European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00260.75.1209.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß das Exekutionsverfahren 7 a E 11.001/74 des Erstgerichtes in Ansehung der erst-, dritt- und viertverpflichteten Partei auf deren Antrag gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 EO. unter Aufhebung aller bisher vollzogenen Exekutionsakte eingestellt wird, und der betreibenden Partei auf getragen wird, der erst-, dritt- und viertverpflichteten Partei die mit S 804,82 bestimmten Kosten des Einstellungsantrages vom 7. Mai 1975 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die betreibende Partei ist weiters schuldig, der erst-, dritt- und viertverpflichteten Partei die mit S 2.414,45 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung:
Auf Grund der einstweiligen Verfügung des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Oktober 1974, 26 Cg 781/74, wurde der betreibenden Partei vom Titelgericht gegen die fünf Verpflichteten die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung weiterer Umbauarbeiten am Hause *, nach § 355 EO. bewilligt. Als Exekutionsgericht schreitet das Erstgericht zu 7 a E 11.001/74 ein. Mit zwei an das Exekutionsgericht gerichteten Schriftsätzen vom 7. Mai 1975 (ON 36 und 37) beantragte die erst-, dritt- und viertverpflichtete Partei die Einstellung der Exekution nach § 39 Abs. 1 Z. 1 EO. mit der Begründung, die genannte einstweilige Verfügung sei mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Februar 1974, 26 Cg 781/74-32, aufgehoben worden. Weiters stellten diese drei Verpflichteten nach § 75 EO. Anträge auf Aufhebung von Kostenbestimmungsbeschlüssen und auf Zuspruch von Exekutionskosten.
Mit Beschluß vom 23. Mai 1975 (ON. 39) stellte das Erstgericht „das Exekutionsverfahren“ 7 a E 11.001/74 gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 EO. unter Aufhebung der bisher vollzogenen Exekutionsakte ein (Punkt 1). Weiters hob es drei Kostenentscheidungen auf (Punkt 2-4) und verhielt die betreibende Partei zum Ersatz verschiedener Kosten der Verpflichteten, darunter der Kosten des Antrages vom 7. Mai 1975 von S 805. Das Begehren (der erst-, dritt- und viertverpflichteten Partei), der betreibenden Partei auch den Ersatz der Kosten des zweiten Antrages vom 7. Mai 1975 im Betrage von S 805 aufzuerlegen, wurde hingegen abgewiesen (Punkt 6). Das Erstgericht ging bei seiner Entscheidung über den Einstellungsantrag davon aus, daß der Exekutionstitel vom Landesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 24. Februar 1974 GZ. 26 Cg 781/74-32, rechtskräftig aufgehoben worden war.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der erst-, dritt- und viertverpflichteten Partei auf Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 EO. abgewiesen wurde und die genannten Verpflichteten zum Ersatz der Rekurskosten verhalten wurden. Es vertrat hiezu die Ansicht, der Exekutionstitel sei wegen Beendigung der untersagten Bauarbeiten aufgehoben worden. Die Verpflichteten könnten daher gegen den mit der einstweiligen Verfügung „angestrebten Zweck“ gar nicht mehr zuwiderhandeln, selbst wenn sie dies wollten. Ein Zuwiderhandeln gegen die einstweilige Verfügung sei daher nach Rechtskraft der Aufhebung der einstweiligen Verfügung überhaupt denkunmöglich. Die Exekution sei sohin beendet. In einem solchen Fall genüge es aber, dem betreibenden Gläubiger von der Sachlage zu verständigen. Aber auch wenn man zu dem Ergebnis käme, daß das Erstgericht zu Recht die Exekution gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 EO. eingestellt habe, so wäre für die Verpflichteten im Hinblick auf den Ersatz der ihnen durch die Exekutionsführung aufgelaufenen Kosten durch die betreibende Partei nichts gewonnen: der Exekutionstitel sei nicht rückwirkend vernichtet, sondern wegen geänderter Verhältnisse auf gehoben worden. Die Einstellungswirkungen seien daher nicht auf den Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung zurückzubeziehen; der Bezugszeitpunkt der Aufhebung sei vielmehr mit Wirkung der Erlassung des Einstellungsbeschlusses gegeben. Wenn aber die Exekution nicht rückwirkend, sondern erst ab einem späteren Zeitpunkt eingestellt werde, so würden die Exekutionsbewilligung und auch die darauf basierenden Vollzugsbeschlüsse vom Zeitpunkt ihrer Erlassung bis zum Bezugszeitpunkt der Aufhebung ihre Kraft behalten. Damit ergebe sich im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 75 EO., daß die Verpflichteten keinen Anspruch auf Ersatz der ihnen bis zur Einstellung aufgelaufenen Exekutionskosten hätten: Denn § 75 EO. regle nur den Kostenersatz der betreibenden Partei für ungerechtfertigte und ungesetzliche Exekutionsführungen; diese Bestimmung wolle dem betreibenden Gläubiger alle Vorteile aus der unberechtigten Exekutionsführung nehmen.
