OGH 2Ob516/76

OGH2Ob516/767.5.1976

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler, Dr. Reithofer, Dr. Friedl und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, Hausfrau in *, vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, wider die beklagte Partei Dr. R*, Rechtsanwalt in *, wegen Unterhaltes (Revisionsstreitwert S 288.000,‑‑), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 25. November 1975, GZ R 559/75‑135, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 24. Juli 1975, GZ C 336/70‑129, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0020OB00516.76.0507.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.298,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin keine Barauslagen, S 466,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die am * geborene Klägerin und der am * geborene Beklagte hatten am * vor dem Standesamt Wien‑Alsergrund die Ehe geschlossen. Diese Ehe, aus welcher vier Kinder im Alter von 11 bis 17 Jahren stammen, wurde mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 14. 4. 1970 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. In der Verschuldensfrage kam es infolge einer vom Beklagten am 3. 8. 1970 erhobenen Wiederaufnahmsklage zu einem umfangreichen Verfahren, welches nach Bewilligung der Wiederaufnahme und Beseitigung des ursprünglichen Verschuldensausspruches erst mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 25. 6. 1974, 3 Ob 23/74, beendet wurde und – entgegen dem Begehren des Beklagten auf Feststellung eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin – zum Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten führte. Im gleichzeitig durchgeführten Pflegschaftsverfahren wurde die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für die in der Obsorge der Klägerin befindlichen Kinder im März 1971 mit zusammen S 4.100,‑‑ festgesetzt und dann ab 1. 10. 1973 auf zusammen S 6.600,‑‑ erhöht.

Im vorliegenden, seit 25. 6. 1970 anhängigen Rechtsstreit macht die Klägerin ihren eigenen Unterhaltsanspruch geltend. Mit der Behauptung, der Beklagte habe als Rechtsanwalt im Monatsdurchschnitt ein Nettoeinkommen von mindestens S 50.000,‑‑, verlangt die Klägerin – nach einer Modifizierung ihres Begehrens (ON 21 S 90) – die Verurteilung des Beklagten, ihr vom 1. 7.  bis 1. 8. (gemeint offenbar: 31. 8.) 1970 außer dem freiwillig gezahlten Betrag von monatlich S 4.000,‑‑ noch weitere S 4.000,‑‑ im Monat und dann ab 1. 9. 1970 monatlich S 8.000,‑‑ als Unterhalt zu leisten.

Demgegenüber behauptet der Beklagte, daß die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe, weil sie einen unsittlichen Lebenswandel führe und sich ihm gegenüber einer schweren Verfehlung schuldig gemacht habe. Die begehrte Unterhaltsleistung sei im Hinblick auf sein monatliches Reineinkommen unzumutbar; die Klägerin könne ihren Unterhalt teilweise aus eigenen Einkünften decken.

Mit Urteil vom 24. 7. 1975 (ON 129 S 451 ff.) sprach das Erstgericht der Klägerin für die Zeit vom 1. 9. 1970 bis 1. 7. (gemeint offenbar: 31. 7.) 1975 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.000,‑‑ und ab 1. 8. 1975 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 6.000,‑‑ zu und wies das Mehrbegehren ab. Da die Klägerin weder einen unsittlichen Lebenswandel geführt noch eine schwere Verfehlung gegen ihren geschiedenen Mann begangen habe, sei keine Verwirkung ihres Unterhaltsanspruches eingetreten. Die der Klägerin zuerkannten Beträge entsprächen den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Beklagten. Die Berufung des Beklagten, welcher den stattgebenden Teil des Ersturteiles nur insoweit bekämpft hatte, als ihm ab 1. 8. 1975 eine S 4.000,‑‑ übersteigende monatliche Unterhaltszahlung auferlegt worden war, blieb erfolglos; hingegen änderte das Berufungsgericht auf Berufung der Klägerin die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß der Klägerin zu ihrem Unterhalt für die Zeit vom 1. 7. bis 31. 8. 1970 außer dem freiwillig gezahlten Betrag von monatlich S 4.000,‑‑ noch ein weiterer Betrag von monatlich S 3.000,‑‑ sowie für die Zeit ab 1. 9. 1970 bis auf weiteres ein Betrag von monatlich S 7.000,‑‑ zuerkannt und das darüber hinausgehende Mehrbegehren abgewiesen wurde. Gleich dem Erstgericht ging auch das Berufungsgericht davon aus, daß nach dem erwiesenen Sachverhalt von einer Anspruchsverwirkung im Sinne des § 74 EheG nicht gesprochen werden könne. Da das für die Unterhaltsbemessung maßgebende durchschnittliche Jahreseinkommen des Beklagten für die Jahre 1970 bis 1974 auf Grund der unbedenklichen, vom Berufungsgericht noch in zahlreichen Punkten ergänzten Feststellungen des Erstgerichtes in der Größenordnung von etwa S 360.000,‑‑ angenommen werden könne, sei der von der Klägerin geforderte monatliche Betrag von S 8.000,‑‑ als angemessen im Sinne des § 66 Abs. 1 EheG zu beurteilen. Die Klägerin müsse sich aber die Einkünfte aus der Vermietung ihrer Wiener Eigentumswohnung einrechnen lassen, so daß sich ihr monatlicher Unterhaltsanspruch auf S 7.000,‑‑ reduziere. Die Zahlung dieses Betrages sei dem Beklagten nach seinen Vermögens- und Einkommensverhältnissen auch unter Bedachtnahme auf seine weitere Unterhaltsverpflichtung für die vier Kinder durchaus zumutbar.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Beklagten seinem ganzen Inhalt nach mit Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Der Beklagte beantragt, das Urteil der zweiten Instanz aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufzutragen, hilfsweise das Berufungsurteil im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens (richtig wohl nur: soweit es auf Zahlung eines S 4.000,‑‑ monatlich übersteigenden Unterhaltsbetrages ab 1. 8. 1975 gerichtet ist) abzuändern.

Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben und das Berufungsurteil zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO in der Fassung der Novelle BGBl. 1971/291 ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes ein weiterer Rechtszug unzulässig. Da der Beklagte – ungeachtet der bloß teilweisen Anfechtung des Ersturteils – der noch offenen Unterhaltsforderung der Klägerin auch in der Revision wieder den Einwand der Verwirkung im Sinne des § 74 EheG entgegenhält, welcher nicht zum Komplex der Unterhaltsbemessung gehört, sondern den Grund des Unterhaltsanspruches betrifft (Fasching, Ergänzungsband 84 § 502 ZPO Anm. 9), ist entgegen der Meinung der Klägerin ihr Unterhaltsanspruch auch dem Grunde nach weiterhin strittig. Die Revision des Beklagten ist daher insoweit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die – vom Berufungsgericht als unbedenklich übernommenen – Feststellungen des Ersturteils zur Frage der Unterhaltsverwirkung nach § 74 EheG lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Die Klägerin hatte schon im Fasching 1969, also noch zur Zeit des aufrechten Bestehens ihrer Ehe mit dem Beklagten, den verheirateten H* aus W*, welcher sich damals beruflich in S* aufhielt, kennengelernt und in der Folge mit ihm ehewidrige Beziehungen aufgenommen. Der Beklagte erfuhr davon erst nach der Scheidung; bis dahin hatte er, von kleineren Episoden abgesehen, an der Treue seiner Frau nicht gezweifelt. Die ehewidrigen Beziehungen der Klägerin zu H* führten dazu, daß ihr im Scheidungsurteil ein Verschulden angelastet wurde.

Unmittelbar nach der Scheidung (14. 4. 1970) fuhr die Klägerin zu H* nach G*, wo sie noch am selben Tag mit ihm einen Geschlechtsverkehr hatte. In der Folge verstärkten sich die Beziehungen der Klägerin zu H*; beide trafen einander zu wiederholten Malen. Am 14. 7. 1970 wurden die Klägerin und H* vom Beklagten und dessen Begleiterin Dr. S* in einem Gasthaus in S* betreten, nachdem Dr. S* zuvor eine Tür eingedrückt hatte. Am 4. 8. 1970 sprang H*, als er vom Beklagten, Dr. S* und O* in der Wohnung der Klägerin angetroffen worden war, aus dem Fenster dieser Wohnung. In der Folge fuhren der Beklagte und Dr. S* nach W* und machten der Gattin H* von diesen beiden Vorfällen sowie von den ehewidrigen Beziehungen ihres Mannes zur Klägerin Mitteilung; auf Anregung des Beklagten erteilte He* daraufhin dem beim Kläger beschäftigten Dr. B* eine Vollmacht zur Einbringung einer Ehestörungsklage. Nachdem diese Klage eingebracht worden war, fuhr die Klägerin zu He*, entschuldigte sich bei ihr und bat sie, die Ehestörungsklage zurückzuziehen. He* erklärte sich wegen der inständigen Bitten der Klägerin sowie aus familiären Gründen dazu bereit und zog ihre Privatanklage tatsächlich am 22. 9. 1970 zurück.

