European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0040OB00303.75.0218.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird insoweit aufgehoben, als damit dem Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei teilweise stattgegeben und der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes ein Pkt. 4. angefügt wurde; zugleich wird auch der Beschluß des Erstgerichtes in Pkt. 3. seines abweisenden Teiles aufgehoben, soweit damit der betreffende Teil des Sicherungsantrages hinsichtlich der „sonstigen Mitarbeiter“ der klagenden und gefährdeten Partei abgewiesen wurde. Dem Erstgericht wird aufgetragen, über den von dieser Aufhebung betroffenen Teil des Sicherungsantrages nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden.
Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Sowohl die klagende und gefährdete Partei (im folgenden: Klägerin) als auch die erstbeklagte Partei und Erstgegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden: Erstbeklagte) betreiben unter anderem den Handel mit Kleinrechenanlagen (Microcomputern); beide haben ihren Sitz in Wien und Filialen in Graz. Der Zweitbeklagte und Zweitgegner der gefährdeten Partei (im folgenden: Zweitbeklagter ) ist Angestellter der Erstbeklagten.
Der Gesellschafter der Erstbeklagten H* L* war bis zum 26. 7. 1974 Angestellter der Klägerin gewesen, wo er die Abteilung für Microcomputer geleitet hatte; er schied dann auf eigenes Ansuchen aus, um in seinem Unternehmen zu arbeiten. Auch der Zweitbeklagte hatte früher für die Klägerin gearbeitet, und zwar als angestellter Vertreter. Er wurde am 2. 8. 1974 entlassen, weil er der Klägerin eine Reihe von Aufträgen nicht abgeliefert hatte.
Nachdem die C* AG. in Zug (Schweiz), deren Produkte die Klägerin in Österreich vertrieb, vom Ausscheiden H* L*s erfahren hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 26. 7. 1974 (Beilage E) ihr Vertretungsverhältnis mit der Klägerin zum 30. 9. 1974 auf. Auf Grund einer persönlichen Aussprache vom 14. 8. 1974 wurde dann aber diese Kündigung mit Brief vom 19. 8. 1974 (Beilage F) zurückgenommen und das Alleinvertretungsverhältnis mit der Klägerin bis auf weiteres fortgesetzt.
In ihrer am 1. 10. 1974 überreichten Klage, in welcher die Klägerin den Beklagten eine Reihe von Verstößen gegen §§ 1, 2 und 7 UWG. zum Vorwurf macht, behauptet die Klägerin unter anderem auch, daß der Zweitbeklagte im Einvernehmen mit der Erstbeklagten versucht habe, Mitarbeiter der Klägerin zum Vertragsbruch zu verleiten. So habe er sich z.B. an den gegen Honorar bestellten Dipl.‑Ing. E* K*, welcher für die Klägerin Programme erstelle, mit dem Ansinnen herangemacht, seine Tätigkeit für die Klägerin einzustellen, das bereits im voraus bezogene Honorar zurückzugeben und statt dessen für die Erstbeklagte zu arbeiten. Zur Sicherung ihres wörtlich gleichlautenden Unterlassungsbegehrens beantragt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Beklagten verboten werden soll, an Dienstnehmer und sonstige Mitarbeiter der Klägerin mit dem Ansinnen heranzutreten, unter vorzeitiger Auflösung des mit der Klägerin bestehenden Rechtsverhältnisses in die Dienste der Beklagten zu treten.
Das Erstgericht wies diesen Sicherungsantrag mangels ausreichender Bescheinigung des behaupteten Wettbewerbsverstoßes ab. Die als Auskunftsperson vernommene Gattin des Geschäftsführers der Klägerin, Dkfm. E* G*, habe zwar von einer Äußerung Dipl.‑Ing. K*s berichtet, wonach die Beklagten an ihn herangetreten seien, Aufträge der Klägerin zurückzulegen und für die Erstbeklagte zu arbeiten, weil die Klägerin nicht mehr Generalvertreterin der Firma C* sei; da dieser Generalvertretungsvertrag aber damals tatsächlich zum 30. 9. 1974 aufgekündigt gewesen sei, was die Beklagten sicherlich gewußt hätten, könne dieses Verhalten allein keine wettbewerbswidrige Abwerbung begründen.
