OGH 9Os101/75

OGH9Os101/7530.9.1976

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. September 1976

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Harlfinger in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, Dr. Harbich, Dr. Keller und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seda als Schriftführers in der Strafsache gegen Adolf A ua wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls nach §§ 8, 171 ff StG über die von den Angeklagten Adolf A und Johann A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 5. Juni 1975, GZ 13 Vr 3374/73-61, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten Adolf A, Dr. Zandl, und des Verteidigers des Angeklagten Johann A, Dr. Kübel, sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird Folge gegeben und es werden die schweren Kerkerstrafen herabgesetzt bei Adolf A unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Oktober 1975, GZ 16 Vr 1506/

75-34, auf 4 (vier) Monate und 3 (drei) Wochen sowie bei Johann A unter Anwendung des § 41 StGB auf 2 (zwei) Monate.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 26. März 1941 geborene Dachdecker Adolf A und dessen Bruder, der am 12. November 1932 geborene Hilfsarbeiter Johann A des Verbrechens des versuchten Diebstahls nach §§ 8, 171, 174 I lit d und 176 I lit b StG schuldig erkannt. Es wurde ihnen angelastet, daß sie am 30. Dezember 1973 in Breitenbach am Inn bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Rückfallsdiebstahls (§ 176 I lit b StG) 'in Gesellschaft als Diebsgenossen' in den oberhalb des Wohngebäudes befindlichen Dachboden des unversperrten und verlassenen Bauernhauses des Peter B von der Tenne über eine vom Heustock herbeigeholte Leiter in der Absicht einstiegen, fremde bewegliche Sachen in einem 250 S nicht übersteigenden Wert aus dem Besitz des Genannten ohne dessen Einwilligung zu entziehen, und zwar ein (schadhaftes) Bügeleisen und einen Kupferkessel; diese Sachen nahmen sie aus einer ebenerdigen (unversperrten) Kammer und stellten dieselben (im ersten Stock des Wohnhauses bei der zur Tenne führenden Tür) zum Abtransport bereit, wobei die Vollbringung des Diebstahls nur wegen Dazwischenkunft fremder Hindernisse, nämlich Betretung durch mehrere Ortsbewohner, unterblieb.

Dieser Schuldspruch wird von beiden Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden angefochten;

Adolf A macht die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO, Johann A dieselben und überdies auch noch jene der Z 9 lit a dieser Gesetzesstelle geltend.

Rechtliche Beurteilung

I. Zu den Mängelrügen:

Aus dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund bekämpfen die Beschwerdeführer in ihren gesonderten Rechtsmitteln sinngemäß den Ausspruch, sie seien in diebischer Absicht in das Haus eingedrungen, als unzureichend, unvollständig und widersprüchlich begründet. Die Mängelrüge beider Angeklagter versagt.

Aus der Gesamtheit aller für die Frage nach der deliktischen Absicht relevanten Umstände, so etwa dem Verhalten der Angeklagten, (Verbergen im Haus, als von außen Stimmen hörbar wurden; Bereitstellen des Kupferkessels und des Bügeleisens) hat das Erstgericht hinreichend begründet, warum es - im Rahmen freier Beweiswürdigung -

zur Überzeugung gelangte, die Angeklagten hätten die obigen Sachen zu stehlen beabsichtigt. Die Feststellung aber, daß die zwei Eindringlinge den Kupferkessel und das Bügeleisen aus einer Kammer entnommen und zum Abtransport bereitgestellt haben, konnte das Erstgericht - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ohne Verstoß gegen die Denkgesetze, aus der Aussage des Zeugen Peter B (vgl S 173 f d. A) über den (gewÄhnlichen) vorherigen Aufbewahrungsort der beiden Geräte und dem Ergebnis der Gendarmerieerhebungen (S 17 in ON 9 d.A) über die Auffindungsstelle, nachdem die Angeklagten das Haus verlassen hatten, ableiten. Das Schöffengericht setzte sich in seinen Urteilsgründen auch zureichend mit der - leugnenden - Verantwortung der Beschwerdeführer auseinander und legte - nachgerade überzeugend - klar, aus welchen Gründen es deren bezügliche Depositionen als widerlegt ansah.

