OGH 6Ob4/75

OGH6Ob4/7530.1.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Samsegger, Dr. Resch und Dr. Schubert als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* K*, gastgewerblicher Unternehmer, *, vertreten durch Dr. Herbert Friedl und Dr. Müller-Strobl, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei O* L*, gastgewerblicher Unternehmer, *, vertreten durch Dr. Heribert Melion, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 53.969,  s. A. und Feststellung (Revisionsinteresse insgesamt S 51.359,50) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 18. 10. 1974, GZ. 1 R 391/74‑39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 12. 7. 1974, GZ. 15 C 178/74‑34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0060OB00004.75.0130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.299,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 155,52 Umsatzsteuer und S 1.200 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte den Zuspruch von S 53.969,– s. Nbg. als Schadenersatz und Schmerzengeld sowie die Feststellung, dass der Beklagte für sämtliche Schäden, welche ihm auf Grund des Unfalls vom 22. 11. 1971 in Zukunft erwachsen sollten, schadenersatzpflichtig sei. Er brachte vor, dass er am 22. 11. 1971 knapp vor Mitternacht auf dem total vereisten, allenfalls schneeglatten Weg, welcher zum gastgewerblichen Unternehmen des Beklagten geführt habe, gestürzt sei. Der Beklagte habe seine Pflicht, den Zugang zu seinem Lokal eisfrei und gefahrlos zu halten, verletzt. Er hafte für den eingetretenen Schaden nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzes sowie auf Grund der Bestimmungen der §§ 93 StVO. und 1311 ABGB.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Er wandte ein, er habe dem Landwirt J* K* einen Dauerauftrag erteilt, bei jedem Schneefall sofort die Schneeräumung der Zufahrt und des Parkplatzes vor dem Lokal vorzunehmen. Am 22. 11. 1971 habe es aber erst um 19 h zu schneien begonnen, sodass K* erst am nächsten Morgen gekommen sei. Da bei Betriebseröffnung um 20 h schon so viel Schnee gefallen gewesen sei, dass PKWs, die Zufahrt nicht mehr benützen konnten, habe der Beklagte das Lokal an diesem Tag überhaupt nicht geöffnet und auch nicht beleuchtet. Der Kläger hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit schon von weitem feststellen können, dass die Diskothek geschlossen sei. § 93 StVO, sei nicht anwendbar, da das Lokal nicht im Ortsgebiet, sondern außerhalb desselben und auch nicht an einer öffentlichen Straße liege. Außerdem sei dem Beklagten nicht zumutbar, selbst ohne entsprechende Geräte die 100 m lange Auffahrt von Schnee zu räumen. Es sei auch unrichtig, dass der Kläger im Bereich des Lokals gestürzt sei. Überdies werde der Anspruch der Höhe nach bestritten.

