OGH 1Ob124/75

OGH1Ob124/755.11.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragl, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, Webermeister in *, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei W*, Webermeister in *, vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 64.498,-- samt Anhang und Feststellung (Gesamtstreitwert S 84.489,-- samt Anhang), infolge Revision beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. April 1975, GZ. 1 R 87/75, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 20. Jänner 1975, GZ. 2 Cg 312/74-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00124.75.1105.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision des Klägers wird nicht Folge gegeben.

Der Revision des Beklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das in seinem Punkt 2 betreffend die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden im Ausmaß von 2/3 und in seinem Punkt 3 hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsmehrbegehrens (gerichtet auf Feststellung der vollen Ersatzpflicht des Beklagten) bestätigt wird, im Übrigen dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

„Der Beklagte ist schuldig dem Kläger den Betrag von S 16.466,66 samt 4 % Zinsen von S 42.675,66 vom 21. November 1973 bis 3. Mai 1974 und aus S 16.466,66 ab 4. Mai 1974 zu bezahlen.

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Zuspruch von S 48.031,34 samt 4 % Zinsen seit 21. November 1973 wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Berufungsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.989,60 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (hievon S 129,60 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Beklagte hat dem Kläger 3/5 der mit S 1.989,60 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung, sohin einen Betrag von S 1.193,76 (hievon S 77,76 Umsatzsteuer und S 144, — Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.“

 

Entscheidungsgründe:

Am Nachmittag des 26. November 1972 kam es auf einer Schiabfahrt in A* zwischen dem Kläger und dem Beklagten, die beide als Schifahrer unterwegs waren, zu einem Zusammenstoß, bei dem der Kläger schwer verletzt wurde.

Mit der Behauptung, der Beklagte habe sein Verschulden anerkannt, seine Schiunfallversicherung der zur Erfüllung der berechtigten Ansprüche des Klägers eine Frist bis 20. November 1973 gesetzt worden sei, wende aber ungerechtfertigterweise ein 50%iges Mitverschulden ein, macht der Kläger Ansprüche im Gesamtbetrag von S 90.707,– samt Nebengebühren geltend. Er begehrt weiters die Feststellung, daß ihm der Beklagte für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 26. November 1972 zu haften habe. Infolge Zahlung eines Betrages von S 26.209,-- am 3. Mai 1974 schränkte der Kläger sein Leistungsbegehren bei der ersten Tagsatzung auf S 64.498,-- samt Anhang ein.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Mit der Zahlung von S 26.209,– seien unter Berücksichtigung eines 50%igen Mitverschuldens die berechtigten Ansprüche des Klägers abgegolten.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger den Betrag von S 64.498,– samt Anhang zu bezahlen. Es sprach weiters aus, daß der Beklagte dem Kläger auch für alle künftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 26. November 1972 hafte.