Als die Klägerin im Sommer 1970 vom Beklagten erfuhr, daß H* verheiratet und seine Frau He* damals hochschwanger war, brach sie ihre Beziehungen zu H* ab. Beide trafen zwar in der Folge noch mehrmals zusammen, doch kam es dabei zu keinen intimen Beziehungen mehr.

Mit rechtskräftigem Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 3. 7. 1972 wurde der Beklagte eines Disziplinarvergehens schuldig erkannt, weil er in der Nacht vom 14. auf den 15. 7. 1970 im Gasthof B* in S* das Zimmer des H* ohne dessen Zustimmung betreten, seiner geschiedenen Gattin die Perücke vom Kopf gerissen und ihre Handtasche unbefugt mitgenommen habe, und weil er ferner in der Nacht vom 4. auf den 5. 8. 1970 in L* in Begleitung mehrerer Personen Einlaß in das Haus S* begehrt und den aus dem Fenster gesprungenen H* beschimpft und mit Mißhandlungen bedroht hatte.

Die Klägerin hat, wie das Erstgericht zusammenfassend feststellt, in der Zeit vom 14. 4. 1970 bis 14. 7. 1970 „eher ehebrecherische Beziehungen“ und ca.1 Jahr lang zuvor ehewidrige Beziehungen zu H* unterhalten.

Am 15. 7. 1970 übermittelte die Klägerin dem Beklagten die Abschrift einer an die zuständige Rechtsanwaltskammer gerichteten „Anfrage“, in welcher im wesentlichen der Vorfall vom 14. 7. 1970 im Gasthaus B* in S* dargestellt war. Sie forderte den Beklagten auf, sich bis zum 20. 7. 1970 durch Unterfertigung der beigeschlossenen Erklärung für diesen Vorfall zu entschuldigen und sie in Zukunft nicht mehr zu behelligen, widrigenfalls sie die erwähnte Eingabe an die Rechtsanwaltskammer absenden werde (Beilagen 3 bis 5). Der Beklagte gab die geforderte Erklärung nicht ab. Am 13. 8. 1970 übersandte die Klägerin dem Beklagten abermals die Abschrift einer von ihr vorbereiteten Eingabe an die Rechtsanwaltskammer in Graz, diesmal mit einer Schilderung des Vorfalles vom 4. 8. 1970. Sie forderte den Beklagten auf, sich schriftlich damit einverstanden zu erklären, daß die Töchter E* und A* während der Ferien 1970 zu bestimmten Bekannten reisen dürften; für den Fall seines Einverständnisses werde sie die erwähnte Eingabe an die Rechtsanwaltskammer nicht absenden (Beilagen 6 bis 8). Der Beklagte lehnte auch diese Erklärung ab. Auf Grund dieser Vorfälle erstattete der Beklagte am 18. 8. 1970 gegen die Klägerin eine Strafanzeige wegen Verdachtes des Verbrechens der Erpressung; das Strafverfahren wurde aber vom Kreisgericht Leoben mit Beschluß vom 13. 11. 1970 gemäß § 90 StPO eingestellt. Auch ein am 6. 10. 1970 vom Beklagten erhobener Subsidiarantrag blieb erfolglos (Beilagen 10, 11).

Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die nach der Scheidung durch drei Monate aufrecht erhaltenen geschlechtlichen Beziehungen der Klägerin zu einem einzigen, wenn auch verheirateten Mann keinesfalls ausreichten, um einen „ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel“ im Sinne des § 74 EheG annehmen zu können. Die von der Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer gegen den Beklagten erstattete Anzeige sei aber schon deshalb nicht als „schwere Verfehlung“ zu werten, weil sie nicht grundlos gewesen sei, sondern zu einer Verurteilung des Beklagten geführt habe.

Auch das Berufungsgericht war der Auffassung, daß die zwischen der Klägerin und H* nach der Ehescheidung fortgesetzten und verstärkten Liebesbeziehungen, selbst wenn sie in S* oder L* einem größeren Personenkreis bekannt geworden wären, nicht als ehrloser oder unsittlicher Lebenswandel qualifiziert werden könnten. Das Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit den beiden Anzeigen an die Rechtsanwaltskammer könne aber gleichfalls nicht dem § 74 EheG unterstellt werden, weil die Klägerin mit diesen Drohungen keine verwerflichen oder unerlaubten Zwecke verfolgt habe.