Das Erstgericht sprach dem Kläger den Betrag von S 26.359,50 samt Nebengebühren zu und stellte überdies fest, dass der Beklagte für die Hälfte der dem Kläger in Zukunft aus dem Unfall erwachsenden Schäden ersatzpflichtig sei. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Das Gebäude, in welchem der Beklagte im Winter 1971/72 die Diskothek E* betrieb, liegt am Rande eines locker verbauten Siedlungsgebietes auf einer Anhöhe etwa 100 m nördlich und 10 m oberhalb der S*straße, die von L*dorf in Richtung Westen führt. Man erreicht das Gebäude auf einem nicht asphaltierten Weg, der von der Straße in Serpentinen auf den Hügel bis zu einer ebenen, nicht asphaltierten Fläche östlich des Gebäudes führt, welche den Besuchern des Lokales als Parkplatz dient. Der Eingang an der Ostseite des Gebäudes ist über drei teilweise überdachte Stufen zu erreichen. Der Zufahrtsweg ist ein Privatweg, die Liegenschaft lag außerhalb des durch Ortstafeln gekennzeichneten Ortsgebietes von W*. Auf dem Dach der Diskothek befand sich eine Leuchtreklame in der Länge von etwa 10 m. Oberhalb der Eingangstür war eine weitere Leuchtreklame von etwa 1 ½ m Länge angebracht. Beide Reklamen wurden vom Beklagten immer bei Betriebseröffnung um ungefähr 19,30 h eingeschaltet und um ungefähr 23 h, wenn keine Gäste mehr kamen, ausgeschaltet. Bei Lokalsperre waren die Reklamebeleuchtungen nicht eingeschaltet. Am Gang hinter der Eingangstür brannte während der Betriebszeiten eine Neonbeleuchtung. Im Privatzimmer des Beklagten rechts neben der Eingangstür ließ der Beklagte auch bei Betriebssperre Licht brennen, um sich vor Dieben zu schützen. Die Reklame oberhalb der Eingangstür und die Beleuchtung hinter der Eingangstür und im Privatzimmer des Beklagten können von der S*straße aus nicht gesehen werden. Erst aus einer Entfernung von etwa 20 m sieht man das Licht im Privatzimmer und auf etwa 10 m Entfernung das Licht hinter der Eingangstüre. Vom Hausdach kann auf die ebene Fläche östlich des Gebäudes kein Wasser abrinnen. Am Beginn der Zufahrt stand neben der S*straße eine alte Blechtafel mit der verwitterten Aufschrift „Rasthaus E*“. Der Beklagte führte die Diskothek als Jahresbetrieb. Es schaltete nie einen Ruhetag ein und sperrte das Lokal im Winter 1971/72 nur am 22. 11. 1971 und zu Sylvester, beide Male wegen starken Schneefalls. Außer der Diskothek im Keller betrieb der Beklagte im Erdgeschoss des Hauses ein Espresso, das immer um 19,30 h zusperrte. Der Beklagte war Pächter der gesamten Liegenschaft und hatte eine eigene Gasthauskonzession. Er betraute fallweise den Landwirt J* K* mit der Schneeräumung auf der Zufahrt zum Lokal und auf dem Parkplatz. Einen Dauerauftrag erteilte er ihm jedoch nicht. Üblicherweise wird der Ruhetag in einem Gastbetrieb durch Anbringung einer gut sichtbaren Aufschrift an der Außenseite des Lokales angekündigt. Bei Lokalen, die nicht unmittelbar neben einer öffentlichen Verkehrsfläche, sondern abseits liegen, ist es üblich, die Einschaltung des Ruhetages schon am Beginn der Zufahrt oder des Zuganges anzuzeigen. Im Jahresbetrieb ist es üblich, auch an Ruhetagen Zufahrtswege vom Schnee zu räumen und begehbar zu halten.

Am Morgen des 22. 11. 1971 lag Schnee in der Höhe von 7 cm und es begann neuerlich mit Unterbrechungen zu schneien. Von 13 Uhr bis 9,40 h des 23. 11. 1971 schneite es stark und ununterbrochen. Am 23. 11. 1971 lagen 29 cm Schnee. Die tiefste Temperatur betrug am 22. 11. 1971 minus 7,7 Grad, die höchste 0,2 Grad. Zwischen 23 und 24 Uhr herrschte eine Temperatur von minus 1,8 Grad. Zu einer Glatteisbildung im üblichen Sinn kommt es unter einer Neuschneedecke nicht.

Der Beklagte konnte am Nachmittag des 22. 11. 1971 mit seinem PKW. die Zufahrt noch ohne Schwierigkeiten benützen. Er schob den Schnee auf der Fläche vor der Diskothek und auf der Zufahrt zur Seite und streute vor der Diskothek und auf der Zufahrt Asche aus. Der Schneefall wurde dann so stark, dass ein Taxi, mit dem seine Serviererin ankam, die Auffahrt nicht mehr benützen konnte. Der Beklagte rief daher bei J* K* an und bat um die Räumung der Zufahrt. Er erfuhr, das K* bei der Schneeräumung unterwegs sei und schon kommen werde. Nachdem K* nicht kam und sich auch keine Gäste einstellten, sperrte der Beklagte um 21 h das Lokal und besuchte zu Fuß ein Gasthaus in W*. Er ließ die Gangbeleuchtung hinter der Eingangstür seines Lokals und das Licht in seinem Privatzimmer brennen, schaltete jedoch die Leuchtreklamen aus. Einen Hinweis, dass das Lokal gesperrt oder Ruhetag sei, brachte der Beklagte weder beim Gebäude noch bei der Hinweistafel am Beginn der Zufahrt neben der S*straße an.