Der Erstrichter traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Unfall ereignete sich im Bereich des D*-Schleppliftes in A*. Diese Schisportanlage befindet sich an einem Nordhang, der im Durchschnitt ein Gefälle von etwa 20 % aufweist, im oberen Drittel noch etwas steiler ist. Im oberen Drittel des Abfahrtshanges waren zwei Pisten angelegt, nämlich die häufiger befahrene normale Abfahrt, welche östlich der Lifttrasse verläuft und in einer Breite von etwa 40 m präpariert war, und die Familienabfahrt, welche in einem Bogen weiter nach Osten ausholt, in einer Breite von etwa 4 bis 5 m präpariert war und die am Ende des oberen Drittels des Abfahrtshanges in einem Winkel von ca. 30 Grad in die normale Abfahrtspiste einmündet. Diese Familienabfahrt war weit weniger frequentiert und auch nicht so gut präpariert wie die normale Abfahrtsstrecke; an zwei Stellen, allerdings ziemlich weit vor ihrer Einmündung in die normale Abfahrtsstrecke, war sie überhaupt nicht präpariert. Schon mindestens 50 m vor der Einmündung der Familienabfahrt in die normale Abfahrtsstrecke bestand für die Benützer beider Abfahrtsstrecken ungehinderte Einsicht von der einen auf die andere Abfahrt. Bei guten Schnee- und Sichtverhältnissen wedelte der Kläger entlang der östlichen Grenze der normalen Abfahrtspiste mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 bis 20 km/h abwärts und kam nach einem Linksschwung im Bereich der 4 bis 5 m breiten Einmündung der Familienabfahrt in die Abfahrtsstrecke mit dem Rücken zur Familienabfahrt zum Stillstand. Der Beklagte, der die Familienabfahrt benützte, hatte etwa die letzten 20 m der Fahrt des Klägers beobachtet und sich ausgerechnet, daß der Kläger die Einmündung der Familienabfahrt in die normale Abfahrtstrasse passiert haben werde, bis er in die normale Abfahrtsstrecke einfahren werde. Als der Kläger, der trotz vorsichtiger Beobachtung seiner Umgebung vor dem Abschwingen nach links niemanden auf der Familienabfahrt gesehen haben will, sich in den unteren Bereich des Einmündungstrichters stellte, als der Beklagte nur noch etwa 2 m von ihm entfernt war, leitete auch der Beklagte, um eine Kollision zu vermeiden, einen Linksschwung ein. Trotz seiner geringfügigen Geschwindigkeit – er fuhr im Fußgängertempo – rutschte er auf der schneeglatten Pistenunterlage ab und stieß auf diese Weise den Kläger nieder. Der Beklagte blieb unverletzt, wogegen der Kläger einen Splitterbruch des linken Oberschenkels erlitt. Der Kläger war vom 26. November 1972 bis 18. Dezember 1972 in stationärer Behandlung des Unfallskrankenhauses B*. Dort wurde ihm ein Oberschenkelgipsverband angelegt und eine Reposition der Fraktur vorgenommen. Nach stationärer Behandlung befand er sich noch in ambulanter Behandlung des Unfallskrankenhauses. Als ein entsprechender Heilungserfolg nicht erzielt werden konnte, suchte er das Unfallkrankenhaus F* auf, wo er im Rahmen einer stationären Behandlung vom 24. März bis 6. April 1973 wegen einer festgestellten Unterschenkelpseudarthrose operativ behandelt wurde. Infolge der erlittenen Verletzung und ihrer Folgen hatte der Kläger 8 Tage starke, 5 Wochen mittelstarke und 4 Monate leichte Schmerzen zu ertragen. Der Kläger dürfte aber darüberhinaus noch zeitweilig kurzdauernde leichte Schmerzen bei Witterungsumschlägen oder nach starker körperlicher Belastung zu ertragen haben, diese Schmerzen lassen sich jedoch nicht mehr in einzelne Intervalle einstufen. Als Dauerfolge nach der Verletzung vom 26. November 1972 finden sich beim Kläger reaktionslose Narben im Bereich des Unterschenkels und des linken Darmbeinkammes, sowie eine geringfügige Einschränkung der Dorsalflexion im linken oberen Sprunggelenk. Es besteht auch eine geringe Verbiegung des linken Unterschenkels, doch erscheint es wenig wahrscheinlich, daß daraus eine ungünstige Beeinflussung des linken Kniegelenkes erwachsen könnte. Es kann jedoch eine solch ungünstige statische Beeinflussung auf lange Sicht nicht ausgeschlossen werden. Sofern tatsächlich vorzeitige Abnützungserscheinungen im Kniegelenk auftreten sollten, könnte sie unfallsbedingt nur leichten Grades sein.

Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß den Beklagten das alleinige Verschulden am Schiunfall treffe. Die Familienabfahrt sei schon mit Rücksicht auf ihre viel schmälere Piste und die wesentlich geringere Frequenz als Nebenpiste anzusehen. Da die Familienabfahrt in einem Winkel von etwa 30 Grad in die etwa zehnmal breitere und viel mehr frequentierte Normalabfahrtspiste einmünde, habe für die Benützer der Familienabfahrt das Gebot bestanden, vor Einfahrt in die Normalabfahrt anzuhalten, jedenfalls aber durch die Einfahrt den Abfahrtsverkehr auf der Hauptpiste nicht zu behindern. Dieses Gebot hätte vom Beklagten umsomehr beachtet werden müssen, als er den Kläger etwa 20 m weit auf seiner Abfahrt bis in die Unfallsposition im Auge gehabt und demnach gesehen habe, daß er auf jeden Fall seine Abfahrt im Bereich der Einmündung der Familienabfahrt vollziehen werde. Der Beklagte habe auch sein Alleinverschulden gegenüber der Versicherung vertreten und bei der Parteienvernehmung einbekannt.