Der vom Beklagten in der Revision erhobene Vorwurf, das angefochtene Urteil habe durch diese rechtliche Beurteilung „die Begriffe von Ehre und Sitte auf ein Minimum abgewertet“, ist nicht berechtigt: Die Untergerichte sind im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl 1968/300 = EFSlg 10.382/3; EFSlg 20.550) mit Recht davon ausgegangen, daß bei der sittlichen Bewertung des Verhaltens einer geschiedenen Ehefrau unter dem Gesichtspunkt des § 74 EheG kein allzu strenger Maßstab anzulegen ist. Nicht jedes Verhalten der geschiedenen Frau, das gegen die allgemeinen Moralbegriffe verstößt, befreit den geschiedenen Mann von seiner Unterhaltspflicht; die Frau hat ihren Unterhaltsanspruch vielmehr erst dann verwirkt, wenn dem geschiedenen Mann eine weitere Alimentierung nicht mehr zumutbar ist, so insbesondere dann, wenn sie ihn selbst bei Zubilligung einer großzügigen Einstellung zu den Fragen der Moral durch ihr Verhalten geradezu in Verruf gebracht hat. Der Begriff des „Lebenswandels“ setzt eine Grundhaltung voraus, die sich durch äußeres, in der Regel fortgesetztes Verhalten manifestiert. Das Gebaren der Frau muß also regelmäßig von einer gewissen Dauer sein und in einer Lebensführung Ausdruck gefunden haben, die sie der weiteren finanziellen Unterstützung durch ihren geschiedenen Mann unwürdig macht (vgl. EvBl 1970/126 = EFSlg 12.065). Geschlechtliche Beziehungen zu einem, wenn auch verheirateten, Mann reichen, wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, für sich allein zur Annahme eines ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels im allgemeinen nicht aus (JBl 1948, 187 = EFSlg 2535; EvBl 1962/185 = EFSlg 2543; EvBl 1968/300 = EFSlg 10.382/3 u.a.). Besondere Umstände, die im konkreten Fall eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, vermag der Beklagte aber auch in der Revision nicht aufzuzeigen. Seine Behauptung, es sei „sehr wohl aus der Aktenlage ersichtlich, unter welchen Umständen die Klägerin ihren geschlechtlichen Beziehungen zu H*in der Wohnung der minderjährigen Kinder nachgegangen ist“, findet keine Deckung in entsprechenden Tatsachenfeststellungen der Untergerichte. Ehewidrige Beziehungen zu J* sind nicht erwiesen, und auch die Behauptung des Beklagten, die Klägerin unterhalte noch heute ehewidrige Beziehungen zu H*, steht im Widerspruch zu der für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellung des angefochtenen Urteils, daß die Klägerin ihre Beziehungen zu H* schon im Sommer 1970 abgebrochen hat. Unter diesen Umständen haben aber die Untergerichte die Annahme eines ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels der Klägerin zutreffend abgelehnt.

Auf seinen Vorwurf, die Klägerin habe sich im Zusammenhang mit den von ihr angedrohten bzw. dann auch tatsächlich erstatteten Anzeigen bei der Rechtsanwaltskammer auch einer „schweren Verfehlung“ gegen den Beklagten schuldig gemacht, kommt der Beklagte in seiner Revision nicht mehr zurück. Der Oberste Gerichtshof kann sich daher diesbezüglich mit einem Hinweis auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils begnügen, welcher nur noch hinzuzufügen ist, daß sich der Beklagte hier auch deshalb nicht auf eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches nach § 74 EheG berufen kann, weil das Vorgehen der Klägerin angesichts des von den Untergerichten festgestellten Verhaltens des Beklagten bei den Vorfällen vom 14. 7. und vom 4. 8. 1970 in einem wesentlich milderen Licht erscheint (vgl. Volkmar-Antoni, Großdeutsches Eherecht 249 zu § 65 EheG; Godin, EheG2, 284 zu § 57 d. EheG).

Der Revision des Beklagten kommt daher, soweit sie sich gegen die Ablehnung einer nachträglichen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin im Sinne des § 74 EheG wendet, aus den angeführten Erwägungen keine Berechtigung zu. Auf alle übrigen Ausführungen der Revision, in denen der Beklagte aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2, 5 und 4 ZPO ausschließlich die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Annahme eines jährlichen Durchschnittseinkommens von S 360.000,‑‑ bekämpft und den diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes seine eigene, „einzig richtige Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage“ gegenüberstellt – nach welcher sein durchschnittliches Monatseinkommen von 1971 bis 1974 nicht S 30.000,‑‑, sondern nur knapp S 13.000, betragen habe –, kann aber der Oberste Gerichtshof schon deshalb nicht sachlich eingehen, weil nach dem Judikat 60 neu (SZ 27/177 = EvBl 1954/332 = EFSlg 3308) insbesondere auch die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen – also vor allem die richtige Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage – zu dem einer Anfechtung in dritter Instanz entzogenen Bereich der Unterhaltsbemessung gehört.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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