Der Kläger wollte in der Nacht zum 23. 11. 1971 mit mehreren Begleitern die Diskothek des Beklagten besuchen. Er fuhr mit dem PKW. bis zum Beginn der Zufahrt, stieg dort aus und ging zum Lokal, um nachzusehen, wer sich dort aufhält. Der Kläger hatte Schuhe mit griffigen Sohlen und kam ohne große Schwierigkeiten durch den Neuschnee auf der Zufahrt bis zum Lokal. Auf Grund der Beleuchtung hinter der Eingangstür und im Privatzimmer des Beklagten hatte er den Eindruck, dass das Lokal geöffnet sei. Nachdem der Kläger festgestellt hatte, dass die Eingangstür zur Diskothek versperrt war und keine Geräusche aus dem Lokal drangen, stieg er die drei Stufen von der Eingangstür wieder hinab, rutschte nach dem Verlassen der Stufen wegen des tiefen Neuschnees zunächst leicht, erlangte wieder das Gleichgewicht, rutschte jedoch beim übernächsten Schritt noch einmal aus und stürzte etwa 5 m von der Diskothek entfernt zu Boden, wodurch er sich einen Bruch des linken Knöchels zuzog. Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger auf Glatteis ausgerutscht und gestürzt ist, oder dass eine besondere Glätte infolge zusammengepressten Schnees unter der Neuschneedecke Ursache des Sturzes war. Der Sturz kann nur so erklärt werden, dass durch den Tritt in den Neuschnee dieser zusammengepresst wurde und eine kleine Rutschfläche bildete, auf welcher der Kläger infolge unsachgemäßer Gewichtsverlagerung beim Gehen ausglitt. Zur Zeit des Vorfalls schneite es sehr stark.

Das Erstgericht traf ferner die im Berufungsverfahren der Höhe nach unbekämpft gebliebene Feststellung, dass der Schaden des Klägers insgesamt S 52.719,– beträgt, davon S 35.000,– Schmerzengeld.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, vom Beklagten könne zwar nicht gefordert werden, dass er während der Betriebssperre auch bei andauerndem starken Schneefall ununterbrochen die Zufahrt zu seinem Lokal und die Parkfläche säubere. Er hätte aber am Beginn des Zufahrtsweges die Betriebssperre ankündigen müssen. Durch seine Unterlassung und durch die Beleuchtung des Privatzimmers habe er den Eindruck erweckt, das Lokal sei geöffnet. Er habe damit in Kauf genommen, dass Personen die Zufahrt benützen und damit den Personenverkehr auf derselben trotz deren Gefährlichkeit ermöglicht. Den Kläger treffe allerdings ein gleichteiliges Verschulden, da von ihm wegen der hohen Schneelage eine erhöhte Aufmerksamkeit zu erwarten gewesen sei.

Während der Kläger die Abweisung seines Mehrbegehrens unbekämpft ließ, erhob der Beklagte gegen das Ersturteil Berufung aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde. Es vertrat die Rechtsansicht, dass von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes auszugehen sei. Dem Beklagten sei wegen der andauernden Schneefälle eine ununterbrochene Schneeräumung nicht zumutbar gewesen. Es hätte ihn daher auch bei Betrieb des Lokales keine Haftung für den Unfall getroffen. Dass er es unterlassen habe, die Betriebssperre anzukündigen, sei somit für den Unfall nicht kausal. Die vorzeitige Sperre des Lokales habe keine zusätzliche Sicherungspflicht geschaffen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Ersturteil wieder hergestellt werde oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Kläger, dass das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes ungeprüft übernommen und Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht wahrgenommen habe.

Es ist richtig, dass nach Lehre und nunmehr ständiger Rechtsprechung (Fasching IV, 71; SZ 26/262, EvBl 1962 Nr. 302 S. 393; SZ 44/46 u. v. a., zuletzt 1 Ob 117/74), die siegreiche Partei das Recht, die erstrichterlichen Feststellungen im Revisionsverfahren zu bekämpfen, selbst dann nicht verliert, wenn sie dies in der Berufungsmitteilung oder der Berufungsverhandlung unterlassen hat. Das Berufungsgericht hätte daher die Feststellungen des Erstgerichtes nicht ungeprüft seiner Entscheidung zu Grunde legen dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen, sich dann, wenn es die Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht teilt, mit allen tatsächlichen Einwendungen der in erster Instanz siegreichen Partei auseinanderzusetzen. Diese Unterlassung kann allerdings nur dann eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründen, wenn die vom Revisionswerber gewünschten oder bekämpften Feststellungen für die Entscheidung wesentlich sind. Dies ist jedoch hier nicht der Fall.

