European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00146.75.0924.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Der Kläger ließ durch die beklagte Partei nach einem Brand im Kamin seiner Zentralheizungsanlage Sanierungs- und Verbesserungsarbeiten durchführen. Mit der Behauptung, diese Arbeiten seien unsachgemäß ausgeführt worden, sie hätten nicht den baupolizeilichen Vorschriften entsprochen, begehrte der Kläger in der Klage die Rückzahlung des Werklohnes von S 18.334 samt Anhang. Er behielt sich jedoch vor, alle durch den erforderlich gewordenen Ausbau der von der beklagten Partei in den Schornstein eingezogenen metallenen Rohrleitungen und die Wiederherstellung des Kamins über den begehrten Rechnungsbetrag hinausgehende Auslagen aus dem Titel des Schadenersatzes zu beanspruchen.
Die Beklagte bestritt eine unsachgemäße oder vorschriftswidrige Ausführung der Sanierungsarbeiten. Die von ihr eingebauten unisolierten Edelstahlrohre seien für die gegenständliche Heizungsanlage hinreichend hitzebeständig. Das Werk sei in einer dem Stande der Technik und den bestehenden Vorschriften entsprechenden Weise völlig ordnungsgemäß ausgeführt worden. Als im Zuge des Verfahrens hervorkam, daß die von der beklagten Partei für die durchgeführten Sanierungsarbeiten gelegte Rechnung nicht vom Kläger, sondern von dessen Versicherer, der E*-Versicherungs-AG, bezahlt worden war, bestritt die beklagte Partei unter Hinweis auf diesen Umstand auch die Aktivlegitimation des Klägers zur Rückforderung des bezahlten Betrages.
Nach Erstattung eines Sachverständigengutachtens dehnte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21. Februar 1975 sein Begehren um S 6.876 auf insgesamt S 25.210 samt Anhang aus. Er verlangte den Ersatz dieser für die Wiederherstellung des Kamins (durch die Firma Ing. G*) erforderlichen Auslagen aus dem Titel des Schadenersatzes an Stelle der ursprünglichen Klagsforderung. Im einzelnen führte der Kläger aus, der von der beklagten Partei errichtete Kamin sei wegen zu geringer Dimensionierung nicht mehr verwendbar gewesen, abgesehen davon, daß er den Bestimmungen der NÖ. Bauordnung nicht entsprochen habe. Es sei daher ein neuer Kamin errichtet worden, weil der Neubau billiger und zweckmäßiger gewesen sei als die Entfernung der Metallrohre und die Herstellung der richtigen Dimensionen des Rauchfangs (S. 53, 63 d.A.).
Die beklagte Partei erblickte in diesem Vorbringen des Klägers eine Klagsänderung, gegen deren Zulassung sie sich wegen der damit verbundenen erheblichen Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens aussprach.
Das Erstgericht ließ mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß die Klagsänderung auf Bezahlung des Betrages von S 25.210 samt Anhang nicht zu, und wies das ursprünglich gestellte Klagebegehren ab. Zur Frage der Klagsänderung führte es aus, daß die bloße Änderung der rechtlichen Qualifikation allein keine Klagsänderung darstelle, solange sie nicht mit einer Änderung der vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen verbunden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob das ursprüngliche Klagebegehren als Gewährleistungsanspruch oder als Schadenersatzbegehren aufzufassen sei. Jedenfalls liege eine Klagsänderung dann vor, wenn der neue Anspruch nicht aus denselben rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet werde, sondern zu seiner Begründung neue Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden. Dies sei hier der Fall. Das ursprüngliche Klagsbegehren sei auf Rückzahlung des Entgeltes für das Einziehen von Metallrohren in den Kamin gerichtet gewesen, die auf Grund behördlicher Vorschriften nicht hätten eingebaut werden dürfen und jedenfalls ausgebaut werden müßten. Nunmehr habe der Kläger aber weiter vorgebracht, daß die Entfernung der Metallrohre und die Wiederinstandsetzung des Kamines teurer gekommen wäre als der Neubau des Kamines an anderer Stelle, weshalb die Mängelbehebung durch die Firma G* in dieser letzteren Art durchgeführt worden sei. Die Prüfung dieser weiteren zur Begründung des neuen Anspruches aufgestellten Tatsachenbehauptungen würden jedoch ein umfangreiches Beweisverfahren erfordern, während das ursprüngliche Klagebegehren im Hinblick auf die außer Streit gestellte Tatsache, daß die Zahlung des zunächst geforderten Werklohnes von S 18.334 nicht durch den Kläger, sondern durch dessen Versicherer, die E*-AG erfolgte, im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif sei.
