OGH 10Os72/78

OGH10Os72/7821.5.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Mai 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Klumair als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann Helmut A und Eva B wegen des Verbrechens des Diebstahls nach den § 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130, 15 StGB über die von dem Angeklagten Johann Helmut A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und die von dem Angeklagten A und der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich A) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. Dezember 1977, GZ. 7 Vr 2317/77-43, erhobenen Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft, nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten Dr. Freisleben und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, demgemäß und gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO bezüglich der Angeklagten Johann Helmut A und Eva B das Ersturteil dahin ergänzt, daß beiden Angeklagten - Eva B für den Fall des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht - gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auch die Vorhaft von jeweils 18.August 1977, 11 Uhr 45, bis zum 19.August 1977, 16 Uhr 30, auf die verhängten Strafen angerechnet wird.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Johann Helmut A auch

die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

520 Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 7.Juli 1940 geborene Kellner Johann Helmut A und die am 9.November 1951 geborene beschäftigungslose Eva B des Verbrechens des (richtig: teils vollendeten, teils versuchten) schweren - bei A auch gewerbsmäßigen - Diebstahls durch Ginbruch nach den § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 sowie 15 StGB schuldig erkannt. Dagegen wendet sich allein der Angeklagte Johann Helmut A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9

lit. a, 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Was die Ausführungen des Angeklagten A in seiner den erstangerufenen Nichtigkeitsgrund anziehenden Mängelrüge anlangt, so ist ihm zwar einzuräumen, daß der Ausspruch des Erstgerichtes, er habe auch schon vor den Sicherheitsbehörden die ihm zur Last gelegten Diebstähle zugegeben (S 274), nicht der Aktenlage entspricht, da er anläßlich seiner polizeilichen Vernehmung sämtliche Straftaten noch leugnete (ON 3). Dieser Fehler ist aber nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, weil der Beschwerdeführer sämtlicher ihm vorgeworfener Delikte schon bei seiner fortgesetzten Vernehmung durch den Untersuchungsrichter (S 73 a bis e) - nachdem er anfangs auch dort alles bestritten hatte - und vollends dann in der Hauptverhandlung (S 263) geständig war und das Schöffengericht die Konstatierungen über seine (Mit) Täterschaft daher jedenfalls auf das letzterwähnte Geständnis stützen konnte und dies auch getan hat.

Im übrigen hat das Erstgericht aber entgegen dem Beschwerdevorbringen seine Feststellungen nicht nur mit einem Hinweis auf das abgeführte Beweisverfahren, 'insbesondere die Aktenlage', begründet, sondern ausdrücklich das bereits erwähnte, umfassende Geständnis des Angeklagten wie auch jenes seiner Mitangeklagten Eva B und die Aussagen der Zeugen Ilse C, Mathilde D, Günther E und Ferdinand F als konkrete Erkenntnisgrundlagen genannt. Eines näheren Eingehens darauf, 'auf welche Tatsachen' das Gericht seine Feststellungen gründe, bedurfte es angesichts des vollen, durch die ebenfalls geständige Verantwortung seiner Mitangeklagten und die Zeugenaussagen überprüften Geständnisse des Beschwerdeführers aber nicht. Die Mängelrüge versagt daher. In Ausführung seiner Rechtsrüge behauptet der Beschwerdeführer insoweit das Vorliegen von Feststellungsmängeln im Sinne des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit. a (richtig: 10) des § 281 Abs. 1 StPO, als das Erstgericht nicht - ausgehend von den diesbezüglichen Angaben der Mitangeklagten Eva B in der Hauptverhandlung (S 264) - die Feststellung getroffen habe, daß Eva B für den Beschwerdeführer sorgte, was seiner Meinung nach der Zurechnung einer gewerbsmäßigen Begehung des Diebstahls entgegenstehe.

Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer in offenem Gegensatz hiezu im Rahmen seiner Berufungsausführung selbst behauptet, er habe die Diebstähle begangen, um seinerseits für sich und B den notwendigen Lebensunterhalt zu erlangen, genügt es hier zu erwidern, daß der Frage, ob und inwieweit Eva B (auf andere Weise als durch Diebstahl) für den Unterhalt des Beschwerdeführers gesorgt hat, keinerlei Relevanz zukommt, und zwar insbesondere auch nicht in Ansehung der Beurteilung der Diebstähle als gewerbsmäßig im Sinne des § 130 StGB. Denn entgegen dem weiteren auch auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Beschwerdevorbringen kommt es, wie der Oberste Gerichtshof immer wieder ausgesprochen hat (siehe auch Leukauf-Steininger, Kommentar, S 378), bei der Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit des Täterverhaltens nicht darauf an, welche Bedeutung die erstrebte Einnahmsquelle im Rahmen der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters besitzt, weshalb die in der Beschwerde sinngemäß zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, es müsse zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit von Diebstählen nach dem § 130 StGB der Lebensunterhalt des Täters aus dem Erlös solcher Straftaten gewonnen werden, nicht zutrifft.