Der Kläger bemängelt zunächst, dass das Berufungsgericht nicht erörtert habe, wann der Beklagte am 22. 11. 1971 die Fläche vor der Diskothek von Schnee gesäubert und auf welche Weise er dies getan habe. Dazu hat das Erstgericht auf Grund der Parteiaussage des Beklagten festgestellt, dass dieser am Nachmittag den Schnee auf der Fläche vor der Diskothek und auf der Zufahrt beiseite geschoben und vor der Diskothek auf der Zufahrt Asche gestreut habe. Der Kläger führt nun in der Revision nicht aus, welche Feststellung die Untergerichte richtigerweise hätten treffen müssen. Selbst wenn man die für ihn günstigste Feststellung annehmen wollte, dass nämlich eine Schneeräumung und Streuung an diesem Tag überhaupt nicht stattgefunden hat, wäre aber für den Kläger, wie noch zur Rechtsrüge ausgeführt werden wird, nichts gewonnen, sodass die Unterlassung des Berufungsgerichtes für die Entscheidung bedeutungslos war. Gleiches gilt naturgemäß auch für die vom Kläger vermisste Feststellung der Schneehöhe im Zeitpunkt der Räumungsarbeiten durch den Beklagten und die Unterlassung der Befragung der Zeugin K* über diese Arbeiten. Auch die Fragen, ob die Lichtreklamen am Lokal des Beklagten eingeschaltet waren und wann er täglich die Diskothek öffnet, sind für die Entscheidung nicht wesentlich, weil es nicht darauf ankommt, ob das Lokal im Unfallszeitpunkt offen oder geschlossen war.

Der Kläger wendet sich schließlich gegen die Feststellung, dass er wegen des tiefen Neuschnees ins Rutschen gekommen und nach Verlust des Gleichgewichtes gestürzt sei. Er meint, dieser Neuschnee könne für sich allein noch kein Ausrutschen herbeiführen, sondern es sei erforderlich, dass der Boden unter dem Neuschnee glatt sei. Ob dieser Umstand dadurch eingetreten sei, dass der Beklagte im Zuge der Schneeräumung den Untergrund geglättet und an dieser Stelle keine Asche gestreut habe oder durch den Anstieg der Temperatur während des Tages eine Vereisung eingetreten sei, habe weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht in Erwägung gezogen. Das zweimalige Ausrutschen des Klägers und der folgenschwere Sturz ließen jedenfalls schlüssig die Vermutung zu, dass der Boden im Bereich der Sturzstelle besonders rutschig gewesen sei. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass das Erstgericht sich mit dieser Frage auseinandergesetzt und angenommen hat, dass der Neuschnee durch den Tritt des Klägers zusammengepresst wurde, eine kleine Rutschfläche bildete und der Kläger auf dieser infolge unsachgemäßer Gewichtsverlagerung ausgeglitten sei. Die Revision sagt nun selbst nicht, welche genaue Feststellung die Untergerichte hätten treffen müssen. Es ist ihr lediglich zu entnehmen, dass sie die Feststellung vermisst, dass der Boden im Bereich der Sturzstelle besonders rutschig gewesen sei. Auch eine solche Feststellung würde jedoch am Prozessergebnis nichts ändern. Denn da dem Beklagten, wie noch ausgeführt werden wird, eine ununterbrochene Schneeräumung nicht zumutbar war und er keine Schutzvorschrift übertreten hat, würde er für den Unfall nur haften, wenn er jene angeblich besonders rutschige Stelle erkannt hätte oder erkennen musste und trotzdem nichts gegen die Rutschgefahr unternommen hätte. Solche Feststellungen wurden jedoch vom Erstgericht nicht getroffen und ihr Fehlen in der Revision vom Kläger nicht bemängelt. Ist aber ein Verschulden des Beklagten am Sturz des Klägers nicht feststellbar, dann ist es auch bedeutungslos, aus welchen sonstigen Gründen es zu dem Unfall gekommen ist. Was aber schließlich die Frage anlangt, ob der Beklagte bei Öffnung der Diskothek zur nochmaligen Schneeräumung verpflichtet war, handelt es sich hiebei um eine reine Rechtsfrage.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist daher für die Entscheidung nicht wesentlich.

Geht man aber von jenen Feststellungen des Erstgerichtes aus, welche von der Revision nicht in Zweifel gezogen werden, dann kann auch der Rechtsrüge kein Erfolg beschieden sein.