Der Kläger sei daher berechtigt, vom Beklagten Schadenersatz zu fordern. Die Fahrtkosten von 310,-- S, der Sachschaden im Betrag von S 2.108,-- und der Verdienstentgang von S 23.289,–, sohin ein Betrag von S 25.707,– stehe der Höhe nach außer Streit. Auf Grund der erlittenen Schmerzen und der Verletzungsfolgen sei auch das Schmerzengeld von S 65.000,– als angemessen anzusehen. Das eingeschränkte Leistungsbegehren bestehe daher unter Berücksichtigung der bereits bezahlten S 26.209,– voll zu Recht. Da auch weitere Unfallsschäden nicht auszuschließen seien, müsse auch das Feststellungsbegehren als gerechtfertigt erkannt werden.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung teilweise Folge. Es sprach aus, daß der Beklagte schuldig sei, dem Kläger den Betrag von S 24.262,33 samt 4 % Zinsen aus S 50.471,33 vom 21. November 1973 bis 3. Mai 1974 und aus S 24.262,33 ab 4. Mai 1974 zu bezahlen und ein Drittel der Prozeßkosten zu ersetzen (Pkt. 1). Weiters wurde die Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 26. November 1972 im Ausmaß von 2/3 festgestellt (Pkt. 2). Das Leistungsmehrbegehren von S 40.235,67 und das Feststellungsmehrbegehren (gerichtet auf volle Haftung des Beklagten) wurde abgewiesen (Pkt. 3). Das Berufungsgericht sprach weiters aus, daß der von der Abänderung betroffene Teil des Streitgegenstandes S 1.000,– übersteige.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters, erkannte jedoch der Rechtsrüge zum Teil Berechtigung zu. Es führte aus, es gebe derzeit noch keine besonderen Vorschriften über das Verhalten beim Schifahren, die etwa der Straßenverkehrsordnung entsprächen. Die von verschiedenen Institutionen und Autoren ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Schifahrer, insbesondere die sogenannten „Fis-Regeln“ oder „Eigenregeln des Schilaufes“ seien – mangels Norm-Setzungsbefugnis in Rechtsgebieten, deren Ordnung in die Kompetenz staatlicher Behörden falle – keine gültigen Rechtsnormen und könnten daher auch nicht als Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB. angesehen werden. Es handle sich sohin nur um Verhaltensempfehlungen. Auch für das Schifahren gelte jedoch der allgemeine Grundsatz, daß sich jeder so verhalten müsse, daß er keinen anderen gefährde (§§ 1295, 1297 ABGB.). Auch beim Schisport gelte der Vertrauensgrundsatz, wonach sich jeder darauf verlassen könne, daß die übrigen Pistenbenützer die natürlichen Verhaltensregeln beim Schilauf einhalten und so vorsichtig fahren, daß Kollisionen nicht geschehen. Insoweit die aufgestellten „Fis-Regeln“ oder „Eigenregeln des Schilaufs“ nur die Sorgfaltsgrundsätze zusammenfassen, die bei Ausübung des Schisportes im Interesse aller Beteiligten einzuhalten seien, komme ihnen selbstverständlich Bedeutung zu. Eine solche Regel sei die „Fis-Regel“ 5, wonach jeder Schifahrer, der in eine Abfahrtsstrecke einfahre oder ein Schigelände queren