European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00119.75.0626.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 887,36 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (davon S 63,36 Umsatzsteuer und S 32,– Barauslagen) sowie die mit S 1.122,43 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 76,03 Umsatzsteuer und S 96,– Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 14. 7. 1972 wurde in L* vor dem Haus E* der dort abgestellte Personenkraftwagen des Klägers durch das daneben abgestellte Moped des Erstbeklagten beschädigt. Dadurch entstand dem Kläger ein Schaden von S 3.500,–. Die Ersatzforderung wurde mit Schreiben vom 22. 11. 1973 geltend gemacht. Der Erstbeklagte war Halter, die Zweitbeklagte Haftpflichtversicherer des genannten Mopeds.
Der Kläger verlangt von den Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung von S 3.500,– samt 4 % Zinsen seit 23. 11. 1973. Er behauptet, der Beklagte habe sein Moped so unsachgemäß aufgestellt, daß es später von selbst umgefallen sei und dabei den Wagen des Klägers beschädigt habe. Er stützte die Klage aber auch auf die Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (siehe Seite 18).
Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Sie behaupteten, das Moped des Erstbeklagten sei zur Unfallszeit vorschriftsmäßig abgestellt gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagsbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:
Die E*straße ist eine Einbahnstraße in Richtung vom Schillerplatz zum Volksgarten. Sie ist zu den Fahrbahnrändern hin stark bombiert. Der Erstbeklagte stellte sein Moped gegen 13 Uhr schräg zur Fahrbahn in einem Abstand von höchstens 1 m vor dem am linken Fahrbahnrand abgestellten Personenkraftwagen des Klägers ab. Ob zu diesem Zeitpunkt ein weiterer Personenkraftwagen in einem Abstand von 1 oder 2 m vor dem Wagen des Klägers bereits abgestellt war, kann nicht festgestellt werden. Das Moped wurde auf dem Mittelständer abgestellt. Diese Aufstellung ist auf einem stark bombierten Straßenstück so labil, daß das Moped bei einem heftigen Windstoß, durch die Erschütterung eines vorbeifahrenden Lastkraftwagens oder den Anstoß eines Fußgängers umfallen kann.
Um 14 Uhr 15 stellte der Kläger fest, daß das Moped umgefallen war und auf der Vorderfront seines Fahrzeuges lag. Es kann nicht festgestellt werden, auf welche Weise das Umfallen des Mopeds bewirkt wurde, wie etwa durch eine von einem Lastkraftwagen hervorgerufene Erschütterung, einen heftigen Windstoß, das fahrlässige Anstreifen eines Fußgängers, absichtliches Handeln eines Passanten oder beim Einparken eines Fahrzeuges in den freien Raum vor dem Moped. Um 14 Uhr 15 war – in der Fahrtrichtung der E*straße (zum Volksgarten) gesehen – in einem geringen Abstand vor dem Moped ein unbekannt gebliebener Personenkraftwagen abgestellt. Der Erstbeklagte hatte das Moped für die Dauer seiner nachmittägigen Arbeitszeit abgestellt und kam erst um 18 Uhr zu dem Abstellort zurück.
In rechtlicher Beziehung ging das Erstgericht davon aus, daß dem Kläger der Beweis eines Verschuldens des Erstbeklagten nicht gelungen sei. Das Abstellen eines Mopeds auf dem Mittelständer sei nicht unzulässig. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß das Moped nicht auf Grund seiner labilen Aufstellung, sondern zufolge anderer, äußerer Einwirkungen umgefallen sei. Auch die Haftung nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz greife nicht Platz, weil die Schädigung des Wagens des Klägers nicht beim Betrieb des Mopeds des Erstbeklagten eingetreten sei. Ein für längere Zeit abgestelltes Kraftfahrzeug sei nicht im Betrieb.
Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das Berufungsgericht übernahm die erstrichterlichen Feststellungen als unbedenklich, änderte jedoch das Ersturteil auf Grund folgender rechtlicher Erwägungen im Sinne des Klagebegehrens ab:
Der Erstbeklagte habe mit dem labilen Abstellen seines Mopeds eine Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt, die nicht weggedacht werden könne, ohne daß nicht auch das Ausbleiben des Schadensereignisses weggedacht werden müßte. Diese Bedingung sei für den Schadenseintritt adäquat gewesen, weil in abstracto damit gerechnet werden müsse, daß ein so abgestelltes Moped umfalle und einen Schaden verursache. Auch Zwischenursachen, wie das Aufkommen eines heftigen Windes, das Vorbeifahren eines schweren Lastkraftwagens oder das Anstreifen eines Fußgängers lägen im Rahmen dieses Kausalzusammenhanges. Das Verhalten des Erstbeklagten sei aber auch rechtswidrig und schuldhaft gewesen. Er habe gegen die Bestimmung des § 23 Abs 1 StVO 1960 verstoßen, indem er das Moped so aufgestellt habe, daß dadurch fremdes Eigentum gefährdet und verletzt worden sei. Das sei ihm auch als Verschulden anzurechnen, weil es allgemeiner Erkenntnis, insbesondere der eines Mopedlenkers, zugänglich sei, daß ein solches Fahrzeug leicht umfalle, wenn es nicht lotrecht aufgestellt sei. Wenn, was nach den Beweisergebnissen als sicher anzunehmen sei, das labile Abstellen des Mopeds nicht die einzige Ursache des Schadenseintrittes gewesen sei und wenn auch als weitere Zwischenursachen Zufall oder das schuldhafte Verhalten eines Dritten in Betracht kommen, so schließe dies die Haftung der Beklagten nicht aus, weil nach § 1311 ABGB. auch für Zufälle gehaftet werde, die durch ein Eigenverschulden veranlaßt wurden. Die schuldhafte Mitwirkung eines Dritten könnte nur zu einer Solidarhaftung nach § 1302 ABGB. führen. Das Klagebegehren sei daher schon aus diesem Grunde gerechtfertigt, sodaß auf die Frage, ob sich der Unfall beim Betrieb des Mopeds ereignet habe, nicht mehr einzugehen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern oder es aufzuheben und die Sache (offenbar gemeint: an das Prozeßgericht erster Instanz) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gerechtfertigt.
Was zunächst die Frage der Halterhaftung anlangt, ist dem Erstgericht beizupflichten, daß sich das am Fahrbahnrand in der Absicht, es dort mehrere Stunden stehen zu lassen, auf den Mittelständer abgestellte Moped nicht im Sinne des § 1 EKHG. als im Betrieb befindlich anzusehen war. Der Begriff „Betrieb" bezeichnet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine auf einen bestimmten Zweck ausgerichtete Tätigkeit. Der Betrieb einer Maschine ist in dem ihrem Zweck entsprechenden Funktionieren zu erblicken. Dieser Zweck ist bei einem Kraftfahrzeug die Fortbewegung in Verbindung mit dem Transport von Personen und Lasten (vgl. SZ 11/8, 2 Ob 309/53). Ein Kraftfahrzeug befindet sich demnach im Betrieb, wenn es entweder infolge motorischen Antriebes in Bewegung gesetzt wurde oder wenn wenigstens der Motor als Kraftquelle in Gang gebracht wurde (2 Ob 374/54), allenfalls aber auch noch, wenn es nach dem Abstellen wieder in Fahrt kommt, ohne daß der Motor wieder in Gang gesetzt wurde (VersR 1955, 414). Der Begriff „Betrieb“ darf aber nicht vom bloß maschinentechnischen Standpunkt aus gesehen werden, denn er ist vor allem ein verkehrstechnischer Begriff (SZ 23/104). Um sagen zu können, daß sich ein Unfall „beim Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges ereignet hat, genügt es daher, daß der Unfall in einem äußeren, örtlichen und zeitlichen, und in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang steht (vgl. JBl 1974, 157), wie dies etwa hinsichtlich des Be- oder Entladens eines Kraftfahrzeuges oder in Bezug auf einen beladenen und von der Zugmaschine getrennt abgestellten Anhänger wegen des Zusammenhanges mit dem Betrieb der zugehörigen Zugmaschine mehrfach ausgesprochen wurde (vgl. ZVR 1957/104, ZVR 1968/94, ZVR 1969/177, ZVR 1971/55 u.a.m.). Außer Betrieb ist aber ein Kraftfahrzeug jedenfalls dann, wenn seine Maschine, ohne daß ein Betriebsvorgang noch nicht abgeschlossen war, abgestellt wurde und wenn es so versorgt ist, daß ein selbsttätiges Ingangsetzen des Fahrzeuges nicht möglich ist (vgl. ZB1 1931, 301, ZVR 1973/113). Das trifft aber auf ein für mehrere Stunden am Fahrbahnrand abgestelltes, auf den Mittelständer aufgestelltes Moped zu. Die Halterhaftung der Beklagten kommt demnach nicht in Betracht, sodaß auf die Frage der Verschuldenshaftung eingegangen werden muß.
Mit Recht wenden sich die Beklagten gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Erstbeklagte bei dem Abstellen seines Mopeds am Fahrbahnrand schräg zu diesem gegen eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB. verstoßen habe, weil das Moped dabei infolge der Bombierung der Fahrbahn nicht senkrecht gestanden und seine Standhaftigkeit demzufolge geringer gewesen sei. Das platzsparende Aufstellen einspuriger Fahrzeuge am Fahrbahnrand schräg zu diesem ist im § 23 Abs 2 StVO 1960 ausdrücklich geboten. Allerdings gilt auch in diesem Falle die Grundregel des Abs 1, das heißt, daß durch schräg aufgestellte einspurige Fahrzeuge weder eine Gefährdung noch eine Behinderung des übrigen Verkehrs entstehen darf (Dittrich-Veit-Schuchlenz, StVO 3. Aufl. Anm. 20 zu § 23). Zweck dieser Norm kann aber, wie sich aus dem übrigen Inhalt des Abs. 1 ergibt, nur sein, bei der gebotenen Ausnützung des vorhandenen Platzes den Ort der Aufstellung des Kraftfahrzeuges so zu wählen, daß kein Straßenbenützer dadurch gefährdet und kein Lenker eines anderen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder am Wegfahren gehindert wird; ein Aufstellen des Fahrzeuges derart, daß die größtmögliche Standfestigkeit erreicht und ein Unfall verhindert wird, kann nicht der Schutzzweck dieser Norm sein, denn die Fahrbahnen der Straßen sind in aller Regel bombiert und ein Aufstellen eines einspurigen Kraftfahrzeuges anders als im rechten Winkel zur Fahrbahnlängsachse, da das Gesetz aber vorschreibt, bedeutet eine Minderung seiner Standfestigkeit. Diese wird also vom Gesetzgeber in Kauf genommen. Es kann also auch nicht gesagt werden, daß der Erstbeklagte gegen eine Schutznorm verstoßen hätte, deren Zweck gerade oder auch darin liegt, das Umfallen am Fahrbahnrand aufgestellter einspuriger Kraftfahrzeuge zu verhindern.
Schließlich aber fehlt es auch selbst für den Fall, daß der Erstbeklagte bei der durch die Bombierung der Fahrbahn bedingten verminderten Standfestigkeit seines Mopeds die Gefahr einer damit im Zusammenhang stehenden Beschädigung eines anderen Kraftfahrzeuges hätte erkennen können, am Nachweis der Ursächlichkeit eines solchen Verhaltens mit dem eingetretenen Schaden. Der Kläger hat behauptet, der Erstbeklagte habe sein Moped so aufgestellt, daß es von selbst umgefallen sei. Den Beweis für diese Behauptung hat er nicht erbracht. Es kann aber auch nicht gesagt werden, daß ein solcher strikter Nachweis von ihm nicht verlangt werden könne, weil ein anderer Ablauf der zur Schädigung führenden Ereignisse sehr unwahrscheinlich ist und offenbar nicht in Betracht komme, sodaß es Sache der Beklagten gewesen wäre, ihrerseits den Nachweis der mangelnden Ursächlichkeit zu erbringen (vgl. ZVR 1961/168). Auch wenn der Erstbeklagte sein Moped infolge der Bombierung der Fahrbahn so aufgestellt hätte, daß schon ein geringer Kraftaufwand genügt hätte, um es umzustoßen, so kann doch auch nicht gesagt werden, daß diese Art der Aufstellung conditio sine qua non für den eingetretenen Erfolg gewesen wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Moped z.B. absichtlich umgestoßen wurde oder – was gar nicht so ferne liegt – beim Einparken eines anderen Fahrzeuges aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. In jedem dieser beiden Fälle bleibt die Möglichkeit offen, daß es zu einem Umfallen des Mopeds auch bei etwas größerer Standfestigkeit gekommen wäre.
Da es somit auch an einem Nachweis eines unfallskausalen Handelns oder Unterlassens des Erstbeklagten fehlt, erweist sich das Klagebegehren als nicht gerechtfertigt.
Demzufolge mußte der Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles, und zwar einschließlich der Kostenentscheidung, abgeändert werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Kosten der Berufungsmitteilung waren den Beklagten nicht zuzusprechen, weil eine mündliche Berufungsverhandlung beantragt war und die Berufungsmitteilung kein neues, im Sinne des § 482 Abs. 2 ZPO. zulässiges Vorbringen enthielt.
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