OGH 1Ob229/75

OGH1Ob229/7526.11.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* Z*, Handelsfrau *, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) A* KG * und 2.) A* Zi*, Kaufmann, ebendort, vertreten durch Dr. Walter Strigl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 796.169,69 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. Juni 1975, GZ. 2 R 117/75‑13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18. März 1975, GZ. 12 Cg 270/74‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00229.75.1126.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache unter gleichzeitiger Aufhebung auch des Urteils des Erstgerichtes an dieses zur Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrt einen Betrag von S 796.169,89 samt Anhang und brachte zur Begründung ihres Begehrens vor, ihr Gatte F* Z* habe ihr die ihm aus der Veräußerung bzw. Übernahme eines Warenlagers gegenüber den Beklagten zustehende Forderung in der Höhe des Klagsbetrages mit Notariatsakt vom 17. 6. 1974 zum Inkasso zediert. Diese Inkassozession erstrecke sich auch auf die Erstbeklagte und gelte auch für Ansprüche aus anderen Rechtsgründen. Das Warenlager sei von K*, einem weisungsgebundenen Organ des Zweitbeklagten als Teil des Unternehmens des F* Z* übernommen worden, wobei die Einbringung des Warenlagers in eine zu gründende Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgesehen gewesen sei. Zur Eintragung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in das Handelsregister sei es in der Folge nicht gekommen. Aus dem Titel der Vermögensübernahme hafte auch die erstbeklagte Partei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor, der Klägerin fehle die Aktivlegitimation, weil die Zession der Forderung zum Inkasso im Hinblick auf das über das Vermögen des F* Z* am 11. 3. 1974 eröffnete Ausgleichsverfahren und den am 24. 7. 1974 eröffneten Anschlußkonkurs wirkungslos gewesen sei. Durch die Bezahlung der Schuld an die Klägerin würden die Beklagten von ihrer Verpflichtung – sofern sie bestehe – nicht befreit. Eine Überlassung der Forderung zur freien Verfügung des F* Z* sei nicht erfolgt. Im übrigen habe wohl die erstbeklagte Partei Waren von F* Z* im Betrag von S 956.245,03 gekauft und übernommen, sodaß nur sie für die gegenständliche Klage passiv legitimiert sei. Eine Haftung des Zweitbeklagten, insbesondere auch aus dem Grunde des Handelns für eine in der Folge nicht zur Entstehung gelangte Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 2 Abs. 2 GmbHG) bestehe nicht zu Recht.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Über das Vermögen des F* Z*, Erzeugung und Handel mit Geschenkartikeln, wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. 3. 1974, Sa 21/74‑2, das Ausgleichsverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. S* zum Ausgleichsverwalter bestellt. Das Ausgleichsedikt wurde am Tage des Eröffnungsbeschlusses an der Gerichtstafel angeschlagen. Im Ausgleichsantrag behauptete der Ausgleichsschuldner, die Übernahme eines Warenlagers im Buchwert von S 1,417.955,30 „an den von Herrn Zi* bestellten Geschäftsführer einer zu gründenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Im Vermögensverzeichnis und in der Bilanz per 31. 12. 1973 scheint diese Forderung unter den Aktiven auf. Mit Schriftsatz vom 31. 5. 1974, Sa 21/74‑13, zog der Ausgleichsschuldner seinen Ausgleichsantrag zurück, worauf das Ausgleichsverfahren mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 4. 6. 1974, Sa 21/74‑14, gemäß § 56 Abs. 1 Z. 1 AO eingestellt wurde. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 24. 7. 1974, S 91/74‑1, wurde über das Vermögen des F* Z* der Anschlußkonkurs eröffnet. Das Konkursedikt wurde am Tage des Eröffnungsbeschlusses an der Gerichtstafel angeschlagen und Dr. S* zum Masseverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 23. 10. 1974, S 91/74‑42, beantragte der Gemeinschuldner die Innehaltung der Verwertung des Massevermögens, weil er einen Zwangsausgleich anstrebe, zu welchem Zweck die das wichtigste Aktivum der Konkursmasse bildende Forderung aus einem Warenverkauf an A* Zi* realisiert werden müsse, welche laut Sachverständigengutachten S 796.169,89 betrage. Die Geltendmachung dieser Forderung sei aber mit einem beträchtlichen Kostenaufwand verbunden, dessen Tragung weder dem Masseverwalter noch dem Konkursgläubiger zugemutet werden könne; er habe daher diese Forderung seiner Gattin zum Inkasso abgetreten. Die behauptete Inkassozession der Klagsforderung erfolgte mit Notariatsakt vom 4. 