Es ist zwar - wie der Beschwerdeführer Johann A hervorhebt - an sich richtig, daß - theoretisch - die beiden in Rede stehenden Gegenstände (auch) von einer anderen Person als den Beschwerdeführern von der Kammer im Erdgeschoß in den ersten Stock zur Tennentür hätten gebracht werden können; in Verbindung mit den übrigen Verfahrensergebnissen jedoch erweist sich die der erwähnten Ortsveränderung gegebene Deutung, und zwar insbesondere in Bezug auf den angenommenen Zusammenhang mit dem Eindringen der Beschwerdeführer in das Haus als lebensnah.

Was die Mängelrügen beider Angeklagter gegen das Urteil vorbringen, stellt im wesentlichen nur eine unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung dar, vermag jedoch keinen Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufzuzeigen.

II. Zu den Rechtsrügen:

Zum Nichtigkeitsgrund der Z 10 (Johann A bezieht sich - allerdings von vorneherein verfehlt - auch auf die Z 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO beschweren sich die Angeklagten über den im Urteilssatz enthaltenen Ausspruch betreffend die Begehung des Diebstahls ihrerseits 'in Gesellschaft als Diebsgenossen' (im Sinne des § 174 II lit a StG) trotz eines dort nachfolgend festgehaltenen Werts der Beute von weniger als 250 S.

Diese Rüge geht ins Leere, weil § 174 II lit a StG vom Erstgericht auf sie (Angeklagte) gar nicht im Sinne des § 260 Abs 1 Z 4 StPO angewendet wurde, die relevierte Wendung also nicht zu der von den Beschwerden - zu Unrecht -

behaupteten (rechtlichen) Konsequenz führte, daß ihnen - außer anderen Verbrechensqualifikationen - auch jene des § 174 II lit a StG angelastet wird. Die (bloße) Verwendung des erwähnten Passus im Urteilssatz entspricht insoweit der Sachlage, als nach den schöffengerichtlichen Feststellungen der Diebstahlsversuch tatsächlich von zwei Personen (als Mittäter) gemeinsam - wird von der Wertgrenze abgesehen - unter den (sonstigen) Voraussetzungen des § 174 II lit a StG unternommen worden ist. Da das Urteil die Tat nicht mit dieser Verbrechenseignung zusätzlich beschwert, weil es annahm, der (gemeinsame) Vorsatz der Täter sei nur auf Diebsgut in einem 250 S nicht übersteigenden Wert gerichtet gewesen, ist in dieser Beziehung ein Subsumtionsirrtum nach der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO nicht gegeben.

Insoweit sich die Beschwerdeführer aber gegen die Zurechnung der Diebsgenossenschaft als (bloßen) Erschwerungsgrund wenden, führen sie sachlich nur eine Berufung aus, die von ihnen ohnehin außerdem ergriffen worden ist;

die angeblich irrige Annahme eines allgemeinen - also nicht namentlich im Gesetz angeführten (strafsatzändernden) - Erschwerungs- oder Milderungsumstandes (wie dessen Außerachtlassung) kann nur mit diesem Rechtsmittel zum Tragen gebracht werden und es sind bezügliche Einwände lediglich als Berufungsvorbringen zu beurteilen (vgl Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 § 280 StPO Nr 9).