Gegen Beschluß und Urteil des Erstgerichtes erhob der Kläger „Rekurs bzw. Berufung“.
Mit dem angefochtenen Beschluß wurde dem Rechtsmittel des Klägers, soweit es als Rekurs gegen den Beschluß über die Klagsänderung aufzufassen ist, Folge gegeben und der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes dahin abgeändert, daß die Klagsänderung zugelassen wurde. Eine Entscheidung über die gleichzeitig erhobene Berufung wurde nicht getroffen. Das Rekursgericht führte aus, es sei dem Erstgericht darin beizupflichten, daß das nunmehrige Begehren des Klägers auf Ersatz der weiteren Aufwendungen für die Herstellung eines neuen Kamines an Stelle der Rückforderung des der beklagten Partei bezahlten Werklohnes ohne Rücksicht darauf, ob bereits das ursprüngliche Begehren als Schadenersatzanspruch aufzufassen war, wegen der neuen Tatsachenbehauptungen und der darauf gestützten Erweiterung des Klagebegehrens eine Klagsänderung darstelle. Eine solche sei gemäß § 235 Abs. 3 ZPO ungeachtet der Einwendung des Gegners zuzulassen, wenn aus der Änderung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen sei. Der Rechtsansicht des Erstrichters, daß dem Kläger die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des zunächst erhobenen Klagsanspruch fehle, weil der Werklohn nicht vor ihm, sondern von der E*-Versicherungs-AG. geleistet worden sei und die Sache demnach im Sinne der Klagsabweisung entscheidungsreif sei, könne jedoch nicht beigepflichtet werden. Der Rückforderungsanspruch sei auf die fehlerhafte Ausführung eines Werkvertrages gestützt und somit aus einer Vertragsverletzung abgeleitet worden. Zur Geltendmachung von Ansprüchen, die aus einer Vertragsverletzung herrühren – gleichgültig ob diese aus dem Titel der Gewährleistung oder des Schadenersatzes erhoben werden – sei jedenfalls der Vertragspartner berechtigt, und zwar auch dann, wenn die zurückgeforderte vertragliche Leistung nicht von ihm selbst, sondern für ihn von einem Dritten erbracht wurde. Der Umstand, daß nicht der Kläger, sondern die E*-Versicherungs-AG. den Werklohn bezahlt habe, beseitige somit nicht die Berechtigung des Klägers als Besteller des Werkes wegen dessen angeblicher Unbrauchbarkeit den Werklohn zurückzufordern. Es hätte demnach eine sachliche Prüfung des beiderseitigen Prozeßvorbringens erfolgen müssen, was bisher nicht geschehen sei. Die Zulassung der Klagsänderung führe unter diesen Umständen nicht zu einer erheblichen Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens, insbesondere wenn bedacht werde, daß auch das jetzt vom Kläger erhobene Begehren zum Großteil auf den ursprünglichen Tatsachenbehauptungen aufbaue, deren Prüfung also, soweit sie bisher erfolgt sei (durch Einholung des Sachverständigengutachtens), nach wie vor von Bedeutung bleibe, und das weiters im Falle der Verweigerung der Klagsänderung ein doppelter Prozeßaufwand entstehen würde, weil dann in einem weiteren Verfahren weithin dieselben Anspruchsvoraussetzungen nochmals geprüft werden müßten. Die mangelnde Spruchreife des ursprünglichen Begehrens und prozeßökonomische Gründe sprächen für die Zulassung der Klagsänderung.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den erstgerichtlichen Beschluß, mit dem die Klagsänderung nicht zugelassen wurde, wiederherzustellen, in eventu den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß dem Rechtsmittel des Klägers, insoweit es als Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß über die Klgsänderung aufzufassen ist, nicht Folge gegeben und der erstgerichtliche, die Klagsänderung nicht zulassende Beschluß bestätigt werde.
Rechtliche Beurteilung
Dem Revisionsrekurs kommt Berechtigung nicht zu.
