European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0070OB00028.780.0511.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 3.720,72 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 186,72 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hatte mit der Beklagten bezüglich seines PKW Marke „Renault 16 TL“ eine Neuwertvollkaskoversicherung mit 5 % Selbstbeteiligung abgeschlossen. Am 19. März 1974 wurde dieser PKW, als er zwischen zwei geschlossenen Bahnschranken auf einem Bahnübergang stand, von einem herankommenden Zug zertrümmert. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage unter Hinweis auf den Versicherungsvertrag den Ersatz des Werts des PKW von 70.772,50 S sA.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger habe den PKW in Selbstmordabsicht absichtlich auf die Schienen des Bahnübergangs geführt. Hiebei habe er eine Zerstörung des PKW in Kauf genommen. Erst bei Herannahen des Zuges habe er seine Selbstmordabsicht aufgegeben und sei aus dem Wagen gesprungen, habe diesen jedoch nicht mehr retten können. Gemäß § 61 VersVG bestehe daher keine Verpflichtung zu Leistungen des Versicherungsschutzes.
Die Untergerichte nahmen die vorstehend wiedergegebene Tatsachenbehauptung der Beklagten als erwiesen an und führten aus, im Hinblick auf die Vorsätzlichkeit (dolus eventualis) des klägerischen Handelns bestehe gemäß § 61 VersVG kein Anspruch auf Versicherungsschutz. Sie wiesen daher das Klagebegehren ab.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der Kläger macht als Verfahrensmangel geltend, dass sich das Berufungsgericht nicht mit allen seinen Argumenten gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung auseinandergesetzt habe. Dies ist jedoch nicht erforderlich. Es steht dem Berufungsgericht frei, selbständig jene Umstände aufzuzeigen, die für die Richtigkeit der erstrichterlichen Beweiswürdigung sprechen. Hiebei ist es nicht an die Argumentation des Rechtsmittelwerbers gebunden. Voraussetzung für ein mängelfreies Vorgehen des Berufungsgerichts ist nur, dass es sich mit der Beweisrüge überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält. Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht in ausreichendem Maße nachgekommen. Demnach liegt in dieser Richtung ein Verfahrensmangel nicht vor.
Die weitere Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Revision darin, dass nicht weitere Beweise aufgenommen wurden. Abgesehen davon, dass derartige Beweisanträge im Verfahren erster Instanz vom Kläger gar nicht gestellt worden sind, hat er bereits in der Berufung eine gleichartige Mängelrüge erhoben. Das Berufungsgericht hat aber das erstgerichtliche Verfahren für mängelfrei erachtet. Demnach kann der Kläger in der Revision nicht neuerlich die von ihm behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend machen (SZ 27/4, EvBl 1969/263, EvBl 1968/344 ua).
Das Verfahren des Berufungsgerichts verblieb sohin mängelfrei.
Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers hindert das Unterlassen einer Rechtsrüge in der Berufung die Geltendmachung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (JBl 1959, 458, JBl 1955, 603 ua). Der Kläger hat die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts in seiner Berufung nicht gerügt. Schon aus diesem Grunde kann der Oberste Gerichtshof sich nicht mit der Rechtsfrage beschäftigen, abgesehen davon, dass auch die Revision, sieht man von der Bezeichnung der Revisionsgründe ab, in Wahrheit gar keine dem Gesetz gemäß ausgeführte Rechtsrüge enthält.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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