European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00093.75.0619.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 842,50 (darin S 55,30 Umsatzsteuer und S 96,— Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit der vorliegenden, am 14. Oktober 1974 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Räumung der im Hause der Klägerin in *, im ersten Stock gelegenen Wohnung, und bringt dazu vor:
Sie habe dem Beklagten die Wohnung vermietet und den Mietvertrag mit Brief vom 15. Mai 1974 zum 30. September 1974 aufgekündigt. Der Beklagte habe durch seinen Anwalt mit Brief vom 22. Mai 1974 erklärt, die Kündigung nicht zur Kenntnis zu nehmen. Da das Haus ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel nach dem 31. Dezember 1967 erbaut und die Benützungsbewilligung nach diesem Zeitpunkt erteilt worden sei, unterliege das Mietverhältnis nicht den Kündigungsschutzbestimmungen. Die Kündigung habe den Mietvertrag rechtswirksam beendet. Da das Kündigungsschreiben nicht den für einen Exekutionstitel erforderlichen Formvorschriften einer außergerichtlichen Aufkündigung entspreche, werde der Räumungsanspruch geltend gemacht.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die am 15. Mai 1974 ausgesprochene Kündigung nicht den gesetzlichen Mindesterfordernissen entspreche, insbesondere keinen Übernahms- bzw Übergabsauftrag enthalte, weshalb das Bestandverhältnis nach wie vor aufrecht bestehe.
Die Parteien stellten außer Streit, daß sich das Bestandobjekt in einem Haus befindet, welches nach dem 31. Dezember 1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel erbaut und hinsichtlich dessen die Benützungsbewilligung nach dem 31. Dezember 1967 erteilt wurde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß die Klägerin dem Beklagten das Bestandverhältnis am 15. Mai 1974 außergerichtlich mit einem Schreiben u.a. des folgenden Wortlautes, aufkündigte:
„Hiemit kündige ich den Mietvertrag die über (richtig: über die) Ihnen in meinem Hause *, gemieteten Räume zum 30. September 1974 auf. Ich erinnere Sie daran, daß das Mietverhältnis nicht den Kündigungsschutzbestimmungen unterliegt".
Der Beklagte ließ der Klägerin hierauf durch seine Rechtsanwälte mitteilen, daß er die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung nicht zur Kenntnis nehme.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß das Bestandobjekt gemäß § 1 Abs 3 Z 1 MietG von den Bestimmungen des Mietengesetzes vollständig ausgenommen sei, weshalb der Mietvertrag außergerichtlich wirksam aufgekündigt werden könne. Da das Schreiben vom 15. Mai 1974 den zwingend gebotenen Inhalt des § 565 Abs 2 ZPO nicht enthalte, jedoch die inhaltlichen Erfordernisse der §§ 1116, 1114 ABGB aufweise, stelle es zwar keinen Exekutionstitel, wohl aber eine wirksame Aufkündigung und somit die Grundlage für eine Räumungsklage dar, zumal die Klägerin entsprechend der Schutzfrist des § 575 Abs 3 ZPO auch die Räumungsklage fristgerecht, nämlich binnen 14 Tagen nach dem Eintritt der für die Räumung des Bestandgegenstandes bestimmten Frist, bei Gericht eingebracht habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 50.000,— übersteige.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß zwischen außergerichtlichen Aufkündigungen, die einen Exekutionstitel schaffen sollen und deshalb der Einhaltung der vom Gesetz hiefür vorgeschriebenen Form bedürfen, und anderen, die bloß auf die materiell-rechtliche Lösung des Bestandvertrages zielen und daher formlos sind, zu unterscheiden sei. Hinsichtlich der letzteren liege, wenn die Aufkündigung die Inhaltserfordernisse der §§ 1116, 1114 ABGB aufweise, zwar kein Exekutionstitel, wohl aber eine wirksame Aufkündigung vor, die unter Beachtung der Schutzfrist des § 575 Abs 3 ZPO Grundlage einer Räumungsklage sein könne. Der außergerichtlichen Aufkündigung des Bestandverhältnisses durch die klagende Partei, in welcher der Bestandgegenstand und der Zeitpunkt der Auflösung des Bestandverhältnisses eindeutig bezeichnet seien, komme die materiell‑rechtliche Wirkung der §§ 1114, 1116 ABGB zu, die Räumungsklage sei fristgerecht eingebracht und die Erklärung des Beklagten, die Kündigung nicht zur Kenntnis zu nehmen, bedeutungslos. Da die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes für das vorliegende Bestandverhältnis nicht gelten, habe es keiner gerichtlichen Aufkündigung zu dessen Beendigung bedurft, das Räumungsbegehren der Klägerin sei daher gerechtfertigt.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Beklagten fristgerecht mit Revision aus dem Grunde des § 503 Z 4 ZPO angefochten. Der Beklagte beantragt Abänderung des berufungsgerichtlichen Urteils im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens allenfalls Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung „an die Untergerichte".
Die Klägerin, die eine Revisionsbeantwortung erstattete, beantragt Bestätigung des berufungsgerichtlichen Urteils.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der Revisionswerber steht auf dem Standpunkt, daß sich die Formvorschrift des § 562 Abs 2 ZPO auf alle außergerichtlichen Aufkündigungen ohne Rücksicht darauf beziehe, ob diese nur materiell-rechtliche oder auch verfahrensrechtliche Wirkung äußern sollen. Auch in jeder außergerichtlichen Aufkündigung müsse ein ausdrücklicher Übergabsauftrag sowie eine Belehrung über Einwendungsmöglichkeit und -frist schon deshalb enthalten sein, damit dem Kündigungsgegner die weittragenden Folgen eines ansonsten harmlos erscheinenden Briefes erkennbar seien.
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Der Beklagte verkennt, daß eine außergerichtliche Aufkündigung nur dann den Erfordernissen des § 562 ZPO entsprechen muß, wenn sie einen Exekutionstitel bilden soll, nicht aber auch dann, wenn sie – wie hier – bloß zum Hervorrufen materiell‑rechtlicher Wirkungen bestimmt ist (SZ 15/158, SZ 26/236 = MietSlg 3554; EvBl 1961/487 = JBl 1962, 97; MietSlg 16.681; MietSlg 18.701, 23.687, Klang in Klang 2 V 110 ff; Fasching IV 661 Anm. 2). Kündigt ein Bestandgeber außergerichtlich auf, bleibt es dem Bestandnehmer gleichwohl unbenommen, bei Gericht Einwendungen gegen die Aufkündigung zu erheben. In einem solchen Falle kommt es zu einem Kündigungsrechtsstreit, in dem es gewiß entscheidend sein kann, wenn die außergerichtliche Aufkündigung mangelhaft ist (vgl. MietSlg 21.853, 23.687, 24.599, 25.574 u.a.m.). Im Verfahren über eine Räumungsklage hingegen bedarf es nicht der Prüfung, ob die seinerzeitige Aufkündigung den Vorschriften des § 562 ZPO entsprach, sondern es ist lediglich zu untersuchen, ob die außergerichtliche Aufkündigung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes geeignet war, das Bestandverhältnis rechtswirksam zu beenden. Diese Frage ist im Sinne der §§ 1116, 1114 ABGB zu beurteilen. Sie ist im vorliegenden Falle zu bejahen, weil die Klägerin dem Beklagten die Miete durch ihr Schreiben vom 15. Mai 1974 rechtzeitig und unmißverständlich aufgekündigt und damit zu erkennen gegeben hat, daß sie das Bestandverhältnis nicht fortzusetzen gewillt sei. Die Erwiderung des Beklagten, daß er die Aufkündigung nicht zur Kenntnis nehme, ist, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, bedeutungslos. Da die Klägerin die Räumungsklage innerhalb der Frist des § 575 Abs 3 ZPO eingebracht hat und die einzige vom Beklagten dagegen erhobene Einwendung – lediglich formaler Natur – unbegründet ist, haben die Untergerichte zu Recht die rechtswirksame Auflösung des Bestandverhältnisses durch die vorangegangene außergerichtliche Aufkündigung angenommen und demgemäß der Räumungsklage stattgegeben.
Aus diesen Erwägungen konnte auch der Revision kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)