Soweit nur der Angeklagte Johann A - (sachlich) in Geltendmachung einer Nichtigkeit (ausschließlich) nach der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO - ausführt, im Zusammenhang mit dem vom Erstgericht angenommenen Einsteigen (von der Tenne aus über eine vom Heustock herbeigeholte Leiter in den oberhalb des Wohngebäudes befindlichen Dachboden) wäre ihr Vorgehen richtigerweise nach § 129 Z 1 StGB (und nicht nach § 174 I lit d StG) auf die Tatbestandsmäßigkeit zu prüfen gewesen, da bezüglich dieser Qualifikation wie überhaupt bei der rechtlichen Wertung des gesamten vom Erstgericht als erwiesen erachteten Sachverhaltes die Bestimmungen des (alten) Strafgesetzes nicht günstiger seien als die des (neuen) Strafgesetzbuches, und er damit die Subsumtion unter die §§ 171 ff StG als rechtsirrig rügt, ist er aus folgenden Gründen nicht im Recht:

'Einsteigen' im § 174 I lit d StG und 'einsteigt' im § 129 Z 1 StGB sind idente Begriffe (Dokumentation zum StGB S 160 oben: 'in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht das Einbrechen und das Einsteigen'). Auch die ratio der Qualifikation ist dieselbe geblieben: Die größere verbrecherische Energie zur Überwindung von Hindernissen und Widerständen, die andere Diebe scheuen oder umgehen, macht diesen Täter gefährlicher und darum strafwürdiger (siehe statt aller anderen Altmann-Jakob I. Band S 437 unter Berufung auf Jenull II. Teil S 317, 318). Der Einbrecher und der Einsteigdieb werden auch von der Bevälkerung mehr gefürchtet (vgl Dok S 159; was dort vom Einbruchsdiebstahl gesagt wird, gilt gleichermaßen für den Einsteigdiebstahl).

Das Abgrenzungsmerkmal des Einsteigens war seit jeher die Veränderung der gewÄhnlichen Körperhaltung (SSt VIII/64 ua; Malaniuk II. Band; 1. Teil S 230). Nach dem zuvor Gesagten besteht kein Anlaß, von diesem Kriterium abzugehen (Leukauf-Steininger S 659). Für die Verwirklichung der Qualifikationsnorm genügt ein Einstieg oder ein Abstieg (Leukauf-Steininger aaO), selbst das Besteigen einer Einfriedung (zB eines Lagerplatzes), ohne den fremden Boden zu betreten (EvBl 1961 Nr 181). Die Angeklagten haben zudem eine für das Betreten des Dachbodens nicht bestimmte Stelle benützt (SSt VIII/45, X/5 ua; Malaniuk aaO, Leukauf-Steininger aaO); denn der ordnungsmäßige Aufstieg zum und Abstieg vom Dachboden führte innerhalb des Gebäudes durch eine Falltür und über eine Treppe, über welche die Täter dann das Dachgeschoß verlassen haben. Die Merkmale des Einsteigens (Veränderung der gewÄhnlichen Körperhaltung, nicht bestimmte Eintrittstelle) sind hier ergänzt durch die Tatsache, daß die Angeklagten die Leiter mehrere Meter weit herantrugen, womit sie jene besondere verbrecherische Triebfeder (Altmann-Jakob aaO), welche die höhere Strafdrohung rechtfertigt, an den Tag legten.

Im übrigen kommt es beim 'Einsteigen' nicht darauf an, daß der Dieb auf bequemere Weise (etwa durch eine offene Tür) zum Tatobjekt gelangen konnte (SSt XI/4, EvBl 1947, Nr 374; vgl Malaniuk aaO). Auch von einer Alarmanlage, Beobachtung oder Bewachung des zur Verfügung stehenden ordnungsmäßigen Eingangs war in Lehre und Judikatur niemals die Rede, weil ja nur der sinnfällige Einsatz besonderer verbrecherischer Energie qualifikationsentscheidend ist, nicht aber das im Strafrecht regelmäßig irrelevante Motiv des Täters. Schließlich spielt es aus dem allein maßgebenden rechtspolitischen Gesichtspunkt, daß der vor Hindernissen und Widerständen nicht zurückschreckende kriminelle Willen die erhähte Sozialschädlichkeit manifestiert und darum eine derartige Willensbetätigung die strengere Bestrafung erheischt, keine Rolle, ob das Einsteigen 'mühevoll' ist oder im Einzelfall, etwa gar entgegen der Vorstellung des Täters, leicht bewerkstelligt werden kann (EvBl 1948 Nr 92; Altmann-Jakob I. Band S 439: 'Eine Anstrengung von Seiten des Diebs ist nicht erforderlich'). Aus all dem folgt zusammenfassend, daß die Angeklagten Einsteigen nach § 174 I lit d StG (bzw § 129 Z 1 StGB) verantworten. Fällt ihnen aber diese Qualifikation zur Last, dann zeigt der ferner anzustellende Günstigkeitsvergleich, daß einer Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (nach § 178 StG für das Verbrechen nach §§ 8, 171, 174