will, sich nach oben und unten zu vergewissern habe, daß er dies ohne Gefahr für sich und andere tun könne. Diese Regel treffe aber auf den vorliegenden Fall jedoch nicht vorbehaltslos zu, weil sie darauf abgestellt sei, daß jemand von einem freien Gelände in die Schipiste einfährt, der Beklagte aber gleichfalls eine präparierte Schipiste benützt habe. Es komme daher der „Fis-Regel“ 6 Bedeutung zu, wonach jeder Schifahrer es vermeiden müsse, sich ohne Not an engen oder unübersichtlichen Stellen einer Abfahrtsstrecke aufzuhalten. Nun hätten nach den getroffenen Feststellungen beide Fahrer schon mindestens 50 m vor der Einmündung der Familienabfahrt ungehinderte Einsicht in die andere Abfahrtsstrecke gehabt. Das Zusammentreffen der beiden Abfahrten sei ein besonderer Gefahrenpunkt für eine Kollision gewesen, umsomehr als die Familienabfahrt nur in 4 bis 5 m Breite präpariert gewesen sei. Es hätte sich daher sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten die Notwendigkeit ergeben, vor dem Zusammentreffen der beiden Pisten anzuhalten, wenn auf Grund der Fahrweise der beiden die Möglichkeit bestanden habe, daß sie zur ungefähr gleichen Zeit am Einmündungspunkt ankommen. Daß der Kläger den auf der Familienabfahrt herankommenden Beklagten nicht bemerkt habe, gehe zu seinen Lasten, da er immerhin im Begriffe gewesen sei, eine Abfahrtsstrecke (Familienabfahrt) allenfalls zu überqueren und sich daher zu überzeugen hatte, daß er dies ohne Gefahr für sich und andere tun könne. Es sei auch unrichtig gewesen, daß er ausgerechnet im Einmündungstrichter stehengeblieben sei, anstatt die Einmündung der Familienabfahrt zu passieren. Im vorliegenden Fall müsse jedoch bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt werden, daß der Beklagte, der aus einer schmalen, wesentlich weniger befahrenen Abfahrt, die zwangsläufig allgemein als Nebenabfahrt qualifiziert werde, zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen sei. Es könne zwar nicht von einem Vorrang auf der Normalpiste die Rede sein, es sei aber allgemein bekannt, daß bei Einfahrten aus wenig frequentierten schmalen Pisten in besonders breite und stark befahrene Pisten von den Schiläufern auf der Hauptpiste erwartet werde, daß sich solche Schifahrer so verhalten, als wenn sie vom Pistenrand einfahren würden. Die Gegenüberstellung des Verschuldens beider beteiligten Schiläufer lasse eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten des Beklagten gerechtfertigt erscheinen. Darüberhinaus erscheine auch das dem Kläger zuerkannte Schmerzengeld als überhöht. Unter Berücksichtigung der festgestellten Verletzungen des Klägers, des Schmerzkomplexes und des erlittenen Ungemaches könne unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle ein Schmerzengeld von S 50.000,— als angemessen angesehen werden. Der Schadenersatzanspruch des Klägers sei sohin wie folgt festzulegen:

unbestrittener Schaden 25.707,– S

Schmerzengeld 50.000,– S

Summe 75.707,– S

davon ab 1/3 Eigenverschulden 25.235,67 S

ergibt 50.471,33 S

davon ab die Zahlung 26.209,– S

Restbetrag 24.262,33 S.

 

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Streitteile.

Der Kläger bekämpft das Urteil in seinem klagsabweisenden Teil mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß der Beklagte schuldig erkannt werde, einen Betrag von S 64.498,– zu bezahlen und die Prozeßkosten zu ersetzen.

Der Beklagte ficht das Berufungsurteil in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teile an und stellt den Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren seinem gesamten Inhalte nach abgewiesen werde, in eventu wird beantragt, daß der Beklagte schuldig erkannt werde, dem Kläger den Betrag von S 12.164,– samt Anhang zu bezahlen.

Die Parteien haben beantragt, dem Rechtsmittel des Gegners den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist teilweise, jene des Klägers ist nicht gerechtfertigt.

Der Beklagte wendet sich in seinem Rechtsmittel gegen die vom Berufungsgericht getroffene Verschuldensaufteilung und führt aus, daß bei der gegebenen Sachlage die Annahme gleichteiligen Verschuldens der Streitteile gerechtfertigt sei. Der Kläger habe dadurch, daß er im Einmündungsgebiet der Familienabfahrt stehengeblieben sei, gegen natürliche Verhaltensregeln des Schilaufs verstoßen; ein Vorrang als Benützer der stark frequentierten Piste sei ihm nicht zugekommen. Diesen Ausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Untergerichte sind zutreffend davon ausgegangen, daß es derzeit noch keine Vorschrift über das Verhalten beim Schifahren gibt, die etwa der Straßenverkehrsordnung entspricht und daß demnach die von verschiedenen Organisationen und Fachleuten ausgearbeiteten Verhaltensrichtlinien für Schifahrer keine Rechtsnormen sind, daß aber andererseits jeder Schifahrer auf alle anderen Teilnehmer am Schibetrieb Rücksicht nehmen und schon nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen (der §§ 1295 ff ABGB.) sich so verhalten muß, daß er keinen anderen gefährdet. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizustimmen, daß beide Parteien diese Grundregel verletzt haben, weil es bei der Fahrt beider unter Bedachtnahme auf den anderen mangels besonders erschwerender äußerer Umstände zu keinem Zusammenstoß hätte kommen können. Das Berufungsgericht hat überdies richtig erkannt und überzeugend dargelegt, daß dem Beklagten zur Last fällt, in die wichtigere und bedeutsame Abfahrtsstrecke eingefahren zu sein, ohne sich vergewissert zu haben, daß er dies ohne die Gefahr für sich und andere tun könne. Wenn auch von einer Vorrangregel im eigentlichen Sinn im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden kann, so kann auch beim Schilauf eine dem § 19 Abs 6 StVO durchaus vergleichbare Situation entstehen (vgl. Pichler, Pisten, Paragraphe, Schiunfälle, 48). Es ist daher auch vom Beklagten als dem Benützer einer untergeordneten Schipiste, der in eine Piste von überwiegender Bedeutung einfuhr, ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit zu fordern (so auch schon 6 Ob 89/73). Dem Beklagten war aber bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar, daß der die Hauptpiste benützende Kläger seine Fahrspur kreuzen werde. Er hatte sich daher rechtzeitig auf diesen Umstand einzustellen. Im Übrigen wäre es auch bei Fortsetzung der Fahrt durch den Beklagten zu einer Kollision gar nicht gekommen. Der Unfall ereignete sich ja dadurch, daß der Beklagte verspätet abzuschwingen trachtete und dabei auf dem glatten Pistenuntergrund abrutschte und mit dem zum Stillstand gekommenen Kläger kollidierte. Bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens ist in der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß den Beklagten ein größeres Maß an Verschulden trifft und in der Ausmessung der Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 2 zum Nachteil des Beklagten eine Fehlbeurteilung nicht zu erkennen. Dies führt zur Bestätigung des Punktes 2.) des angefochtenen Urteils sowie der Teilabweisung hinsichtlich des Feststellungsmehrbegehrens. Die Berechtigung des Feststellungsbegehrens an sich ist schon deshalb zu bejahen, weil Dauerfolgen nach den vom Erstrichter getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen jedenfalls nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Durch eine ungünstige statische Beeinflussung des Kniees könnten nämlich vorzeitige arthrotische Abnützungserscheinungen, wenn auch nur leichten Grades, auftreten. Im Übrigen wurde die Berechtigung des Feststellungsbegehrens an sich in der Berufung nicht bekämpft.

Freilich rügt der Beklagte zu Recht, daß dem Berufungsgericht bei der Schadensberechnung ein Fehler unterlaufen ist. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß der Verdienstentgang mit S 23.289,– (Gesamtverdienstentgang S 59.584,– abzüglich Sozialversicherungsleistungen in Höhe von S 23.387,– und Dienstgeberleistungen in Höhe von S 12.908,–) und Sachschäden sowie Aufwendungen für Fahrtauslagen im Betrage von S 2.418,– sohin insgesamt einen Schadensbetrag von S 25.707,– außer Streit stehe. Tatsächlich trifft dies jedoch nach dem Inhalt der Klagebeantwortung (S. 14 d.A.) und unter Bedachtnahme auf die Rechtsmittelausführungen nur hinsichtlich der einzelnen Komponenten dieses Betrages zu, doch ist zu berücksichtigen, daß dem Kläger ein Mitverschulden zur Last fällt. Nun sind im Schadenersatzprozeß des sozialversicherten Geschädigten gegen den Schädiger vom Schadensbetrag zunächst alle unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigenden Leistungen Dritter, wie insbesondere das vom Arbeitgeber bezahlte Krankenentgelt in Abzug zu bringen, sodann die verbleibende Differenz dem Mitverschuldensverhältnis entsprechend zu teilen und vom verbleibenden Betrag die (ganze) Sozialversicherungsleistung in Abzug zu bringen (vgl. die zahlreichen Entscheidungen in MGA ABGB29 § 1304/13).

