OGH 5Ob78/75

OGH5Ob78/753.6.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold, Dr. Samsegger, Dr. Kuderna und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Wilhelm Leitgeb, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei O*, wegen Übertragung des bücherlichen Eigentumsrechtes infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 5. Februar 1975, GZ. 2 R 558/74‑20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirchen/Knt. vom 9. Oktober 1974, GZ. C 111/74‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB00078.75.0603.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Schwester des Beklagten. Sie hat ihm mit notariellem Übergabsvertrag vom 22. 7. 1967 ihre landwirtschaftliche Liegenschaft EZ 64 KG * übergeben.

Als Gegenleistung des Beklagten wurden ihr die Rechte der Dienstbarkeit der Wohnung und der Reallast des Naturalauszuges und der Wartung und Pflege mit genau bestimmten Leistungen eingeräumt. Der Beklagte übernahm weiters die Kosten eines ortsüblichen Begräbnisses, die Bezahlung der Vertragsgebühren und auch die Bezahlung von Privatschulden der Klägerin im Betrage von S 6.770. Schließlich übernahm er auch die Erfüllung der dem Ehegatten der Klägerin mit notariellem Ehepakt vom 24. 10. 1966 eingeräumten Auszugsrechte.

Die Klägerin begehrte mit der am 13. 7. 1972 eingebrachten Klage die Rückübertragung der übergebenen Liegenschaft durch die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes. Sie erklärte gemäß § 918 ABGB ausdrücklich ihren Rücktritt vom Übergabsvertrag, weil der Beklagte die bedungenen Leistungen für sie und ihren Ehegatten trotz Mahnungen und Nachfristsetzung nicht erbracht habe. Darüber hinaus behauptete sie die Vereinbarung einer Rückübertragung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft, zog diese Klagsbehauptung aber in der Folge wieder zurück (AS 57).

Der Beklagte wendete dem gegenüber ein, die ihm auferlegten Leistungen erbracht zu haben, soweit er nicht durch die Klägerin durch Verwehrung des Zutrittes zur Liegenschaft daran gehindert worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit dem Ausspruche, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Den Urteilen der Untergerichte liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Liegenschaft EZ 64 KG * ist ein Bergbauernhof mit einer Landwirtschaft im Ausmaß von 18,2 ha und einer Hofstelle. Nach Art und Umfang des Betriebes handelt es sich um einen Kärntner Erbhof. Der Ertragswert des Hofes betrug zur Zeit der Übergabe S 235.250, der Wohlbestandswert liegt bei S 94.000. Die vom Beklagten auf Grund des Übergabsvertrages zu erbringenden Leistungen und Verpflichtungen haben einen Wert von S 238.570, wozu noch die Kosten der Vertragserrichtung kommen. Der Beklagte erfüllt seine Ausgedingsverpflichtungen nur ungenügend. Der Klägerin wurden deshalb Unterstützungen aus den Mitteln der öffentlichen Fürsorge gewährt.

Die Klägerin erwartete als Gegenleistung für die Übergabe der Liegenschaft an den Beklagten die bedungenen Ausgedingsleistungen. Schenken wollte sie ihm nichts.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß ein wie im vorliegenden Fall abgeschlossener bäuerlicher Übergabsvertrag als ein Vertrag eigener Art am ehesten einem Kauf gegen Stundung des Kaufpreises gleiche. Bei einem solchen sei ein Rücktritt vom Vertrag grundsätzlich ausgeschlossen. Es liege auch kein Schenkungselemente enthaltender gemischter Vertrag vor, weil von einem krassen Mißverhältnis der beiderseitig zu erbringenden Leistungen nicht gesprochen werden könne. Die vom Beklagten übernommenen Gegenleistungen seien ihrem Werte nach höher als der Ertragswert der übernommenen Liegenschaft. Bei einem Wertvergleich komme es nicht auf den Verkehrswert an, sondern bei einem Kärntner Erbhof auf den Wohlbestandswert.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß der Klagsanspruch aus den von der klagenden Partei in erster Instanz aufgestellten Behauptungen nicht abgeleitet werden könne. Durch die bücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes des Übernehmers auf Grund des Übergabsvertrages sei die Liegenschaft diesem ins Eigentum übertragen und damit der Vertrag von seiten der klagenden Partei zur Gänze erfüllt worden. Der Übergabsvertrag, der am ehesten einem Kauf gegen Stundung des Kaufpreises gleiche, könne in einem solchen Falle nicht mehr durch Rücktrittserklärung aufgelöst werden. Die Klägerin könne daher nur die Erfüllung des Vertrages begehren, zumal im Übergabsvertrag selbst eine Aufhebung des Vertrages für den Unvergleichsfall nicht vorgesehen sei. Mangels diesbezüglicher Behauptungen im erstgerichtlichen Verfahren sei auch nicht zu prüfen, ob allenfalls das Vorliegen von Konsensmängeln beim Abschluß des Übergabsvertrags den Klagsanspruch rechtfertigen könnte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage, das angefochtene Urteil, allenfalls auch das Urteil erster Instanz aufzuheben und den Unterinstanzen nach Durchführung aller angebotenen Beweise neuerliche Entscheidung aufzutragen, oder der Revision Folge zu geben, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben.

Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, ist der bäuerliche Übergabsvertrag als ein Vertrag eigener Art anzusehen, der am ehesten einem Kauf gegen Stundung des Kaufpreises gleichkommt (Gschnitzer in Klang IV, 237 f; JBl 1960, 391; EvBl 1970/223; zuletzt etwa 6 Ob 126/72 = NZ 1973, 189). Nach der ständigen Rechtsprechung ist ein Rücktritt von einem derartigen Übergabsvertrag, insbesondere auch auf der Grundlage des § 918 ABGB, nicht möglich (vgl. SZ 3/123, SZ 36/95; EvBl 1966/443, zuletzt etwa 6 Ob 126/72). Die Unmöglichkeit des Vertragsrücktrittes bei bäuerlichen Übergabsverträgen ergibt sich schon aus der durchgeführten Übergabe der Liegenschaft an den Übernehmer vor der Rücktrittserklärung (vgl. 1 Ob 133/66 = JBl 1967, 33; 5 Ob 137/74). Der Übergabsvertrag vermag im gegenständlichen Falle auch nicht wegen eines krassen Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung einen gemischten Vertrag darzustellen, der allenfalls überwiegende und daher maßgebliche Schenkungselemente enthalten könnte. Nach den im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes liegen die vom Beklagten übernommenen Gegenleistungen ihrem Werte nach weit über dem für den Wertvergleich bei einem Kärntner Erbhof maßgeblichen Wohlbestandswert (vgl. SZ 27/124; SZ 38/47 uva). Überdies hat die Klägerin bei Abschluß des Übergabsvertrags keinen Schenkungswillen gehabt.

Die Revisionswerberin vermeint nun, daß sich die vorliegende Judikatur insbesondere des Obersten Gerichtshofes im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Verneinung der Möglichkeit eines Rücktrittes von einem bäuerlichen Übergabsvertrag auf den gegenständlichen Rechtsfall nicht anwenden lasse. Soweit diesbezüglich darauf hingewiesen wurde, daß ein wesentlicher Bestandteil des Vertragskonsenses die Versorgung der Klägerin und ihres Ehegatten durch den Übergabsvertrag auf der Übergabsliegenschaft gewesen sei, ergibt sich dies aber ohnehin eindeutig aus den Bestimmungen des Übergabsvertrages. Wo hier ein Konsensmangel vorgefunden werden soll, auf den sich die Revisionswerberin anscheinend nunmehr berufen will, ist weder im erstinstanzlichen Verfahren dargetan worden noch den Revisionsausführungen eindeutig zu entnehmen. Diese laufen letztlich nur darauf hinaus, daß der Beklagte eben seine Verpflichtungen aus dem Übergabsvertrag nicht erfüllt hat, die auf eine unmittelbare Altersversorgung und Unterhaltsleistung abgestellt waren. Die von der klagenden Partei unwidersprochen in Anspruch genommene Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes nach § 49 Abs. 2 Z. 3 JN umfaßt alle Streitigkeiten aus einem Wohnungsrecht sowie alle Klagen auf Erfüllung und Aufhebung eines Ausgedingsvertrages. Voraussetzung ist immer, daß diese Rechte bereits wirksam begründet sind (vgl. Fasching I 302). Das Ausgedinge ist die auf einem Bauerngute ruhende dingliche Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen zum Zwecke des Unterhalts des früheren Eigentümers (vgl. Klang in Klang II, 624 f). Die Einräumung derartiger Rechte sind wesentlicher Inhalt des vorliegenden Übergabsvertrages. Es besteht daher kein Anlaß, von der Rechtsprechung abzugehen, die einen Rücktritt des Übergebers vom Vertrag ausschließt und ihn auf ein Begehren auf Zuhaltung verweist.

Abgesehen von den fehlenden Prozeßbehauptungen der klagenden Partei lägen auch die Voraussetzungen für einen Widerruf einer allfälligen Schenkung wegen groben Undankes nicht vor. Dem Hinweis auf die ungünstige Lage der Klägerin und eine Unbilligkeit der dargelegten Rechtsprechung ist entgegenzuhalten, daß es naheliegend gewesen wäre, in den Übergabsvertrag vom 22. 7. 1967 Bestimmungen aufzunehmen, unter welchen Bedingungen jeder der beiden Vertragspartner das Vertragsverhältnis lösen könne. Da es aber an einer solchen Bestimmung fehlt, muß wohl angenommen werden, daß die Vertragschließenden sich endgültig binden wollten. Es waren daher nur die gesetzlichen Bestimmungen über den Rücktritt vom Vertrag zur Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob eine der beiden Vertragsparteien das Rechtsverhältnis einseitig lösen kann. Dies ist aber nach den dargelegten Erwägungen nicht möglich. Der unbegründeten Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO, da sich die beklagte Partei am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat.

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