Das Rekursgericht verbot den Beklagten (u.a.), an Mitarbeiter der Klägerin mit dem Ansinnen heranzutreten, unter vorzeitiger Auflösung des mit der Klägerin bestehenden Rechtsverhältnisses in die Dienste der Beklagten zu treten; die Abweisung des Mehrbegehrens wurde bestätigt. Aus der Aussage Dkfm. E* C*s ergebe sich, daß zwischen der Klägerin und Dipl.‑Ing. K* vertragliche Beziehungen, nämlich Auftragsverhältnisse, bestanden hatten. Die Aufforderung, Aufträge zurückzulegen, sei daher ein Versuch gewesen, Dipl.‑Ing. K*, welcher zwar nicht Dienstnehmer, wohl aber Mitarbeiter der Klägerin war, zum Vertragsbruch zu bewegen; ein solches Verhalten verstoße auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände in der Regel gegen § 1 UWG. Da jedoch ein gleichartiges Verhalten der Beklagten gegenüber Dienstnehmern der Klägerin nicht bescheinigt sei, habe die beantragte einstweilige Verfügung nur hinsichtlich von Mitarbeitern der Klägerin, nicht aber auch hinsichtlich ihrer Dienstnehmer erlassen werden können.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird in seinem stattgebenden Teil von den Beklagten mit Revisionsrekurs bekämpft; der Rekursantrag geht auf Wiederherstellung der – insoweit abweisenden – Entscheidung des Erstgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Nach dem vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ist Dipl.‑Ing. E* K* nicht Dienstnehmer der Klägerin, sondern auf Grund besonderer vertraglicher Beziehungen – bei welchen es sich allerdings entgegen der im angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung nicht um Auftragsverhältnisse, sondern vielmehr um Werkverträge handeln dürfte – für die Klägerin tätig; im Revisionsrekurs der Beklagten wird er ausdrücklich als „freier Mitarbeiter“ der Klägerin bezeichnet. Der Versuch der Beklagten, ihrer Konkurrentin einen solchen Mitarbeiter „auszuspannen“, muß aber angesichts der völlig gleichartigen Interessenlage wettbewerbsrechtlich nach den gleichen Grundsätzen behandelt werden, wie sie von Lehre und Rechtsprechung für das Abwerben von Arbeitern, Angestellten oder sonstigen Dienstnehmern eines Konkurrenten entwickelt worden sind: Danach verstößt aber das Abwerben fremder Beschäftigter grundsätzlich nur dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG., wenn verwerfliche Mittel angewendet oder verwerfliche Ziele verfolgt werden (ÖBl 1963, 72; ÖBl 1965, 116; ÖBl 1971, 122; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 82; vgl. auch Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht11 I 634 § 1 dUWG. Anm. 502); ersteres wird insbesondere bei Verleitung des Umworbenen zum Vertragsbruch oder im Fall der Beihilfe zu einem solchen Verhalten angenommen werden müssen (SZ 34/86 = EvBl 1961/457 = ÖBl 1961, 111; ÖBl 1966, 13; Arb 8781 = JBl 1970, 579 = ÖBl 1970, 71; Hohenecker-Friedl a.a.O.; Baumbach-Hefermehl a.a.O. 634 ff. Anm. 503 f.).
Das Rekursgericht hat den von der Klägerin behaupteten Versuch der Beklagten, Dipl.‑Ing. K* zum Vertragsbruch zu verleiten, allein auf Grund der Aussage Dkfm. E* C*s als bescheinigt angesehen, wonach die Beklagte an K* mit dem Ansinnen herangetreten seien, „die Aufträge der Klägerin zurückzulegen und künftig für die Erstbeklagte zu arbeiten“. Um aber verläßlich beurteilen zu können, ob die Beklagten bei dieser Kontaktaufnahme mit Dipl.‑Ing. K* wirklich darauf ausgingen, ihren Gesprächspartner zu einer Verletzung aufrechter vertraglicher Bindungen gegenüber der Klägerin zu veranlassen, bedarf es, wie die Beklagten in ihrem Revisionsrekurs zutreffend ausführen, noch ergänzender Feststellungen sowohl über die Art der zwischen der Klägerin und Dipl.‑Ing. K* bestehenden rechtlichen Beziehungen als auch über den Zeitpunkt und den Inhalt der von den Beklagten an Dipl.‑Ing. K* gerichteten Aufforderung: Erst wenn nämlich feststeht, ob und unter welchen Voraussetzungen Dipl.‑Ing. K* berechtigt war, eine Fortsetzung seiner Arbeit für die Klägerin abzulehnen, und wenn sodann klar gestellt ist, ob die Beklagten Dipl.‑Ing. K* nur zu einer jederzeit zulässigen, rechtlich einwandfreien Beendigung seines Rechtsverhältnisses mit der Klägerin oder aber dazu verleiten wollten, unter Verletzung bereits rechtswirksam übernommener Bindungen gegenüber der Klägerin künftig für die Beklagten tätig zu sein, wird die für den Erfolg des Sicherungsantrages zunächst entscheidende Frage beantwortet werden können, ob den Beklagten tatsächlich der Versuch einer Verletzung Dipl.‑Ing. K*s zum Vertragsbruch und damit ein Verstoß gegen § 1 UWG. anzulasten ist.
