European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB00162.75.1021.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 1.749,60 (einschließlich S 129,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der am * von M*, nunmehr verehelichte F*, unehelich geborene Kläger begehrte, den Beklagten als seinen Vater festzustellen und zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 750,‑‑ zu verurteilen, da er ihn gezeugt habe.
Der Beklagte begehrte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß die Mutter des Klägers in der kritischen Zeit mit drei anderen Männern, darunter ihrem nunmehrigen Ehegatten, niemals aber mit ihm geschlechtlich verkehrt habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Mutter des Klägers hatte am 27. März 1972 die letzte Regel vor der am * erfolgten Geburt des Klägers. Der Kläger wog bei seiner Geburt 2750 g und war 50 cm groß; die Reifemerkmale waren bei ihm nicht voll ausgebildet, er war jedoch keine ausgesprochene Frühgeburt. In der gesetzlichen Vermutungsfrist vom 11. Februar 1972 bis 11. Juni 1972 hatte die Mutter des Klägers nur mit dem Beklagten Geschlechtsverkehr, bzw. wurde dieser am 3. April 1972 (Ostermontag) auf dem Beifahrersitz des Personenkraftwagens des Beklagten vollzogen.
Nach dem Sachverständigengutachten des Univ. Prof. Dr. Wolfgang Maresch steht fest, daß auf Grund der klassischen Blutgruppe, der Faktoren MNSs, der Rhesusteilfaktoren , im P-, Kell- und Duffy‑System ebenso wie nach der Verteilung der Serumeigenschaften der Haptoglobine, der Serumeigenschaften Gma, Gmx, InV1, des Gc‑Systems sowie der Verteilung der Enzymtypen SEP. und PGM. der Beklagte als Erzeuger des klagenden Minderjährigen nicht ausgeschlossen werden kann und daß auf Grund der Labhardt’schen statistischen Untersuchungen eine Zeugung des Klägers zwischen dem 29. Februar und dem 29. März 1972 am wahrscheinlichsten ist. Der Zeugungstag (3. April 1972) liegt wenige Tage außerhalb dieses Zeitraumes der höchsten Wahrscheinlichkeit, in der sogenannten Labhardt’schen Dekade, für die immerhin noch eine Wahrscheinlichkeit von 5,65 % spricht. Es ist daher der Beklagte nicht von der Vaterschaft zum Kläger auszuschließen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Erstgerichtes hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht wiederholte teilweise die Beweise, übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und erachtete die geltend gemachten Anfechtungsgründe (Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung) als nicht gegeben.
Gegen das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Hauptantrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Klage abgewiesen wird, und dem Eventualbegehren, es aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Berufungsverfahrens an das Gericht zweiter Instanz, allenfalls auch nach Aufhebung des Urteiles der ersten Instanz an dieses zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Als Nichtigkeitsgrund – in eventu auch als Mangelhaftigkeit des Verfahrens –wird vom Revisionswerber geltend gemacht, daß die Beweisaufnahme durch den beauftragten Richter des Berufungssenates bei dem für den 17. Juni 1975 anberaumt gewesenen Termin zur Vornahme eines Lokalaugenscheines in Abwesenheit seines Rechtsvertreters durchgeführt worden sei, obwohl dieser wegen Terminkollision vorher einen Vertagungsantrag gestellt habe, über den aber nicht entschieden worden sei.
Es kann jedoch nicht von einer Verletzung des Rechtes des Beklagten auf Teilnahme an einer gerichtlichen Verhandlung (§ 477 Abs. 1 Z. 4 ZPO) gesprochen werden, weil sein Rechtsvertreter vor Erledigung des angeblichen Vertagungsantrages nicht mit der Abberaumung des Verhandlungstermines rechnen durfte und jedenfalls nicht einmal behaupten kann, daß ihm die Möglichkeit zu einer Substitution genommen war. In der Durchführung der Beweistagsatzung in Abwesenheit des Beklagtenvertreters vor dem beauftragten Richter des Berufungssenates kann deshalb weder ein einfacher noch ein durch Nichtigkeit qualifizierter Verfahrensmangel liegen.
Die Ablehnung der nachträglichen Beeidigung des vom Berufungsgericht vorläufig unbeeidet vernommenen Zeugen A* erfolgte gemäß § 338 Abs. 2 ZPO infolge der auch im Urteil des Berufungsgerichtes begründeten Überzeugung von seiner mangelnden Glaubwürdigkeit. Von einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens kann deshalb keine Rede sein.
Schließlich stellt die Unterlassung der mündlichen Erörterung der schriftlichen Gutachten keinen Verfahrensmangel dar, denn es ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, allein ins pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes gelegt, ob es die schriftliche oder mündliche Begutachtung anordnet (§ 357 ZPO; Fasching III, 491; 4 Ob 601/72). Im übrigen handelt es sich bei der Beurteilung eines Gutachtens um eine Frage der Beweiswürdigung, die dem Obersten Gerichtshof entzogen ist. Hat daher das Gericht zweiter Instanz den beiden Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Maresch – der allerdings nicht alle als beweiskräftig anerkannten Faktoren (dazu Herbich, RZ 1975, 127 ff) in die serologische Untersuchung einbezogen hat – zureichende Schlüssigkeit zuerkannt, dann kann darüber der Oberste Gerichtshof nicht mehr befinden (in diesem Sinne 7 Ob 318/64).
Im übrigen erschöpfen sich die Ausführungen des Revisionswerbers in einer unzulässigen Bekämpfung der einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogenen Sachverhaltsfeststellungen der Unterinstanzen bezüglich der Beiwohnung des Beklagten an der Mutter des Klägers in der kritischen Zeugungszeit, sodaß darauf nicht näher einzugehen ist.
Geht man jedoch von der Feststellung der Unterinstanzen aus, daß der Beklagte der Mutter des Klägers am 3. April 1972 beigewohnt hat, dann ist mangels Ausschlusses der Zeugungsunmöglichkeit durch den Beklagten von dessen vom Gesetz vermuteter Vaterschaft zum Kläger auszugehen (§ 163 ABGB).
Der Revision des Beklagten war aus diesen Erwägungen der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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