Das vom Kläger gegen das erstgerichtliche Urteil erhobene Rechtsmittel und die von der zweiten Instanz getroffene Erledigung geben zunächst Anlaß zu folgenden prozessualen Bemerkungen: Der Erstrichter hat zutreffend den Beschluß, womit er die vom Kläger vorgenommene Klagsänderung nicht zuließ, in die Hauptsachenentscheidung aufgenommen (vgl. Fasching, Komm III, 123, ZBl 1926 Nr 43). Der Kläger bekämpfte diese Entscheidung mit „Rekurs bzw. Berufung“, wobei er den Rekurs gegen die beschlußmäßige Erledigung darauf gründete, daß eine Klagsänderung überhaupt nicht vorliege und demgemäß der Erstrichter über das am Schluß der mündlichen Streitverhandlung gestellte Begehren auf Zuspruch von S 25.210 zu entscheiden gehabt hätte. Wenn, wie hier, die gemeinsam ergangene Entscheidung des Erstgerichtes über Klagsänderung und in der Sache selbst sowohl durch Berufung als auch durch Rekurs angefochten wird, dann hat das Rechtsmittelgericht zunächst über den Rekurs zu entscheiden. Erachtet es die Klagsänderung für zulässig, dann hat es, wenn die Tatsachenfeststellungen des erstgerichtlichen Urteiles ausreichen, der Entscheidung über die Berufung sofort die geänderte Klage zugrunde zu legen. Reichen aber die Sachgrundlagen nicht für die Entscheidung über die infolge Berechtigung des Rekurses abgeänderte Klage aus, so hat das Berufungsgericht in Stattgebung des Rekurses die Klagsänderung zuzulassen, und in Erledigung der Berufung das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben und diesem die Entscheidung über die geänderte Klage aufzutragen (Fasching aaO 124). Im vorliegenden Fall hat die zweite Instanz in Erledigung des Rekurses des Klägers, ausgehend von der Rechtsansicht, daß eine Klagsänderung vorliege, diese zugelassen. Es hätte zwar damit sofort auch die Erledigung über die Berufung verbinden können, die ja im Hinblick auf den Mangel der Spruchreife nur dahin hätte lauten können, daß das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wird, doch hindert die unterlassene Erledigung der Berufung nicht die Entscheidung über den vorliegenden Revisionsrekurs der Beklagten. Es liegt eine abändernde Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht vor, so daß der Revisionsrekurs jedenfalls zulässig ist (§ 528 ZPO).
In der Sache selbst erklärt der Rekurswerber ausdrücklich, die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, wonach im vorliegenden Fall eine Klagsänderung vorliege, nicht zu bekämpfen. Die Klagsänderung sei aber deshalb nicht zuzulassen gewesen, weil im Hinblick auf die durch den Versicherer des Klägers bewirkte Zahlung Spruchreife im Sinne der Abweisung des ursprünglich gestellten Klagebegehrens vorliege, jedenfalls aber, selbst wenn man diese Rechtsmeinung nicht billigte, das Verfahren wesentlich erschwert würde, weil zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere hinsichtlich des Verschuldens der beklagten Partei erforderlich würden. Diesen Ausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Da das Rekursgericht bei der Beurteilung der Sache keineswegs an die zur Unterstützung des Rekurses vorgebrachten Beschwerdegründe gebunden ist, sondern den angefochtenen Beschluß in jeder Hinsicht auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfen hat (Fasching, IV 384, 385 und die dort zitierte Judikatur), enthebt auch die Erklärung des Rekurswerbers, die Annahme des Rechtsmittelgerichtes, es liege eine Klagsänderung vor nicht zu bekämpfen, nicht von der Prüfung der Frage, ob dies tatsächlich zutrifft. Die Klagsänderung im Sinne der Bestimmung des § 235 ZPO ist aber nicht nur darin zu erblicken, daß das Klagebegehren von S 18.334 auf S 25.210 ausgedehnt wurde, sondern, wie Erstgericht und Rekursgericht zutreffend erkannt haben, darin, daß zur Stützung des erweiterten Begehrens auch ein zusätzlicher rechtsbegründender Sachverhalt vorgetragen wurde (Fasching, III. 117). Es ist daher davon auszugehen, daß der Kläger im Verfahren erster Instanz eine Klagsänderung vorgenommen hat. Dagegen wendet sich der Beklagte zunächst mit dem Hinweis auf die Spruchreife des ursprünglichen Klagebegehrens. Diesbezüglich wird nunmehr im Rekurs der Standpunkt vertreten, daß die Bestimmung des § 67 VVG der Berechtigung des Klagebegehrens entgegenstehe. Der Anspruch des Klägers sei zufolge der Zahlung durch den Versicherer gemäß der vorgenannten Gesetzesbestimmung auf diesen übergegangen, zumal nach Lehre und Rechtsprechung auch Gewährleistungsansprüche und Regreßansprüche von der Legalzession umfaßt würden. Diesen Ausführungen ist jedoch entgegenzuhalten, daß im Verfahren vor dem Erstgericht ein Sachvorbringen, welches die Annahme einer Legalzession des geltend gemachten Anspruchs des Klägers rechtfertigen würde, nicht erstattet worden ist. Vorgebracht wurde ja lediglich (vgl. ON. 7 d.A.), daß der Klagsbetrag von S 18.334 vom Versicherer des Klägers bezahlt worden ist. Es wurde aber nicht behauptet, daß dem Kläger aus dem Schadensfall (erster Kaminbrand), für den der Versicherer offenbar Zahlung geleistet hat, gegenüber der Beklagten ein Ersatzanspruch im Sinne der § 67 VVG zustünde. Nach dem Vorbringen des Klägers entstand ja im Jahre 1972 in seiner Zentralheizungsanlage ein Kaminbrand, wobei die beklagte Partei mit der Behebung der aufgetretenen Schäden beauftragt wurde. Der Versicherer des Klägers zahlte an die beklagte Partei die Kosten dieser Schadensbehebung in Höhe von S 18.334. Die Ansprüche des Klägers gegenüber der beklagten Partei leiten sich nun aus der mangelhaften Erfüllung des abgeschlossenen Werkvertrages ab es sei weder behauptet worden noch auch im Verfahren hervorgekommen, daß die beklagte Partei für den ursprünglichen ersten Brandschaden, der erst zur Auftragserteilung an sie geführt hat und für den der Versicherer Ersatz geleistet hat, haftbar wäre. Was aber den weiteren Einwand betrifft, daß das Verfahren durch die Zulassung der Klagsänderung erschwert würde, so ist darauf zu verweisen, daß nach Lehre und Rechtsprechung eine Klagsänderung immer dann zuzulassen ist, wenn sie einen zweiten Prozeß erspart, ohne daß dadurch der erste Rechtsstreit unbillig erschwert oder verzögert wird (SZ 43/35, JBl 1973, 43 ua, Fasching III 122). Klagsänderungen sind tunlichst zuzulassen, wenn die Klagsänderung die endgültige und erschöpfende Bereinigung des Streitverhältnisses zwischen den Parteien zum Ziel, hat und auch inhaltlich geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen (SZ 27/167). Im vorliegenden Fall kommt dabei dem Umstand Bedeutung zu, daß Spruchreife, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, auch dann nicht vorliegt, wenn man vom ursprünglichen Klagebegehren ausgeht. Der Umstand, daß der Werklohn nicht vom Kläger selbst, sondern für ihn von einem Dritten bezahlt wurde, hindert nicht die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Werkvertrag durch den Kläger. Es trifft auch zu, daß in einem zweiten Verfahren weithin dieselben Anspruchsvoraussetzungen nochmals geprüft werden müßten, so daß der bisher getätigte Verfahrensaufwand frustriert wäre. Daß durch die Klagsänderung das Verfahren voraussichtlich eine Erweiterung erfahren wird, weil nunmehr auch zu prüfen sein wird, ob die Errichtung des neuen Kamins einen gerichteren Aufwand erforderte als die Reparatur des alten Kamins und auch die Verschuldensfrage von Bedeutung sein wird, fällt nicht entscheidend ins Gesicht. Eine erhebliche Erschwerung bzw. Verzögerung der Verhandlung ist nicht zu besorgen, andererseits wird dadurch auch die endgültige Bereinigung des streitigen Rechtsverhältnisses in rascher und ökonomischer Weise ermöglicht.
Demzufolge war aber dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.
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