Im vorliegenden Fall bedeutet dies:

 

Verdienstentgang (s. oben) S 59.584,‑‑

vom Dienstgeber erbrachte Leistungen S 12.908,‑‑

S 46.676,‑‑

ab 1/3 wegen Mitverschuldens S 15.558,67

S 31.117,33

abzüglich Sozialversicherungsleistungen S 23.387,‑‑

Summe S  7.730,33

 

 

Weitere gerechtfertigte Ansprüche des Klägers:

 

Schmerzengeld S 50.000,‑‑

Sachschäden und Fahrtauslagen S  2.418,‑‑

S 52.418,‑‑

abzüglich 1/3 Mitverschulden S 17.472,67

S 34.945,33

 

Auf den sohin gebührenden Betrag von insgesamt S 42.675,66 hat der Kläger am 3. Mai 1974 S 26.209,– erhalten, sodaß noch ein Restbetrag von S 16.466,66 gebührt. Nur dieser Betrag ist dem Kläger einschließlich stufenweise berechneter Zinsen zuzusprechen, wogegen das darüberhinausgehende Mehrbegehren von S 48.031,34 samt Anhang abzuweisen war.

Der Kläger wendet sich gegen die vom Berufungsgericht getroffene Verschuldensteilung und meint, daß ihm überhaupt kein Verschulden zur Last falle. Dieser Ansicht kann aber nicht beigetreten werden. Es genügt diesbezüglich auf obige Ausführungen und die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen, wonach der Kläger im Einmündungsbereich einer Piste zum Stillstand gekommen ist, ohne darauf Bedacht zu nehmen, daß sich auf dieser Piste der Beklagte nähert. Darin ist jedenfalls ein Verschulden des Klägers zu erblicken, Wenn der Kläger auch die Hauptpiste benützte, so blieb doch seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme und Vermeidung von Kollisionsunfällen unberührt. Da er zufolge mangelnder Aufmerksamkeit den herankommenden Beklagten überhaupt nicht wahrgenommen hat, fällt auch ihm ein Verschulden zur Last, das vom Berufungsgericht mit 1/3 zutreffend ausgemessen wurde. Aber auch die Bemessung des Schmerzengeldes mit S 50.000,– begegnet keinen Bedenken. Es entspricht dies auch unter Bedachtnahme auf eine gewisse Geldentwertung jenen Beträgen, die in vergleichbaren Fällen zugesprochen wurden (vgl. Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld Nr. 747 und 751). Die Dauer des Spitalsaufenthaltes kann bei der Ausmessung des Schmerzengeldes ebensowenig entscheidend ins Gewicht fallen, wie die achtmonatige Arbeitsunfähigkeit; für den zufolge der Arbeitsunfähigkeit erlittenen Schaden wurde dem Kläger ja der entgangene Verdienst zugesprochen. Was die Dauerfolgen betrifft, so kann bei Auftreten von Komplikationen ein neues Schmerzengeld begehrt werden. Derzeit kann hierauf jedoch nicht Bedacht genommen werden.

Demzufolge war der Revision des Klägers der Erfolg zu versagen.

Bei der Kostenbemessung waren die Kosten des Verfahrens der Unterinstanzen auf der Basis des endgültig erzielten Erfolges aufzuteilen, wogegen für die Kosten des Revisionsverfahrens die Rechtsmittel unabhängig nach ihrem Erfolg zu beurteilen waren (vgl. Fasching, II, 354 f.). Nun ersiegte der Kläger bis zur ersten Tagsatzung bei einem Streitwert von S 110.707,– (S 90.707,– Leistungsbegehren und S 20.000,– Feststellungsbegehren) insgesamt S 56.008,66 (bezahlt S 26.209,–, zugesprochen S 16.466,66 und S 13.333,– Feststellungsbegehren). Ab der ersten Tagsatzung steht einem Gesamtbegehren von S 84.498,– ein ersiegter Betrag von S 29.799,66 gegenüber. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß die Abweisung des Mehrbegehrens an Schmerzengeld in Höhe von S 15.000,– nicht entscheidend ins Gewicht fällt, weil hiebei von einer offenbaren Überklagung nicht gesprochen werden kann. Dies rechtfertige Aufhebung der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.

Im Revisionsverfahren hat der Beklagte bei einem Streitwert von S 37.595,66 (Leistungsausspruch S 24.262,33 und S 13.333,33 Feststellungsausspruch) mit S 7.795,67 obsiegt, sodaß er dem Kläger 3/5 der Kosten der Revisionsbeantwortung (sohin S 1.193,76) zu ersetzen hat. Die Revision des Klägers hingegen blieb erfolglos. Er hat demgemäß dem Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung auf der Basis des Streitwerts des Revisionsverfahrens in der Höhe von S 46.902,34 (Leistungsbegehren S 40.235,67 und Feststellungsbegehren S 6.666,67), sohin einen Betrag von S 1.989,60 zu bezahlen.

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