Es kann dahingestellt bleiben, ob § 93 Abs. 1 StVO., wie die Revision meint, im vorliegenden Fall anzuwenden wäre. Denn auch dies würde für den Kläger zu keinem günstigeren Ergebnis führen. Durch die Vorschrift des § 93 Abs. 1 StVO., wonach die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten dafür zu sorgen haben, dass die dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6 h bis 22 h von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind, soll den erhöhten Gefahren bei Benützung vereister oder mit Schnee bedeckter Verkehrsflächen durch zumutbare Maßnahmen begegnet werden. Die Streupflicht und das zumutbare Ausmaß derselben werden im Einzelfall durch diesen Zweck bestimmt. Die Haftung darf dabei nicht überspannt werden. Die für den Streupflichtigen notwendige Arbeit muss daher in einem vernünftigen Verhältnis zur Erreichung des Zieles stehen. Daher ist eine solche Arbeit dann nicht zu fordern, wenn sie nur zu einer unwesentlichen oder nur ganz vorübergehenden Herabminderung der dem Verkehr drohenden Gefahren führen würde. Bei andauerndem starken Schneefall bleiben aber die Schneeräumung und das Streuen für die Verkehrssicherheit praktisch nutzlos, da der geräumte Schnee sofort wieder erneuert wird und auch die Streuung im Neuschnee wirkungslos wird. Dem könnte nur durch ununterbrochene Schneeräumung einigermaßen begegnet werden, was dem Beklagten aber nicht zumutbar war (Geigel, Der Haftpflichtprozess15 S. 440, ÖRZ 1933 S. 229, ZVR 1970 Nr. 28 S. 43, ZVR 1972 Nr. 153 S. 299 u. a.). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Zufahrt ca. 100 m lang war und daher auch bei fortgesetzter Schneeräumung und Streuung keine lückenlose Räumung erreicht werden könnte. Auf die §§ 1311 ABGB., 93 Abs. 1 StVO. kann daher eine Haftung des Beklagten nicht gestützt werden.

Gleiches gilt aber für die Haftung des Beklagten aus seiner Verkehrssicherungspflicht als Gastwirt. Diese ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes gemäß § 1295 Abs. 1 ABGB. und trifft jeden, der auf ihm gehörigen oder seiner Verfügung unterstehenden Grund und Boden einen Verkehr für Menschen eröffnet (JBl 1964, 421, SZ 43/204 u. a.). Sie ist unabhängig vom Zustandekommen eines Gastaufnahmevertrages (SZ 43/204). Eine Verpflichtung des Beklagten zur fortwährenden Schneeräumung und Streuung liegt jedoch bei andauernden stärkeren Schneefällen, welche die Wirkung der Schneesäuberung in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder zunichte machen, wie ausgeführt nicht vor, sodass auch kein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht gegeben ist. Denn auch die im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen dürfen die Grenzen des Zumutbaren nicht überschreiten (EvBl 1974 Nr. 248 S. 546; JBl 1965 S. 474).

War jedoch der Beklagte nicht zur dauernden Schneeräumung bis in die späte Nacht hinein verpflichtet, dann würde er für den Unfall nur haften, wenn er in einem solchen Fall verpflichtet gewesen wäre, das Lokal zu schließen und auf diese Tatsache am Beginn des Zufahrtsweges hinzuweisen. War er dagegen berechtigt, auch unter diesen Umständen das Lokal offen zu halten, dann war die Unterlassung einer solchen Anzeige, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht unfallskausal. Eine solche Verpflichtung zur Schließung des Lokals wegen des durch die ununterbrochenen Schneefälle schwerer begehbaren Zufahrtsweges bestand jedoch nicht. Eine Sperre des Lokales kann nämlich dann nicht gefordert werden, wenn die Gefahr für die Benützung des Weges leicht erkennbar und durch entsprechende Aufmerksamkeit auch abwendbar ist. Dies ist jedoch bei einem stark verschneiten Weg sicherlich der Fall. Andernfalls wären nämlich sowohl die Straßenverwaltung als auch private Grundeigentümer ebenfalls verpflichtet, durch ununterbrochene Schneefälle verschneite Straßen und Gehsteige für den Verkehr zu sperren, wenn sie nicht riskieren wollen, haftpflichtig zu werden. Dass dies mit unzumutbaren Nachteilen für die Straßenbenützer verbunden wäre, bedarf keiner Erörterung. Es kommt daher immer nur darauf an, ob der Betriebsinhaber die ihm zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat. Da im vorliegenden Fall wegen der ununterbrochenen starken Schneefälle eine fortlaufende Schneeräumung nicht zumutbar war, jede andere Art der Schneeräumung aber wirkungslos geblieben wäre, ist es bedeutungslos, wann die letzte Schneeräumung durch den Beklagten stattgefunden hat. Denn auch von einer allfälligen Schneeräumung um 22 h (§ 93 Abs. 1 StVO.) wären bis zum Unfallszeitpunkt noch fast 2 Stunden verstrichen, in denen es stark schneite, womit der Erfolg der Räumung wieder zunichte gemacht worden wäre. Bei derartigen Witterungsverhältnissen muss jedermann zugemutet werden, dass er eine erhöhte Aufmerksamkeit anwendet, und sich nicht auf getroffene Sicherheitsmaßnahmen verlässt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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