6. 1974. In diesem Inkassozessionsvertrag erklärt F* Z* als Forderungsüberträger, die dubiose Forderung gegen A* Zi* (aus der Veräußerung und beurkundeten Übergabe eines Warenlagers per 31. 12. 1973) in Höhe von S 800.760,29 (in einer Ergänzung heißt es, daß der zedierte Betrag S 573.887,44 zuzüglich 16 % Umsatzsteuer von S 1,417.955,30 betrage) an G* Z* als Forderungsübernehmerin zur Einziehung abzutreten. Nach Punkt 2 des Vertrages soll die Forderung wirtschaftlicher Bestandteil des Vermögens des Forderungsüberträgers bzw. seiner allfälligen Konkursmasse bleiben und die Forderungsübernehmerin die Forderung auf Grund dieser Inkassozession im eigenen Namen und auf ihr eigenes Kostenrisiko gegen den Schuldner A* Zi* auf dem Rechtsweg geltend machen. Die Forderungsübernehmerin erklärte die gegenständliche Forderungsabtretung zum Inkasso anzunehmen (Punkt 4 des Inkassozessionsvertrages). Mit Notariatsakt des öffentlichen Notars Dr. F* vom 16. 1. 1975, GZ. 11/75, gab F* Z* die Erklärung ab, daß die im Notariatsakt vom 4. 6. 1974 angeführte Forderung nicht nur gegen A* Zi* persönlich, sondern auch gegen die Mitschuldnerin, die A* KG, zum Inkasso an M* Z* abgetreten wurde, was versehentlich nicht angeführt worden sei. Der bei diesem Notariatsakt vom 16. 1. 1975 anwesende Masseverwalter Dr. S* erklärte, daße er auch nachträglich gegen diese Inkassozession keinen Einwand erhebt. Eine Überlassung der gegenstänständlichen Forderung zur freien Verfügung des F* Z* ist nicht erfolgt; das Konkursverfahren ist noch anhängig.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß dem Gemeinschuldner durch die Konkurseröffnung die freie Verfügung über das dem Konkurs unterworfene Vermögen entzogen werde. Die von ihm erteilten Aufträge seien erloschen. Rechtshandlungen, die der Gemeinschuldner während des Konkurses hinsichtlich des dem Konkurs unterworfenen Vermögens vornehme, seien den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Zur Prozeßführung sei aber nur der Masseverwalter berechtigt. Da die Klagsforderung wirtschaftlich und rechtlich im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung einen Bestandteil der Konkursmasse gebildet habe, sei zur Geltendmachung dieser Forderung nur der Masseverwalter berechtigt. Der Klägerin fehle daher die aktive Klagslegitimation, zumal durch die Konkurseröffnung der der Inkassozession zugrunde liegende Auftrag erloschen und eine abstrakte Zession nicht wirksam sei.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht keine Folge. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß der mit der Inkassozession begründete Auftrag des Überträgers an den Übernehmer zur Forderungseintreibung durch die Konkurseröffnung gemäß §§ 26 KO bzw. 1024 ABGB erloschen sei. Dadurch habe aber die Zession ihren Rechtsgrund verloren und könne als abstrakte Zession nicht mehr gültig bestehen. Diese Ungültigkeit der Zession könne vom Schuldner geltend gemacht werden. Daraus sei zu folgen, daß die Inkassozession mit der Konkurseröffnung in ihrer Gesamtheit, somit auch bezüglich des Außenverhältnisses, zwischen der Klägerin und den Beklagten erloschen sei. Es sei demnach die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß der Klägerin die aktive Klagslegitimation fehle und nur der Masseverwalter zur Geltendmachung der Klagsforderung berechtigt sei, zu billigen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Unterinstanzen zurückzuverweisen.

Die beklagten Parteien beantragten, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gerechtfertigt.

Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zedierte F* Z* der Klägerin am 4. 6. 1974 eine ihm gegen A* Zi* aus dem Titel der Veräußerung und Übergabe eines Warenlagers angeblich zustehende Forderung von S 800.760,29 zum Inkasso, worüber ein Notariatsakt errichtet wurde. Im ergänzenden Notariatsakt vom 16. 1. 1975 wurde festgehalten, daß die Zession der Forderung auch gegen den Mitschulden, die A* KG, erfolgte, was aus Versehen im Notariatsakt vom 4. 6. 1974 nicht angeführt worden sei. Der anwesende Masseverwalter Rechtsanwalt Dr. S* erhob „auch nachträglich gegen diese Inkassozession keinen Einwand“.

