OGH 1Ob15/75

OGH1Ob15/755.3.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Piegler, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1.) E*, Gastwirt, , und 2.) A*, Gastwirtin, ebendort, beide vertreten durch Dr. Franz Dobrauz, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten und Gegner der gefährdeten Parteien 1.) K*, Besitzer, *, und 2.) I*, Besitzerin, ebendort, beide vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen Zuhaltung eines Kaufvertrages (Streitwert 700.000 S) infolge Revisionsrekurses der beklagten und gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 8. Oktober 1974, GZ 5 R 163/74-16, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 14. August 1974, GZ 6 Cg 218/73-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00015.75.0305.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerber haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Mit der am 18. 10. 1973 eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Unterzeichnung eines in 13 Punkte gegliederten Kaufvertrages, nach dessen wesentlichem Inhalt die Beklagten den Klägern die Liegenschaft EZ * des Grundbuches der Katastralgemeinde H* mit im einzelnen angeführten Grundstücken um den Kaufpreis von 700.000 S verkaufen. Nach den Klagsbehauptungen sind vom Vertrag die Grundstücke *, *, *, * und * der EZ*, Katastralgemeinde H*, für welche die Beklagten bei der Gemeinde * um die Widmung zu Bauzwecken eingekommen seien, ausgenommen. Unberührt vom Kauf sei weiter ein den Ehegatten F* und R* veräußerter Steinbruch, bei welchem es sich um den im Lageplan des Dipl.-Ing. A* vom 18. 3. 1973 festgelegten Teil des Grundstückes * mit der neuen Bezeichnung * handle.

Die Kläger beantragten am 25. 7. 1973 die Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Vornahme eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbotes in Bezug auf die ganze Liegenschaft EZ * des Grundbuches der Katastralgemeinde H*. Zur Bescheinigung ihres Anspruches legten die Kläger die Kaufvereinbarung vom 29. 3. 1973 in Photokopie vor. Nach ihren Behauptungen hätten die Beklagten die genannte Liegenschaft einem Realbüro zum Zwecke der Veräußerung an einen Dritten zur Vermittlung übergeben. Vereinbarungswidrig sei von den Beklagten auch bereits ein Großteil des Inventars der Liegenschaft veräußert worden. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens beriefen sich die Kläger auf mehrere Auskunftspersonen und die Photokopie eines von den Beklagten an B* gerichteten Schreibens vom 30. 4. 1974.

Die Beklagten sprachen sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus.

Der Vorsitzende des für die Rechtssache zuständigen Senates hat die begehrte einstweilige Verfügung unter Berufung auf § 388 EO antragsgemäß erlassen. Über Rekurs der Beklagten gab das Rekursgericht – nach erfolgter Beschlußfassung durch den Senat des Erstgerichtes, daß er sich zu einer Abänderung der Verfügung nicht veranlaßt sehe – dem Rekurs teilweise Folge. Die begehrte einstweilige Verfügung wurde hinsichtlich der Grundstücke * Hausmühle, * Getreidekasten, * Haus Nr. *, * Stallgebäude, * Tenngebäude und * Schweinestall sowie der Grundstücke * Wald, * Acker, * Wiese, * Garten, * Garten, * Garten, * Weide, * Acker, * Acker, * Acker, * Weg Parifikat Wald, * Wald und * Wiese, sämtliche der EZ * des Grundbuches der Katastralgemeinde H*, bestätigt, hingegen hinsichtlich der Grundstücke * Wiese, * Acker, * Acker, * Wiese, * Wiese, * Wald, sowie hinsichtlich des im Lageplan des Dipl.-Ing. A* vom 18. 3. 1973 festgelegten Teiles des Grundstückes * mit der neuen Bezeichnung *, sämtliche der EZ * des Grundbuches der Katastralgemeinde H*, abgewiesen.

Das Rekursgericht führte aus, durch die vorgelegte Kaufvereinbarung vom 29. 3. 1973 sei der Anspruch hinreichend bescheinigt, allerdings nicht hinsichtlich jener Grundstücke, die nach den eigenen Behauptungen der Kläger gar nicht Gegenstand des abgeschlossenen Kaufvertrages sind. Unberücksichtigt habe ferner das Grundstück * Wiese zu bleiben, da es dem Gutsbestand der EZ * des Grundbuches der Katastralgemeinde H* nicht zugeschrieben sei. Auch die objektive Gefährdung des Anspruches im Sinne des § 381 EO sei durch das in Photokopie vorgelegte Schreiben der Kläger an B* vom 30. 4. 1974 hinreichend bescheinigt. Daraus sei nämlich eindeutig zu entnehmen, daß sich die Beklagten um einen neuen Käufer umgesehen und einen solchen offenbar auch schon gefunden haben.