Bei der zur Behebung dieser Feststellungsmängel erforderlichen Verfahrensergänzung werden die Untergerichte zu beachten haben, daß sich die Klägerin zum Beweis für den von ihr als sittenwidrig qualifizierten Abwerbungsversuch der Beklagten schon in der Klage auf die Zeugen Dipl.‑Ing. E* K* und E* B* berufen hat (ON. 1 S. 7). Daß sie diesen Beweisantrag im Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht wiederholt, sondern nur Bescheinigungsmittel für die ihr durch das Verhalten der Beklagten drohenden Nachteile angeboten und es auch unterlassen hat, zur Begründung des gleichzeitig gestellten, mit dem Urteilsbegehren wörtlich übereinstimmenden Sicherungsantrages ausdrücklich auf das Vorbringen und die Beweisanbote in der Klage Bezug zu nehmen, schade nicht, soweit sich – wie es bei einstweiligen Verfügungen nach § 24 UWG. der Fall ist und auch hier zutrifft – die den Antrag auf einstweilige Verfügung begründenden Tatsachen unmittelbar aus dem Klagevorbringen ergeben und letzteres daher eine geeignete Grundlage für den Antrag im Provisorialverfahren bildet (ÖBl 1974, 85, mit weiteren Zitaten). Vor seiner neuerlichen Entscheidung über den Sicherungsantrag wird daher das Erstgericht die beiden eben genannten, von ihm bisher völlig übergangenen Personen gleichfalls in das Bescheinigungsverfahren einbeziehen müssen.
Sollte das fortgesetzte Verfahren nicht zur Bescheinigung eines Versuches der Beklagten führen, Dipl.‑Ing. K* zum Vertragsbruch zu verleiten, dann könnte schließlich auch die Feststellung des Rekursgerichtes Bedeutung gewinnen, wonach der Zweitbeklagte gegenüber Dipl.‑Ing. K* behauptete, die Klägerin habe nicht mehr die Generalvertretung der Firma C* (S. 65). Auch der Versuch, einen fremden Dienstnehmer oder sonstigen Beschäftigten durch bewußt unrichtige oder sonst irreführende Tatsachenbehauptungen zu einen Wechsel seines Arbeitgebers zu veranlassen, kann nämlich eine – ansonsten vielleicht rechtlich nicht zu beanstandende –Abwerbungshandlung zu einem sittenwidrigen Wettbewerbsverstoß machen (vgl. dazu insbes. ÖBl 1966, 13; Hohenecker-Friedl a.a.O.; Baumbach-Hefermehl a.a.O. 637 Anm. 506). Wenn die Beklagten also trotz Kenntnis des Umstandes, daß die Klägerin damals nach wie vor österreichische Generalvertreterin der Firma C* war – was freilich angesichts der am 26. 7. 1974 ausgesprochenen, am 19. 8. 1974 aber widerrufenen Kündigung dieses Rechtsverhältnisses durch die Firma C* nicht ohne ergänzende Feststellungen über den Zeitpunkt des Abwerbungsversuches und das damalige Wissen der Beklagten über den Stand der Beziehungen zwischen der Klägerin und der Firma C* gesagt werden könnte –, dem von ihnen angesprochenen Dipl.‑Ing. K* bewußt wahrheitswidrig eine Beendigung dieses Vertretungsverhältnisses vorgespiegelt hätten, um ihn auf diese Weise zur Lösung seiner Bindungen gegenüber der Klägerin zu veranlassen, dann wäre ihr Abwerbungsversuch auch unter diesem Gesichtspunkt als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. zu qualifizieren.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO. in Verbindung mit §§ 78, 402 EO.
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