OGH 3Ob231/75

OGH3Ob231/7516.12.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Winkelmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Kinzel, Dr. Reithofer, Dr. Stix und Dr. Schubert als Richter in den Exekutionssachen der betreibenden Parteien R* reg. Genossenschaft m.unb.H.,   *, vertreten durch Dr. Hellfried Muhri, Rechtsanwalt in Graz, und andere betreibende Parteien wider die verpflichteten Parteien 1.) H*, Kraftfahrer, 2.) M*, Hausfrau, beide *, wegen S 140.000,— samt Anhang und anderer Forderungen, infolge Revisionsrekurses der R* reg. Gen.m.unb.H. gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Graz als Rekursgerichtes vom 26. August 1975, GZ. 4 R 272-80/75-79, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mureck vom 16. Juli 1975, GZ. E 2015/74-69, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00231.75.1216.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, ebenso der Verteilungsbeschluß des Erstgerichtes hinsichtlich der Zuweisungen an die Republik Österreich (Finanzamt Radkersburg) zu A II Z. 10 (S 46.300,41) und B 1.) lit. k) (S 80,49) sowie an W* zu A II Z. 12 (S 124.211,36) und B 1.) lit. m) (S 215,95). Hinsichtlich des auf diese vier Zuweisungen entfallenden Teiles des Meistbots sowie der Meistbots- und Fruktifikatszinsen wird die Sache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Anträge, die Kosten des Rekurses und des Revisionsrekurses als Verfahrenskosten zu bestimmen, werden abgewiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht verteilte mit Beschluß vom 16. Juli 1975, ON. 69, das für die Liegenschaft EZ. * KG. * erzielte Meistbot von S 705.000, — sowie die Meistbots- und Fruktifikatszinsen im Betrage von S 1.225,69. Die versteigerte Liegenschaft gehörte den beiden Verpflichteten je zur Hälfte. Deren Anteile waren zum Teil uneinheitlich belastet. In der bücherlichen Rangordnung erhielten unter anderem zugewiesen: Aus dem Meistbot (Abschn. A II des Beschlusses): zu 7: A* S 65.028,86 auf Grund des auf der gesamten Liegenschaft unter COZ. 37 und 38 verbücherten Pfandrechts; zu 8: die Republik Österreich (Finanzamt Radkersburg) S 24.918,— auf Grund des auf der Liegenschaftshälfte des Erstverpflichteten unter COZ. 39 verbücherten Pfandrechts; zu 9: die G* S 33.323,22 auf Grund des auf der gesamten Liegenschaft unter COZ. 44 verbücherten Pfandrechts; zu 10: die Republik Österreich (Finanzamt Radkersburg) S 46.300,41 auf Grund des auf der Liegenschaftshälfte des Erstverpflichteten unter COZ. 45 verbücherten Pfandrechtes; zu 11: die Republik Österreich (Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Graz) S 681,— auf Grund des unter COZ. 47 auf der Liegenschaftshälfte der Zweitverpflichteten verbücherten Pfandrechts; zu 12: W*, S 124.211,36 auf Grund des auf der gesamten Liegenschaft unter COZ. 51 verbücherten Pfandrechtes. Aus den Meistbots- und Fruktifikatszinsen von S 1.225,69 (Abschnitt B des Beschlusses): zu 1. lit. k): die Republik Österreich (Finanzamt Radkersburg) S 80,49; zu 1.) lit. m): W*, S 215,95.

Gegen diesen Verteilungsbeschluß („Zuweisungen unter A II ab Z. 7.“) und damit wohl sinngemäß auch gegen die entsprechenden Zuweisungen aus den Meistbots- und Fruktifikatszinsen von S .225,69) erhob die R* reg. Gen.m.unb.H. mit der Begründung Rekurs, das Erstgericht habe ihr unter COZ. 32 verbüchertes Pfandrecht für eine Kreditforderung im Höchstbetrag von S 200.000,— unter Verletzung der Bestimmungen der §§ 171 Abs. 2 und 210 EO. nicht berücksichtigt. Die Forderung habe am 22.5.1975 (Verkaufstag) mit einem Betrag von. S 136.854,11 unberichtigt ausgehaftet. Dieser Betrag sei der Rekurswerberin “vor den Zuweisungen ab A II Z. 7“ zuzuweisen.

Der Rekurs blieb erfolglos. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, eine Verletzung der Bestimmung des § 171 Abs. 2 EO. liege nicht vor, weil der Vertreter der Rekurswerberin eine Ausfertigung des Versteigerungsediktes mit den Aufforderungen zur Anmeldung (EForm. 216) zugestellt erhalten habe. Im übrigen sei das Höchstbetragspfandrecht der Rekurswerberin COZ. 32 zu Recht im Verteilungsverfahren nicht berücksichtigt worden: Die Rekurswerberin habe nämlich die durch dieses Pfandrecht sichergestellte Forderungen nicht angemeldet. Dies habe zur Folge gehabt, daß die unter COZ. 32 sichergestellte Forderung nach dem Grundbuchsstand zu berücksichtigen gewesen wäre, und zwar nach § 171 Abs. 2 EO. durch Übernahme durch den Ersteher. Die Übergehung dieser Forderung verstoße somit gegen die Verteilungsgrundsätze des § 216 „Abs.“ 4 EO.; es hätte richtigerweise nach § 224 Abs. 2 EO. vorgegangen werden müssen. Eine Zuweisung des nunmehr und erstmalig im Rekurs geltend gemachten Betrages von S 136.854,11 durch Barzahlung könne aber in zweiter Instanz nicht vorgenommen werden, weil eine Anmeldung der Forderung (in erster Instanz) nicht erfolgt sei. Im übrigen sei das Rekursgericht an das Rekursbegehren („Zuweisung eines Betrages von S 136.854,11“) gebunden.

Diesen rekursgerichtlichen Beschluß ficht die R* als Hypothekargläubigerin mit dem vorliegenden Revisionsrekurs an. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß „ihr im Range COZ. 32, also vor den Zuweisungen ab A II Z. 7“ die Forderung von S 136.854,11 durch Barzahlung oder Übernahme zugewiesen werde und entsprechend dieser Summe „die Zuweisungen ab A II Z. 7 zu entfallen haben“; hilfsweise beantragt sie eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 239 Abs. 3 EO.) und auch gerechtfertigt.

Bei der von der Revisionsrekurswerberin geltend gemachten Forderung handelt es sich, wie bereits ausgeführt wurde, um eine Kreditforderung, die durch eine Höchstbetragshypothek im Sinne des § 14 Abs. 2 GBG. 1955 unter COZ. 32 sichergestellt ist (Höchstbetrag S 200.000,—). Gemäß § 171 Abs. 3 EO. sind die Gläubiger aus Höchstbetragshypotheken schon im Versteigerungsedikt aufzufordern, spätestens im Versteigerungstermin vor Beginn der Versteigerung anzumelden, bis zu welchem Betrag Forderungen aus dem betreffenden Rechtsverhältnis entstanden sind. An die Versäumung der Anmeldung sind aber keine Rechtsfolgen geknüpft. Wesentlich für das Verteilungsverfahren ist aber, daß der Gläubiger zur Verteilungstagsatzung gehörig geladen wird (§§ 209 bis 210 EO.). Meldet der geladene Gläubiger seine durch die Höchstbetragshypothek gesicherte Forderung aus irgendeinem Grund nicht an, so hat dies für ihn nur insofern eine nachteilige Folge, als der Höchstbetrag – nach Zulangen der Verteilungsmasse – dem betreffenden Gläubiger zwar zugewiesen wird, der Zuweisungsbetrag aber nach § 224 Abs. 2 EO. beim Exekutionsgericht zinstragend (als Deckungskapital für künftig entstehende Forderungen) angelegt und darüber nach dieser Bestimmung später verfügt wird (Heller-Berger-Stix, 1541; SZ 11/155). Eine „Übernahme durch den Ersteher“ kommt hingegen nur hinsichtlich allfälliger bis zur Verteilungstagsatzung bereits entstandenen Forderungen samt Nebengebühren auf Grund einer gehörigen Anmeldung in Frage (§ 224 Abs. 1 EO.; siehe Heller-Berger-Stix, 1541 f.).

Die Revisionsrekurswerberin war zur Verteilungstagsatzung zu Händen ihres ausgewiesenen Vertreters gehörig geladen und bei dieser Tagsatzung auch durch diesen vertreten (Allgemeine Vollmacht vom 13.8.1973 zur Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten vor Gericht). Das Erstgericht hätte demnach bezüglich der Höchstbetragshypothek der Revisionsrekurswerberin mangels einer Anmeldung im Sinne der §§ 211 Abs. 1 und 224 Abs. 1 EO. wenigstens nach § 224 Abs. 2 EO. (Zuweisung durch Erlag eines Deckungskapitals) vorgehen müssen, und zwar ungeachtet des Grundes für die Unterlassung der Anmeldung seitens der gehörig geladenen Gläubigerin. Der Erstrichter ließ aber auch außer acht, daß in der Verteilungstagsatzung, sofern nicht eine ausdrückliche Einigung aller Teilnahmeberechtigten über die Verteilung nach § 214 Abs. 2 EO. vorliegt, mit den Erschienenen nach den allgemeinen und besonderen Verteilungsgrundsätzen über jeden Anspruch (Kapital und Nebengebühren) in der Reihenfolge, in der die Befriedigung aus dem Meistbot erfolgen soll, zu verhandeln ist (§ 212 Abs. 1 EO.). Es sind daher in der Verteilungstagsatzung nicht bloß Anmeldungen zu protokollieren, sondern alle Ansprüche, ob sie nun von Amts wegen oder auf Anmelden zu berücksichtigen sind oder unberücksichtigt zu bleiben haben, zu behandeln. Im Protokoll über die Verteilungstagsatzung ist festzustellen, welche Ansprüche (Kapital und Nebengebühren) der Reihe nach zum Zuge kommen und ob und von welcher Seite gegen die einzelnen Ansprüche ein Widerspruch erhoben worden ist.Der Richter hat daher in der Verteilungstagsatzung alle zum Zuge gelangenden Ansprüche ziffernmäßig festzustellen und im Tagsatzungsprotokoll der Reihe nach anzuführen. Den Anwesenden ist bekanntzugeben, mit welchem Betrag an Kapital (samt Zinsen und Kosten) sie berücksichtigt werden sollen, ob dies durch Barzahlung, Übernahme durch den Ersteher oder Zuweisung eines Deckungskapitals (z.B. in den Fällen der §§ 219 Abs. 2, 224 Abs. 2 oder 225 Abs. 2 EO.) zu geschehen hat, damit darüber verhandelt werden kann (Heller-Berger-Stix, 1450; 3 Ob 90/72, 3 Ob 42/72). Eine solche Verhandlung fand in der Verteilungstagsatzung am 3.7.1975 (ON. 63) nicht statt. Der Erstrichter beschränkte sich bezüglich der bücherlich sichergestellten Ansprüche vielmehr auf die Protokollierung der Anmeldungen und auf die allgemeine Feststellung, es würden „keine Einwendungen erhoben“. Im Zuge der nach § 212 Abs. 1 EO. abzuführenden Verhandlung wäre es daher auch Aufgabe des Erstrichters gewesen, mit dem anwesenden Vertreter der Rekurswerberin zu erörtern, daß der unter COZ. 32 sichergestellte Anspruch mangels eine Anmeldung nur nach § 224 Abs. 2 EO. zu berücksichtigen ist. Da dies nicht geschehen ist, verstieß das Erstgericht – was den unter COZ. 32 sichergestellten Anspruch anbelangt – gegen im Sinne des § 196 Abs. 2 ZPO., § 78 EO. zwingende Verfahrensgrundsätze. Dazu kommt noch, daß mehrere Buchberechtigte zur Verteilungstagsatzung überhaupt nicht geladen waren (Siehe den vom Obersten Gerichtshof veranlaßten Auftrag des Rekursgerichtes vom 17.10.1975 (ON. 85). Die Entscheidung des Erstgerichtes hätte daher auf Grund des Rekurses der R* – im Umfange der Anfechtung – vom Rekursgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung auf gehoben werden müssen. Dem stand nicht entgegen, daß die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel bloß die „Zuweisung“ des Betrages von S 136.854,11 gefordert hat, womit offenbar eine Zuweisung durch Barzahlung gemeint war. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes stellt das Begehren nach § 224 Abs. 1 EO. auf Berichtigung durch – sofortige – Barzahlung gegenüber dem Begehren auf Zuweisung eines entsprechenden Barbetrages, welcher gemäß § 224 Abs. 2 EO. (als Deckungskapital) gerichtlich zu erlegen ist, nicht ein aliud im Sinne des § 405 ZPO., § 78 EO. dar, sondern ein Mehrbegehren. Erweist sich ersteres Begehren als nicht gerechtfertigt (z.B. wegen nicht gehöriger Anmeldung), so ist jedenfalls nach § 224 Abs. 2 EO. vorzugehen, solange nicht feststeht, daß das Rechtsverhältnis, das der Höchstbetragshypothek zugrunde liegt, erloschen ist (Heller-Berger-Stix, 1541). In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung EvBl 1989/266 wird keinewegs eine seine Auffassung stützende Ansicht vertreten.

Das Erstgericht wird also eine neuerliche Verteilungstagsatzung anzuberaumen und in dieser über die unter COZ. 32 bücherlich sichergestellte Forderung der Revisionsrekurswerberin im Sinne des § 212 Abs. 1 EO. zu verhandeln haben. Zu dieser Tagsatzung werden nur die bei der Verteilungstagsatzung am 3.7.1975 Erschienenen (§ 57 Abs. 2 EO. in sinngemäßer Anwendung) sowie die damals nicht geladenen Buchberechtigten zu laden sein.

Hinsichtlich des Umfanges der Aufhebung des erstgerichtlichen Verteilungsbeschlusses war davon auszugehen, daß die Revisionsrekurswerberin diesen Beschluß – und entsprechend auch die Entscheidung des Rekursgerichtes – nur wegen der Nichtberücksichtigung ihrer Forderung in der Höhe von S 136.854,11, also nicht in der vollen Höhe des Höchstbetrages (S 200.000,—) angefochten hat. Rekurs und Revisionsrekurs richten sich somit nur insoweit gegen die Zuweisungen an andere Gläubiger, als diese infolge Nichtberücksichtigung der Revisionsrekurswerberin zum Zug gelangt sind. Es handelt sich hierbei um die Zuweisungen an die Republik Österreich (Finanzamt Radkersburg) zu A II Z. 10 (und entsprechend auch zu B 1.) lit. k) sowie an W* zu AII Z. 12 (und entsprechend auch zu B 1.) lit. m). Bei der Berechnung der bekämpften Zuweisungen war darauf Bedacht zu nehmen, daß die Anteile der beiden Verpflichteten an der versteigerten Liegenschaft teilweise verschieden belastet waren. Es ist daher mangels abweichender Anträge im Verteilungsverfahren die Vorschrift des § 222 Abs. 2 EO. (§ 238 EO.) bei Berechnung der Zuweisungsbeträge analog anzuwenden (Heller-Berger-Stix, 1617 f.). Die oben angeführten vier Zuweisungen waren aber zur Gänze aufzuheben, weil damit gerechnet werden muß, daß im fortgesetzten Verteilungsverfahren über den Forderungsbetrag von S 136.854,11 hinaus allenfalls noch die Kosten des Rekurses, Revisionsrekurses sowie der Verteilungstagsatzung als privatrechtliche Ansprüche im Rahmen der Höchstbetragshypothek zu berücksichtigen sein werden (siehe Heller-Berger-Stix, 692, 1542 f.). Ein Zuspruch der Kosten des Rekurses und des Revisionsrekurses nach §§ 41, 50 ZPO., § 78 EO. kommt nicht in Frage, weil die R* in diesen Rechtsmittelverfahren die Forderung von S 136.854,11 als Hypothekargläubigerin nicht in einem Zwischenstreit geltend gemacht hat (vgl. Heller-Berger-Stix, 734).

 

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