Gegen diesen rekursgerichtlichen Beschluß erhob die erst-, dritt- und viertverpflichtete Partei mittels zweier gleichlautender Schriftsätze insoweit Revisionsrekurs, „als der Antrag der Rekurswerber auf Einstellung des Exekutionsverfahrens abgewiesen wurde“. Sie beantragen, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt werde; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist gerechtfertigt.
Der Revisonsrekurs wendet sich gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die gegenständliche Exekution als beendet zu behandeln sei und daß deshalb die Einstellung dieser Exekution unzulässig sei. Nach Ansicht der Revisionsrekurswerber könne im gegenständlichen Fall von einer Denkunmöglichkeit neuerlichen Zuwiderhandelns keine Rede sein, weil es bis zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung im Belieben der Verpflichteten gestanden sei, sich daran zu halten oder weiter umzubauen. Es zeige sich daher, daß es der beantragten und vom Erstgericht bewilligten Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 EO. sehr wohl bedürfe.
Es ist richtig, daß ein bereits beendetes Exekutionsverfahren nicht mehr eingestellt werden kann (SZ 24/197, EvBl 1960/260, EvBl 1968/79; Heller-Berger-Stix, 402 und 485). Eine Exekution ist aber nur „beendet“, wenn sie zum vollen Erfolg, also zur gänzlichen Befriedigung des betreibenden Gläubigers geführt hat oder im Rahmen des Exekutionsverfahrens festgestellt werden mußte, daß die Zwangsvollstreckung schon nach den Denkgesetzen nicht geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen, etwa weil das Exekutionsobjekt nicht oder nicht mehr besteht (Heller-Berger-Stix, 485). Keiner dieser beiden Fälle der Beendigung einer Exekution kommt bei der Exekution zur Erwirkung von Duldungen oder Unterlassungen (§ 355 EO.) begrifflich in Frage. Von der Befriedigung des betreibenden Gläubigers kann im Fall, daß der Verpflichtete eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden hat (Dauerverpflichtung) , nicht gesprochen werden. Aber auch der zweite Fall ist bei diesem Exekutionsmittel schon deshalb ausgeschlossen, weil das Exekutionsgericht beim Vollzug einer Unterlassungs- oder Duldungsexekution nur in der in §§ 355-357 EO. vorgesehenen Weise tätig werden kann (Verhängung von Zwangsmitteln gegen den Verpflichteten über Antrag des betreibenden Gläubigers allein auf Grund seiner Behauptung, daß der Verpflichtete zuwidergehandelt habe; Auferlegung einer Sicherheit; Ermächtigung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes). Schon aus diesem Grund kann von einer Beendigung der vorliegenden Exekution durch die Aufhebung des Titels nicht die Rede sein. Die erst-, dritt- und viertverpflichtete Partei konnte demnach die Einstellung der gegen sie geführten Exekution nach § 39 Abs. 1 Z. 1 EO. auf Grund der unbestrittenen rechtskräftigen Aufhebung des Exekutionstitels begehren.
Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben und es war die Exekution auf Antrag der erst-, dritt- und viertverpflichteten Partei – allerdings nur in Ansehung der Antragsteller – in Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses einzustellen.
Der Vollständigkeit halber wird bemerkt, daß die zweite Instanz über die getrennt zu behandelnden Anträge der erst-, dritt- und viertverpflichteten Partei nach § 75 EO. nicht entschieden, sondern nur in der Begründung ihrer Entscheidung hiezu Stellung genommen hat (siehe die letzten Absätze der Begründung der rekursgerichtlichen Entscheidung). Der Revisionsrekurs richtet sich nach der Anfechtungserklärung und den Ausführungen aber nur gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes über den Antrag auf Einstellung der Exekution, obgleich die Revisionsrekurswerber die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses begehren. Eine Entscheidung der zweiten Instanz über die nach § 75 EO. gestellten Anträge wäre im übrigen nach § 528 Abs. 1 Z. 2 ZPO., § 78 EO. Unanfechtbar.
Die Entscheidung über die Kosten des Einstellungsantrages beruht auf § 41 ZPO., § 78 EO., der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses auf den §§ 41, 50 ZPO., § 78 EO. Den Revisionsrekurswerbern steht allerdings nur ein Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Schriftsatzes zu, was sowohl für den Einstellungsantrag vom 7. Mai 1975 als auch für den Revisionsrekurs gilt.
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