Die Beklagten bekämpfen den Beschluß des Rekursgerichtes in seinem das Begehren der Kläger bestätigenden Teil mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung vollinhaltlich abgewiesen werde, in eventu ihn aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen; letztlich wird beantragt, die Rechtswirksamkeit der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung in der Höhe von 1,2 Millionen Schilling abhängig zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht begründet.

Was zunächst die Zulässigkeit des Rekurses betrifft, so kommen auch im Exekutionsverfahren und im Sicherungsverfahren (§§ 78, 402 EO) die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über den Rekurs zur Anwendung. Die Rekursbeschränkung des § 528 Abs 1 ZPO bezieht sich jedoch nur auf vollinhaltlich bestätigende Entscheidungen (vgl JB 56 neu), so daß bei nur teilweiser Bestätigung auch der bestätigende Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses anfechtbar bleibt.

Der Revisionsrekurs ist daher zulässig, aber nicht begründet.

Auszugehen ist zunächst davon, daß nach ständiger Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung durch Erlassung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes zulässig ist, wenn sich der Verkäufer weigert, die über den mündlich abgeschlossenen Kaufvertrag zu errichtende formelle Vertragsurkunde zu unterfertigen. Gleiches muß in dem Fall gelten, daß über den Kaufvertrag eine als Punktation (§ 885 ABGB) zu wertende Urkunde errichtet wurde und der Verkäufer sich weigert, den Vertrag in einverleibungsfähiger Form zu errichten. Daß der abgeschlossene Vertrag noch der behördlichen Genehmigung, etwa durch die Grundverkehrsbehörde oder aber die Devisenbehörde bedarf, ist kein Hindernis für die Bewilligung der einstweiligen Verfügung, weil der Anspruch des Käufers auf Einverleibung auch schon vor Erteilung dieser Genehmigungen ein bedingter ist (SZ 5/57, SZ 28/204, SZ 30/50 und 8 Ob 239/71). Es ist auch zulässig, ein Belastungs- und Veräußerungsverbot – wie hier – auf einzelne vom Anspruch erfaßte Grundstücke des aus mehreren Grundstücken bestehenden Grundbuchskörpers zu beschränken (5 Ob 197/65, EvBl 1968/221, 5 Ob 198/73). Da durch die einstweilige Verfügung der Anspruch der Kläger auf Übertragung der Liegenschaft nur gesichert wird, ist die Erlassung der Sicherungsmaßnahme von der Erbringung der den Klägern aus dem Kaufvertrag obliegenden Leistungen, wie insbesondere der Bezahlung des Kaufpreises oder der Übernahme von Hypotheken, unabhängig. Es ist daher auch die einstweilige Verfügung nicht von der Erbringung solcher Leistungen abhängig zu machen.

Die Rekurswerber erachten sich im Wesentlichen dadurch als beschwert, daß die zur Gegenbescheinigung angebotenen Bescheinigungsmittel nicht aufgenommen wurden. Es wäre Aufgabe der Untergerichte gewesen, vor Erlassung der einstweiligen Verfügung den Willen der Streitteile bei Errichtung der Urkunde vom 29. 3. 1973 zu erforschen. Es hätte sich auch ergeben, daß den Klägern wegen Nichteinhaltung vertraglicher Bedingungen sowie wegen Wegfalles der Geschäftsgrundlage kein Übereignungsanspruch zustehe.

Nun ist dem Rekurswerber darin beizupflichten, daß dem Gegner der gefährdeten Partei im Sicherungsverfahren grundsätzlich nicht verwehrt werden kann, den von der gefährdeten Partei behaupteten Anspruch durch geeignete Bescheinigungsmittel unglaubhaft zu machen (Rspr 1929/19 = JBl 1929, 374 und 1 Ob 171/63), soweit dies mit den Mitteln des Bescheinigungsverfahrens möglich ist (4 Ob 307/59 ua). Ob Gegenbescheinigungsmittel aufgenommen werden sollen, hängt aber zunächst auch davon ab, ob die Gegenbescheinigung ausgeführt werden kann, ohne den Rahmen des Sicherungsverfahrens zu überschreiten. Das Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist summarischer Art, die Stoffsammlung ist beschränkt, alle Entscheidungen ergehen auf Grund der bloßen Glaubhaftmachung durch parate Bescheinigungsmittel. Das Gegenstück zur summarischen Gestaltung des Verfahrens bildet die auf dem Prinzip der Erfolgshaftung beruhende Verpflichtung des Sicherungswerbers zum Ersatz des dem Gegner aus der Verfügung entstehenden Schadens, falls es sich erweist, daß die Verfügungsvoraussetzungen in Wahrheit nicht vorhanden waren (Petschek-Hämmerle-Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht, 230). Was nun den Umfang der Anspruchsprüfung betrifft, so weist Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht, 295, mit Recht darauf hin, daß dort, wo die einstweilige Verfügung eine vorläufige Befriedigung der gefährdeten Partei durch Leistung vorsieht, die materielle Rechtslage vom Verfügungsgericht strenger zu prüfen ist als sonst. So wurde auch in der Rechtsprechung der Standpunkt vertreten (SZ 43/154, 1 Ob 133/72, EFSlg 14.538), daß bei Auferlegung eines einstweiligen Unterhaltes (§ 382 Z 8 EO) dem Gegner der gefährdeten Partei die Möglichkeit gegeben werden muß, seine Behauptung, der Anspruch bestehe nicht zu Recht, zu bescheinigen, weil damit nicht bloß ein Leistungsanspruch gesichert, sondern dem Berechtigten ein in der Regel ohne Rücksicht auf den Ausgang des Hauptprozesses zustehender einstweiliger Unterhalt zugebilligt wird, ohne daß die Voraussetzungen des § 379 EO gegeben sein müssen. Hier läßt somit die Eigenart der einstweiligen Verfügung, insbesondere aber der Umstand, daß sofort die Erbringung einer Leistung an die gefährdete Partei auferlegt wird, die Aufnahme von Gegenbescheinigungen, wann kein zwingender Grund entgegensteht, jedenfalls als geboten erscheinen. Durch das hier verfügte Belastungs- und Veräußerungsverbot hingegen wird die Rechtsstellung der Beklagten nicht in so weitgehendem Maße betroffen. Das Verbot hindert zunächst nicht weitere bücherliche Eintragungen, sie entfalten nur ihre volle Wirkung erst mit der Aufhebung der einstweiligen Verfügung (Holzhammer, 293, und Neumann-Lichtblau, II,1196). Den Beklagten wird daher durch die einstweilige Verfügung weder der Abschluß eines Kaufvertrages mit anderen Kaufwerbern noch auch die Verbücherung eines solchen Vertrages unmöglich gemacht. Darüber hinaus ist zu sagen, daß sich aus der Beschränkung des Bescheinigungsverfahrens auf parate Beweismittel (§ 274 ZPO) und dem summarischen Charakter des Verfahrens der Grundsatz ableiten läßt, daß Gegenbescheinigungsmittel nur dann aufzunehmen sind, wenn damit ein einfach gelagerter Sachverhalt glaubhaft gemacht werden soll. Die Feststellung eines von der Vertragsurkunde abweichenden Parteiwillens, der Umstand, ob Hypothekargläubiger mit der Übernahme der persönlichen Haftung durch die Käufer einverstanden sind und ob die Geschäftsgrundlage in Wegfall gekommen ist, kann aber mit den Mitteln des Bescheinigungsverfahrens im vorliegenden Fall nicht geklärt werden. Es würde dies eine dem Wesen der einstweiligen Verfügung widersprechendes kontradiktorisches Verfahren erfordern. Die Klärung dieser Fragen muß daher dem Prozeß vorbehalten bleiben. Auf der Grundlage des als bescheinigt zu erachtenden Sachverhaltes konnte aber die einstweilige Verfügung erlassen werden. Was nun die begehrte Sicherheitsleistung betrifft, so kann eine solche gemäß § 390 Abs 2 EO nach Lage der Umstände auch bei – hier gegebener – ausreichender Bescheinigung des Anspruches und der Gefährdung auferlegt werden. Im vorliegenden Fall erscheint eine solche Sicherheitsleistung aber nicht geboten, weil die Verfügung über die Liegenschaft durch das erlassene Verbot nicht verhindert wird, Anspruch und Gefährdung urkundlich nachgewiesen sind und im Übrigen die wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit so gestaltet sind, daß mit einem Preisverfall bei Liegenschaften keineswegs zu rechnen ist. Darüber hinaus haben auch die Rekurswerber nicht ausgeführt, worin der ihrer Meinung nach zu befürchtende nicht wieder gut zu machende Schaden zu erblicken wäre, der eine Sicherheitsleistung von 1,2 Millionen Schilling rechtfertigen würde.

Demzufolge war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 4050 ZPO, §§ 78402 EO.

 

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