf die Tat der anderen ohne strafrechtlich relevante Absicht - gesetzte Handlungsweise (nämlich das Einschalten der Lampe als ersten Teil seines Tätigwerdens) wieder rückgängig gemacht, welche es dem Mädchen unter Umständen leichter ermöglicht hätte, die Täter oder einzelne von ihnen zu erkennen und zur Anzeige zu bringen. Zu einer Förderung der Tat selbst hat aber die Vorgangsweise des Beschwerdeführers, welche in ihrer Gesamtheit einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen ist und deren zweiter Teil den ersten lediglich wieder aufgehoben hat, nicht geführt. Da eine Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers auch nach § 286 Abs. 1 StGB schon im Hinblick darauf nicht in Betracht kommt, daß das Vergehen nach § 105 Abs. 1 StGB nicht mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und auch für eine Unterstellung der Tat unter die Bestimmung des § 299 Abs. 1 StGB die Grundlagen fehlen, zumal hiefür die für dieses Delikt in subjektiver Hinsicht erforderliche Absichtlichkeit weder festgestellt wurde noch nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens zweifelsfrei feststellbar wäre (das bloße Bedenken der Motivation des zum Lichtauslöschen auffordernden Mittäters steht einem absichtlichen Handeln im Sinne des § 5 Abs. 2 StGB nicht gleich), war der Beschwerdeführer - da seine Handlungsweise sohin weder den Tatbestand des Verbrechens nach dem § 203 Abs. 1 StGB oder jenen des Vergehens nach den § 12, 105 Abs. 1 StGB, noch das Tatbild einer anderen gerichtlich strafbaren Handlung verwirklicht - rechtsrichtig von der gegen ihn (in Richtung des Verbrechens nach dem § 203 Abs. 1 StGB) erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen.

Es war daher wie im Spruch zu erkennen, ohne daß ein weiteres Eingehen auf das sonstige Beschwerdevorbringen erforderlich ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte