European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00089.75.0618.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
Die Kosten des Rekurses sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Begründung:
Dem Kläger wurde antragsgemäß mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 27. November 1967, Zl. *, für die Dauer seiner Dienstverwendung in S* die Wohnung in S*, im Ausmaß von 86,92 m2, bestehend aus zwei Zimmern, zwei Kabinetten, Küche, Vorraum, Abstellraum, Bad und WC, mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 1967 als Naturalwohnung im Sinne des § 23 GÜG, BGBl 22/1947, überlassen.
Der. Kläger begehrt die Bezahlung eines Betrages von S 49.212,-- samt Anhang und brachte zur Begründung seines Begehrens vor, in dem Bescheid, mit dem ihm die Naturalwohnung zugewiesen wurde, sei eine Vergütung für die Überlassung dieser Naturalwohnung nicht festgesetzt worden. Im Zuweisungsbescheid werde vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß die Festsetzung der Vergütung gesondert erfolgen werde; dies sei bisher nicht geschehen. Demgemäß sei er aber zur Bezahlung einer solchen Vergütung seinem Dienstgeber gegenüber nicht verpflichtet. Die beklagte Partei habe ihm seit Dezember 1967 ein Benützungsentgelt zur Bezahlung vorgeschrieben, das er auch in Höhe des Klagsbetrages bezahlt habe. Diese Leistung sei jedoch ohne Rechtsgrund erfolgt; die beklagte Partei sei zur Einhebung eines solchen Entgelts nicht berechtigt.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und brachte vor, zum Kläger in keiner wie immer gearteten Rechtsbeziehung zu stehen. Sie habe die gesamte Wohnhausanlage mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1968 an die Republik Österreich, Bundesministerium für Landesverteidigung vermietet, wobei die Mieterin berechtigt sei, die gemieteten Wohnungen als Naturalwohnungen zu vergeben. Nach dem Inhalt dieses Mietvertrages sei sie von der Republik Österreich beauftragt bzw. bevollmächtigt worden, die von den einzelnen Wohnungsnützern zu leistenden Nutzungsentgelte bzw. Wohnungsvergütungen zu inkassieren, es sei ihr zu diesem Zweck auch eine Inkassovollmacht ausgestellt worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte im wesentlichen fest:
Das Bundesministerium für Landesverteidigung benötigte in S* Wohnungen für Bundesheerangehörige und initiierte deshalb den Bau der Wohnhausanlage „*“ durch die beklagte Partei. Die beklagte Partei vermietete die von ihr errichtete Wohnhausanlage ab 1. Jänner 1968 an die Republik Österreich, Bundesministerium für Landesverteidigung. Nach dem geschlossenen Mietvertrag ist die Mieterin berechtigt, die gemieteten Wohnungen als Naturalwohnungen zu vergeben. Das Inkasso des auf die Benützer entfallenden Nutzungsentgeltes sollte durch die Vermieterin erfolgen. Zu diesem Zwecke wurde auch eine Inkassovollmacht ausgestellt. Der Wohnungszuweisungsbescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung an den Kläger enthält die Bestimmung, daß die Vergütung für die Naturalwohnung, welche sich aus Grundvergütung, Betriebskosten, öffentlichen Abgaben, Hausbesorgerentgelt und allfälligen Zuschlägen zusammensetzt, monatlich im vorhinein ab 1. Dezember 1967 an jedem Monatsersten zu entrichten ist; ihre Höhe wird gesondert festgesetzt werden. Ein Bescheid über die Höhe der Vergütung ist bis Klagseinbringung nicht erlassen worden. Erst am 25. Oktober 1975 wurde dem Kläger ein entsprechender Bescheid zugestellt, den der Kläger mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft hat. Dem Kläger wurde nie erklärt, daß das Inkasso des Benützungsentgeltes durch die beklagte Partei namens der Republik Österreich, Bundesministerium für Landesverteidigung erfolgt. Die beklagte Partei schrieb dem Kläger Benützungsentgelt und Betriebskosten zur Zahlung vor, der Kläger hat entsprechend den an ihn gerichteten Aufforderungen, die klagsgegenständlichen Beträge bezahlt.
Daraus folgerte das Erstgericht, daß die Übertragung des Inkassos der Vergütung von der Republik Österreich an die beklagte Partei zwar zulässig sei, doch wäre Voraussetzung für eine solche Übertragung gewesen, daß die Behörde durch Bescheid die Vergütung festgesetzt hätte. Ohne eine bescheidmäßige Feststellung sei auch eine vorschußweise Einhebung nicht möglich, sodaß der Kläger eine Nichtschuld bezahlt habe. Die Gültigkeit der Inkassovollmacht sei deshalb auch nicht zu prüfen gewesen. Die Passivlegitimation der beklagten Partei sei gegeben, weil sie die Beträge vom Kläger eingehoben und durch die Zahlungsaufforderungen von ihm die Bezahlung einer Nichtschuld gefordert habe.
Aus Anlaß der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil samt dem ihm vorangegangenen Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Unzulässigkeit des Rechtsweges sei jederzeit von amtswegen zu berücksichtigen, wobei für die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheidend sei, ob der Streitgegenstand oder nach privatrechtlichen oder öffentlich rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Nun habe der Kläger die Rückzahlung von Beträgen mit der Behauptung begehrt, daß eine Festsetzung des Naturalwohnungsentgeltes nicht erfolgt sei und demgemäß auch niemand Anspruch auf Naturalwohnungsvergütung erheben könne. Bei der Zuweisung einer Naturalwohnung und der Festsetzung der Vergütung hiefür handle es sich jedoch um eine Dienstrechtsangelegenheit, über die die Dienstbehörde mit Bescheid zu erkennen habe, weil die Naturalwohnung als Teil der Besoldung anzusehen sei. Die beklagte Partei sei nun als Inkassomandatar für das Bundesministerium für Landesverteidigung aufgetreten und habe damit eine fremde Forderung, nämlich eine solche der Republik Österreich, der öffentlich‑rechtlicher Charakter zukomme, eingetrieben. Dadurch habe der auf besoldungsrechtlicher Grundlage beruhende Vergütungsanspruch in seinem öffentlich‑rechtlichen Charakter keine Änderung erfahren und insbesondere sei für seine Beurteilung der Verwaltungsweg zuständig geblieben. Streitigkeiten aus öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnissen, dazu sei der geltend gemachte Anspruch zu zählen, seien im administrativen Wege auszutragen. Demzufolge sei aber der Rechtsweg für die erhobene Klage nicht zulässig, weil keine bürgerliche Rechtssache im Sinne des § 1 JN vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der klagenden Partei, der gerechtfertigt ist.
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt maßgebend. Entscheidend ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Läßt sich aus dem Begehren und dem vorgetragenen Sachverhalt die Natur des Anspruches als eines solchen des privaten Rechts nicht eindeutig erschließen, so kann auch das Vorbringen des Beklagten eine erweiterte Grundlage zur Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ergeben. Soweit das Klagsvorbringen dadurch verdeutlicht wird, nicht aber insoweit als es der Abwehr des geltend gemachten privatrechtlichen Anspruchs dient, ist auf das Vorbringen des Beklagten Rücksicht zu nehmen (vgl Fasching, Komm I 63 f, SZ 44/165, EvBl 1973/319, EvBl 1974/69, 237). Nun hat der Kläger vorgebracht, er habe bescheidmäßig eine Naturalwohnung zugewiesen erhalten, für deren Benützung ihm ein Entgelt von dem zur Vorschreibung zuständigen Bundesministerium nicht vorgeschrieben worden seit. Demgemäß, sei er aber seinem Dienstgeber gegenüber zur Bezahlung eines solchen Entgelts nicht verpflichtet, sodaß auch die Möglichkeit ausscheide, daß die beklagte Partei einen solchen Anspruch ihm gegenüber geltend machen könne. Ein Rechtsgrund für die Vorschreibung von Entgeltbeträgen durch die beklagte Partei bestehe nicht, die beklagte Partei habe ihm ohne jede Rechtsgrundlage ein Benützungsentgelt zur Bezahlung vorgeschrieben, das er in Unkenntnis der Rechtslage bezahlt habe.
Nach dem vollkommen klaren, und daher einer Ergänzung aus dem Vorbringen der beklagten Partei nicht bedürftigen Vorbringen macht der Kläger einen Anspruch aus dem Rechtsgrund der Bereicherung geltend, wobei er den Bestand einer nach öffentlichen Recht zu beurteilenden Rechtsbeziehung zwischen den Streitteilen, die Grundlage für die von ihm geforderten und erbrachten Leistungen bilden könnte, verneint. Von diesem Sachvorbringen, das einen dem öffentlichen Recht unterliegenden Anspruch nicht erkennen läßt, ist bei Prüfung der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges auszugehen. Die beklagte Partei hat nun ihre Passivlegitimation bestritten und eingewendet, daß sie Inkassobevollmächtigter der Republik Österreich gewesen sei und die von den Benützern der Naturalwohnungen zu leistenden Nutzungsentgelte bzw. Naturalwohnungsvergütungen für die Republik Österreich kassiert habe. Diesem Vorbringen der beklagten Partei, sie sei lediglich Inkassomandatar der Republik Österreich gewesen, kommt aber nach dem Vorgesagten für die Frage der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges keine Bedeutung zu. In diesem Stadium des Verfahrens ist daher auch nicht zu prüfen, ob die Forderung der Republik Österreich auf Benützungsentgelt vor bescheidmäßiger Festsetzung entstehen konnte und demgemäß die Geltendmachung einer entsprechenden Forderung durch die beklagte Partei berechtigt wäre. Wenn das Berufungsgericht darauf verweist, daß der Anspruch auf Vergütung für die Benützung einer Naturalwohnung auf besoldungsrechtlicher Grundlage beruhe und Streitigkeiten aus öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnissen, soweit es sich um die Besoldung handle, auf Grund des Hofdekretes vom 16. August 1841 JGS 555 im administrativen Wege, nämlich im Dienstrechtsverfahren, auszutragen sind, so ist dem entgegenzuhalten, daß nach dem vorgenannten Hofdekret lediglich Forderungen des Staates an seine Beamten und Diener oder der letzteren an den Staat, welche lediglich aus dem Dienstverhältnis abgeleitet werden, im administrativen Wege zu regeln sind. Im vorliegenden Fall macht der Kläger aber keinen Anspruch gegenüber dem Staat, sondern gegenüber einer Genossenschaft geltend, er leitet seinen Anspruch auch nicht aus einem Dienstverhältnis zum Staat ab. Demzufolge käme aber auch die Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs gegenüber der beklagten Partei im Verwaltungswege, insbesondere in einem Dienstrechtsverfahren, nicht in Betracht. Die Zulässigkeit des Rechtsweges ist daher zu bejahen, sodaß dem Rekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)