OGH 5Ob37/75

OGH5Ob37/7518.3.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen I* R*, geboren * 1962, infolge Rekurses des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Graz als Rekursgerichtes vom 17. Jänner 1975, GZ. 5 R 225/74‑26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kirchbach vom 18. Juli 1974, GZ. P 36/69‑21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0050OB00037.75.0318.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurse wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

 

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 13. Dezember 1973, P 36/69‑13, wurde die * 1962 geborene Pflegebefohlene gemäß § 31 Abs. 1 JWG. in die vorläufige Fürsorgeerziehung eingewiesen und zugleich die durch die Bezirkshauptmannschaft * am 29. November 1973 getätigte Abnahme und Einweisung der Minderjährigen in die Heilpädagogische Station des Landes Steiermark in * nachträglich genehmigt. Die Einweisung erfolgte wegen gegebener Gefahr im Verzuge zufolge bereits aufgetretener weitgehender Verwahrlosungserscheinungen, insbesondere der Durchführung von Diebstählen. Dem Rekurse der Kindesmutter gegen diesen Beschluß war kein Erfolg beschieden. Zur Durchführung wurde die Pflegebefohlene vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung in das Landesjugendheim * in Graz eingewiesen. Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung beantragte am 26. Juni 1974, die vorläufige Fürsorgeerziehung gemäß § 29 JWG. in die Fürsorgeerziehung umzuwandeln. Zu diesem Antrag wurden die Eltern des ehelichen Kindes nicht gehört.

Das Erstgericht beschloß auf der Grundlage des Berichtes des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung in Verbindung mit dem heilpädagogischen Gutachten der Heilpädagogischen Station des Landes Steiermark die Umwandlung der mit Beschluß vom 13. Dezember 1973, P 36/69‑13, verhängten vorläufigen Fürsorgeerziehung in die Fürsorgeerziehung, weil eine Weiterbelassung im Landesjugendheim * erforderlich sei, um die Minderjährige durch eine andauernde, konsequente und nur in einem Fürsorgeheim gewährleistete Erziehung zu resozialisieren.

Das Rekursgericht gab dem verspäteten Rekurs der ehelichen Mutter Folge, hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Die vorläufige Fürsorgeerziehung sei eine auf die Dauer von sechs Monaten begrenzte Präventivmaßnahme. Nach Ablauf dieser Frist müsse entweder die Fürsorgeerziehung angeordnet oder die vorläufige Fürsorgeerziehung aufgehoben werden. Da dies im gegenständlichen Fall nicht geschehen sei, sei die Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung bereits am 13. Juni 1974 wirkungslos geworden und eine Umwandlung dieser unwirksam gewordenen vorläufigen Fürsorgeerziehung in die endgültige Fürsorgeerziehung daher begrifflich ausgeschlossen. Im Antrag des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Juni 1974 könne aber ein von der vorläufigen Fürsorgeerziehung unabhängiger Antrag auf Anordnung der Fürsorgeerziehung gemäß § 29 JWG. erblickt werden.

Voraussetzung für die Anordnung der Fürsorgeerziehung sei gemäß § 34 JWG. vor allem die Anhörung der Erziehungsberechtigten, als welche im Falle eines ehelichen Kindes vor allem die Eltern zu verstehen seien, die ohne Schwierigkeiten gehört hätten werden können.

Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zunächst eine Verbesserung des Antrages des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung dahingehend zu bewirken haben, daß nicht die Umwandlung der vorläufigen in die endgültige Fürsorgeerziehung, sondern die Einleitung eines neuen Fürsorgeerziehungsverfahrens beantragt werde. In diesem Verfahren seien sohin die Eltern des Kindes gemäß § 34 JWG. zu hören.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung insoweit, als darin dem Erstgerichte die Verbesserung der Antragsgrundlagen aufgetragen wurde.

Für das Verfahren in den Fällen der Fürsorgeerziehung gelten gemäß § 34 JWG. neben den dort enthaltenen Bestimmungen im übrigen die Vorschriften des Verfahrens außer Streitsachen. Demnach ist der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig (vgl. JBl 203; EvBl 1973/292, zuletzt etwa 5 Ob 215/74). Da nicht nur die Aufhebung selbst, sondern auch eine nachteilige Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluß die verfahrensrechtliche Stellung der Parteien beeinträchtigt, steht ihnen ein Rekurs nicht nur dann zu, wenn sie die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung bekämpfen, sondern auch dann, wenn sie lediglich die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anfechten, obwohl sich diese nur aus den Gründen des Beschlusses ergeben (vgl. SZ 18/48; Fasching IV, 414).

Das Rekursgericht hat auch zutreffend den an sich verspäteten Rekurs der Kindesmutter im Hinblick auf § 11 Abs. 2 AußStrG. berücksichtigt, weil durch die Entscheidung über die Anordnung der Fürsorgeerziehung einer dritten Person keine Rechte erwachsen können (RZ 1967, 131; 7 Ob 44/71, 8 Ob 146/72).

Hingegen kann dem Rekursgericht hinsichtlich der dem Erstgericht im Zusammenhang mit den Antragsvoraussetzungen erteilten Aufträge nicht gefolgt werden.

Nach dem Spruch und dem Inhalt des erstgerichtlichen Beschlusses vom 13. Dezember 1972 wurde die vorläufige Fürsorgeerziehung gemäß § 31 Abs. 1 JWG. angeordnet. Diese ist nach den Ergebnissen des gleichzeitig einzuleitenden Verfahrens in die endgültige Fürsorgeerziehung umzuwandeln oder aufzuheben, ohne daß dafür – im Gegensatz zu § 31 Abs. 2 JWG. – eine Frist gesetzt wäre (vgl. JBl 1963, 213). Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes bedarf es sohin keiner Verbesserung des Antrages des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung und der Einleitung eines neuen Fürsorgeerziehungsverfahrens.

Im Übrigen hat es aber bei der aufgetragenen Verfahrensergänzung durch Anhörung der Erziehungsberechtigten im Sinn des § 34 JWG. zu bleiben, da dem Akteninhalt ein entgegenstehendes Hindernis nicht zu entnehmen ist und auch nicht behauptet wurde.

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