I lit d, 176 I lit b StG) bei Anwendung alten Rechts eine solche mit gleicher Untergrenze jedoch bis zu siebeneinhalb Jahren (§ 129 StGB mit Bedacht auf die Möglichkeit einer fakultativen Strafschärfung nach § 39 StGB - vgl in rechtlicher Beziehung - EvBl 1975/268 = RZ 1975/94 - und in tatsachenmäßiger insbesondere die Punkte 11, 12, 14-16

der Strafregisterauskunft S 17 ff in ON 10 sowie die Punkte 1 und 7 der Strafregisterauskunft ON 40 S 147 ff -) gegenübersteht, aus dessen Anwendung den Angeklagten sohin ein Nachteil zu erwachsen vermag. In seiner Gesamtauswirkung (§ 61 StGB) erweist sich demnach das alte Recht für beide Angeklagte als günstiger, sodaß es zutreffend angewendet wurde.

Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren mithin zu verwerfen.

III. Zu den Berufungen:

Das Erstgericht verurteilte beide Angeklagten nach § 178 StG zu je zehn Monaten schwerem Kerker. Als erschwerend nahm es die zweifache Verbrechensqualifikation, die Diebsgenossenschaft und die nicht schon durch (die Qualifikation nach) § 176 I lit b StG erfaßten Vorstrafen an, als mildernd hingegen nur den Umstand, daß es bloß beim Versuch geblieben ist.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung der Strafe an.

Den Berufungen kommt Berechtigung zu.

Einerseits hat die Diebsgenossenschaft, die nur im Falle eines Werts der Diebsbeute von mehr als 250 S die Tat mit einer weiteren Verbrechensqualifikation (§ 174 II lit a StG) beschwert hätte, bei Fehlen dieser Voraussetzung aber unberücksichtigt bleiben muß, als Erschwerungsgrund zu entfallen. Andererseits ist den Angeklagten zusätzlich als mildernd der geringe Wert der zu stehlen versuchten Sachen und der Umstand zuzubilligen, daß sie im konkreten Fall durch eine infolge fremder Nachlässigkeit aufgestoßene Gelegenheit zur Tat verführt wurden. Ausgehend von den solcherart modifizierten Strafzumessungsgründen erachtete der Oberste Gerichtshof hinsichtlich Adolf A bei Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf die (lt Punkt 20 der vom Obersten Gerichtshof eingeholten Strafregisterauskunft) mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Oktober 1975 zur GZ 16 Vr 1506/75-34 wegen § 198 Abs 1 StGB über ihn verhängte (bedingt nachgesehene) sechswächige Freiheitsstrafe eine Zusatzstrafe in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe als schuldangemessen. Ebenso wurde bei Johann A der vor fast 2 Jahrzehnten letztmals wegen Vermögensdelikten verurteilt worden ist, die spruchgemäß festgesetzte Strafe als seiner Schuld angepaßt angesehen. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung nach §§ 323 Abs 1, 41 StGB waren bei ihm ua auch aus den in den E EvBl 1975/214 und 249 ausgesprochenen grundsätzlichen Erwägungen, die zum Teil vorliegend ebenfalls sinngemäß Platz greifen, zu bejahen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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