Vorliegendenfalls hat das Erstgericht, gestützt auf seine Feststellungen über die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und den überaus raschen Rückfall des Beschwerdeführers - am siebenten Tag nach Entlassung aus Strafhaft -

sowie dessen Nichteingliederung in den Arbeitsprozeß seit der letzten Haftentlassung in Verbindung mit der Tatsache der Begehung mehrerer neuer Diebstähle denkfolgerichtig und im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluß gezogen, daß sich der Angeklagte durch die Begehung von Diebstählen zumindest eine fortlaufende Einnahmsquelle verschaffen wollte; diese Feststellung allein genügt bereits für die rechtliche Annahme der Qualifikation der Diebstähle nach dem § 130 StGB. Das Erstgericht sprach auf Grund eines offensichtlichen Vergreifens im Ausdruck an zwei Stellen des Spruches und der Gründe von einem 'Verbrechen' statt einer 'Qualifikation' des gewerbsmäßigen Diebstahls, wobei es - dies in der Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 130

StGB zum Ausdruck bringend, wenngleich in den Urteilsgründen nicht näher darauf eingehend - der Sache nach auch zu Recht das Vorliegen gewerbsmäßigen Diebstahls im Sinne des 2. Deliktsfalles des § 130 StGB angenommen hat, zumal vorliegend jedenfalls zwei der den Angeklagten angelasteten vier teils vollendeten, teils versuchten Diebstähle nach dem § 129 StGB qualifiziert sind und das Schöffengericht sohin mit Grund der Auffassung sein konnte, daß sich der Beschwerdeführer durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme verschaffen wollte. Insoweit erweist sich daher auch die Rechtsrüge nicht als zielführend.

Hingegen kommt der Beschwerde Berechtigung zu, wenn sie unter Anziehung des Nichtigkeitsgrundes der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO rügt, daß dem Angeklagten A nur die Vorhaft vom 19.August 1977, 16 Uhr 30, (statt richtig vom 18.August 1977, 11 Uhr 45) bis zum 7. Dezember 1977, 9 Uhr 05, auf die verhängte Strafe angerechnet wurde. Denn wie sich aus den Akten ergibt (S 7, 35, 41, 45, 50, 54, 61, 67) wurden sowohl der Beschwerdeführer als auch die Mitangeklagte Eva B - der die Vorhaft ebenfalls nur ab dem 19.August 1977, 16 Uhr 30 angerechnet wurde - bereits am 18.August 1977, 11 Uhr 45, in Haft genommen. Erst die Einlieferung der beiden in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Graz fiel auf den 19.August 1977. Es war daher - bei Johann Helmut A in teilweiser Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde, hinsichtlich Eva B hingegen mangels eigener Anfechtung des Urteils von Amts wegen gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A - das Urteil des Schöffengerichtes im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft dahin zu ergänzen, daß beiden Angeklagten auch die Vorhaftzeit vom 18.August 1977, 11 Uhr 45, bis zum 19.August 1977, 16 Uhr 30, gemäß dem § 38 Abs. 1 Z 1

StGB (bei Eva B für den Fall des Widerrufs der ihr gewährten bedingten Strafnachsicht) angerechnet wird.

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann Helmut A als unbegründet zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Johann Helmut A nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es die zahlreichen, über die Voraussetzungen des § 39 StGB hinausgehenden Vorstrafen, die mehrfachen Tathandlungen, den raschen Rückfall und die mehrfache Eignung zum Verbrechen des Diebstahls als erschwerend, das Geständnis, den Umstand, daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist und die teilweise Zustandebringung eines Teils der Diebsbeute hingegen als mildernd.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung eine Erhöhung des Ausmaßes dieser Freiheitsstrafe an, der Angeklagte eine Herabsetzung.

Keine der Berufungen ist begründet.

Mögen auch die angeführten Erschwerungsumstände zum Teil in der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit aufgehen (sodaß sie keiner gesonderten Anführung bedurft hätten), hat das Erstgericht dennoch ein Strafmaß gefunden, daß dem Unrechtsgehalt der Straftaten des Angeklagten entspricht und auch seiner Täterpersönlichkeit gerecht wird. Keine der Berufungen vermag weitere, vom Erstgericht etwa nicht berücksichtigte Umstände, die für die Strafzumessung relevant wären, aufzuzeigen. Insbesondere kann bei der gegebenen Sachlage nicht von einer unverschuldeten Notlage gesprochen werden. Es war daher beiden Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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