Was zunächst das Wesen der Inkassozession betrifft, so ist darunter eine Zession zu verstehen, bei der der Zessionar Gläubiger wird, aber verpflichtet ist, die eingehobene Leistung an den Zedenten abzuführen. Es handelt sich im Regelfall um die Übertragung eines Vollrechtes unter obligatorischen Beschränkungen, somit um eine Art Treuhand, nämlich einen Fall der uneigennützigen Treuhand (vgl. Koziol-Welser, Grundriß I3, 216 und Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechtes, 248). Im einzelnen kann dabei die Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses verschieden sein. Es kann die regelmäßige Form der fiduziarischen Treuhand vorliegen oder aber eine auflösend bedingte Treuhand in Anlehnung an die deutschrechtliche Treuhand vereinbart werden, so etwa, wenn nach dem Inhalt der Zessionsvereinbarung beim Eintritt bestimmter Umstände, wie etwa dem Tod des Treuhänders oder Unerreichbarkeit des Zweckes das Treugut, im vorliegenden Fall also die Forderung, wieder an den Treuhänder zurückfallen soll (Kastner in FS Hämmerle, 165, 167, 173, Stanzl in Klang IV/1 , 789, SZ 36/46, SZ 12/295 und 5 Ob 10/69). Im vorliegenden Fall ist nach dem Inhalt des zwischen F* Z* und der Klägerin abgeschlossenen Vertrages davon auszugehen, daß ein Fall der fiduziarischen Treuhand vorliegt. Da der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Eröffnung des Anschlußkonkurses über das Vermögen des F* Z* habe der Klägerin jedenfalls die Aktivlegitimation zur Geltendmachung der Forderung entzogen, wie im einzelnen noch darzulegen sein wird, nicht gefolgt werden kann, ist zu prüfen, ob die Zessionsvereinbarung an sich im Hinblick auf das über das Vermögen des F* Z* verhängte Insolvenzverfahren gültig zustande gekommen ist. Durch die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens wird dem Ausgleichsschuldner die Verfügungsmacht über sein Vermögen grundsätzlich nicht entzogen, er bleibt vollständig handlungs- und verfügungsfähig, auch eine tatsächliche Entziehung der Vermögensverwaltung findet nicht statt (Bartsch-Polak II, 126 f, 130, 4 Ob 518/74 ua). Gemäß § 8 Abs. 2 AO bedarf der Schuldner freilich von der Eröffnung des Verfahrens an zur Vornahme von Geschäften, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, der Zustimmung des Ausgleichsverwalters. Rechtshandlungen, die ohne diese Zustimmung vorgenommen werden, sind aber keineswegs nichtig, sondern unter den im § 8 Abs. 3 AO angeführten Voraussetzungen relativ, nämlich den Gläubigern gegenüber unwirksam (Bartsch-Pollak aaO 157, 140, Petschek Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 774 f, EvBl 1975/79, 6 Ob 92/74). Hierauf kann sich auch der Schuldner einer abgetretenen Forderung berufen (Bartsch-Pollak aaO 142, EvBl 1962/196). Im Falle des Anschlußkonkurses dauern die Dispositionsbeschränkungen, denen der Ausgleichsschuldner unterworfen ist bis zum Eintritt der durch die Konkurseröffnung bewirkten Beschränkungen fort und gehen unmittelbar in diese über (EvBl 1967/409). Nun hat aber Dr. S* als Masseverwalter im Anschlußkonkurs erklärt, gegen die Inkassozession keine Einwendungen zu erheben. Bei Prüfung der Bedeutung dieser Erklärung ist freilich zunächst zu beachten, daß der Masseverwalter gemäß § 115 KO bei allen wichtigen Vorkehrungen verhalten ist, den Beschluß des Gläubigerausschusses und in Ermangelung eines solchen des Konkurskommissärs (§ 90 KO) einzuholen, doch ist dies – einer der taxativ aufgezählten Fälle der notwendig gebotenen Zustimmung gemäß den §§ 116 und 117 KO liegt nicht vor – seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen. Die unterlassene Einholung der Genehmigung berührt nach § 115 KO die Gültigkeit der Erklärung des Masseverwalters nicht (Bartsch-Pollak I, 539). Durch die nachträgliche Genehmigung der Inkassozession ist daher die an sich zivilrechtlich gültige Verfügung des F* Z* auch den Gläubigern gegenüber voll wirksam geworden. Davon ging auch das Berufungsgericht aus, es erachtete aber die Aktivlegitimation der Klägerin deshalb als nicht gegeben, weil mit der Eröffnung des Anschlußkonkurses der in der Inkassozession liegende Auftrag, die Forderung einzutreiben gemäß den §§ 26 KO und 1024 ABGB erloschen sei. Dabei wird aber auf die Erklärung des Masseverwalters, die Inkassozession zu genehmigen, nicht Bedacht genommen. Darin muß nämlich ein neuer, an die Klägerin erteilter Auftrag erblickt werden, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Anders kann die Erklärung des Masseverwalters nicht verstanden werden, denn in der Billigung der Inkassozession liegt naturgemäß auch die Zustimmung und der Auftrag, daß der Inkassozessionar die an ihn treuhändig übertragene Forderung gegenüber dem Schuldner geltend macht.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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