OGH 1Ob8/75

OGH1Ob8/7522.1.1975

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petretto, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, Kraftfahrer, *, vertreten durch Dr. Jörg Iro, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei M*, Verkäuferin, *, vertreten durch Dr. Erich Aichinger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Feststellung (Streitwert 36.000,— S) infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1974, GZ R 411/74-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 8. Juli 1974, GZ 2 V 700/73-23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00008.75.0122.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe:

Am 13. Juli 1972 schlossen die Streitteile, die damals verheiratet waren, vor dem Bezirksgericht Vöcklabruck einen Vergleich, in dem sich der Kläger für den Fall seiner rechtskräftigen Scheidung seiner Ehe mit der Beklagten verpflichtete, dieser mit Rechtskraft des Scheidungsurteiles einen monatlichen Unterhalt von S 1.000,‑‑ sowie je den beiden ehelichen Kindern monatlich je S 750,— zuzüglich der Familienbeihilfe zu bezahlen; die Streitteile gingen dabei nach dem Wortlaut des Vergleiches von einem monatlichen Nettoeinkommen des Klägers von S 4.500,— zuzüglich Kinderbeihilfe und davon aus, dass die Beklagte im Hinblick auf das Alter der Kinder (geboren 1964 und 1965) nicht in der Lage sei, einer Beschäftigung nachzugehen. Bezüglich des Unterhaltes sollten sämtliche Erlöschens- bzw. Ruhensfolgen gelten. Mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 21. September 1972, 3 Cg 281/72, wurde die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden des nunmehrigen Klägers geschieden.

Mit seiner am 16. April 1974 überreichten Klage begehrte der Kläger mit der Behauptung, seit Abschluss des Vergleiches hätten sich die Verhältnisse auf beiden Seiten wesentlich geändert, der Kläger verdiene wesentlich weniger und habe seinen Beruf als Kraftfahrer aufgeben müssen, wogegen die Beklagte als Verkäuferin und Bedienerin tätig sei, das Urteil, es werde festgestellt, die Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten sei infolge wesentlich geänderter Verhältnisse ab dem 12. April 1973 zur Gänze erloschen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe wieder geheiratet und sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Kraftfahrer, als welcher er seit dem Antritt der Beschäftigung am 3. Juli 1972 bis zum 31. Dezember 1973 einschließlich der Taggelder und Sonderzahlungen S 229.473,90 verdient habe, sondern nun als Tischler tätig, verdiene aber ohne Familienbeihilfen monatlich S 7.711,50 netto. Die Beklagte habe nach der Scheidung regelmäßig eine Halbtagsbeschäftigung angenommen, weil sie mit S 1.000,-- monatlich nicht leben könne; sie verdiene nicht mehr als ca. S 3.500,‑‑ monatlich. Die Verhältnisse hätten sich nicht so wesentlich geändert – der Kläger verdiene mehr als er bei Abschluss des Vergleiches angegeben habe –, dass eine Herabsetzung oder ein Erlöschen der Unterhaltsverpflichtung gerechtfertigt wäre. Es sollten lediglich die gesetzlichen Ruhens- und Erlöschensgründe gelten; in den Vergleich sei hingegen nicht aufgenommen worden, dass die Unterhaltszahlungen erlöschen sollten, wenn die Beklagte einer Arbeit nachgehe.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es den Unterhaltsanspruch der Beklagten ab 16. April 1973 hinsichtlich S 400,— monatlich für erloschen erklärte und nur das Mehrbegehren abwies. Der Vergleich sei eine wirksame Vereinbarung im Sinne des § 80 EheG. Solchen Unterhaltsabmachungen liege die Änderungsklausel zugrunde, die nur dann nicht gelte, wenn die Vergleichspartner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf die Geltendmachung von Änderungen verzichtet haben. Von einem solchen zweifelsfreien Verzicht könne hier keine Rede sein. Jede wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse seit dem Vergleichsabschluss sei daher zu beachten. Der eigene Verdienst der Beklagten rechtfertige die Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Klägers auf S 600,—.

Gegen die jeweils ihrem Standpunkt nicht stattgebenden Teile des berufungsgerichtlichen Urteiles richten sich die Revisionen beider Streitteile, die den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend machen. Der Kläger beantragt, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, dass die Unterhaltsverpflichtung des Klägers seit 16. April 1973 erloschen sei. Die Beklagte beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteiles dahin, dass die Berufung des Klägers verworfen und das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde.

Beide Streitteile beantragten, der Revision der Gegenseite keine Folge zu geben.

Gemäß § 502 Abs 2 Z 1 ZPO ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes ein weiterer Rechtszug unzulässig. Mit der Frage, inwieweit dann, wenn Unterhalt mittels Vertrages oder gerichtlichen Vergleiches festgesetzt wurde, bei einem späteren Rechtsstreit der Grund des Anspruches berührt werde oder aber über die Bemessungsfrage entschieden werde, befasste sich auch das grundlegende Judikat 60 neu = SZ 27/177. In diesem wurde ausgeführt, dass das Ermessen des Gerichtes bei Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes auch durch eine vertragliche Regelung der Höhe des Unterhaltes beeinflusst werden könne; liege eine solche Vereinbarung vor, dann werde das Gericht auf eine Änderung des vertraglich festgelegten Unterhaltes nur dann erkennen, wenn die Verhältnisse andere geworden seien; es werde die bei Abschluss der Vereinbarung von den Streitteilen offensichtlich angewendeten oder ausdrücklich vereinbarten Messungsgrundsätze berücksichtigen. Durch Verträge oder Vergleiche könne sowohl die Frage nach dem Grund als auch die nach der Höhe des Anspruches in gleicher Weise berührt werden, ohne dass eine scharfe Trennung möglich sei. Da aber Rechtsmittelbeschränkungen grundsätzlich einschränkend auszulegen seien, müsse die Entscheidung der zweiten Instanz, soweit sie sich mit der Frage der Auswirkung eines Vertrages (Vergleiches) auf die Unterhaltsbemessung befasse, als anfechtbar bezeichnet werden. In seinem Punkt IV lautete demnach das Judikat 60 dahin, dass der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes die Frage offenstehe, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt. Damit wurde jedoch die Anfechtbarkeit einer zweitinstanzlichen Entscheidung bei Vorliegen eines Vertrages oder gerichtlichen Vergleiches keineswegs allgemein anerkannt, sondern nur für den Fall, in dem die Wirksamkeit des Vertrages oder Vergleiches oder aber dessen Auslegung strittig und damit Gegenstand der Revision ist (vgl RZ 1967, 107 ua). Behaupten hingegen die Streitteile gar nicht, ein Vergleich sei nicht wirksam zustandegekommen oder sei unrichtig ausgelegt worden, sondern gehen sie davon aus, dass nach dem Vergleich eine Änderung der Verhältnisse die Neubemessung des Unterhaltes rechtfertige, und hängt die Entscheidung allein davon ab, inwieweit seit dem Vergleichsabschluss eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, hat sie allein die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches zum Gegenstand und kann daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden (EvBl 1967/391 ua). Im vorliegenden Fall gehen beide Streitteile von der Wirksamkeit des Vergleiches aus, es besteht aber auch kein Streit darüber, dass eine Änderung der Verhältnisse eine neue Festsetzung des Unterhaltes zur Folge haben sollte. Der Kläger vertritt aber immerhin die Auffassung, dass bei Bedachtnahme auf sein seinerzeitiges tatsächliches Einkommen von rund S 12.000,— monatlich der Unterhaltsbetrag für die Beklagte so niedrig bemessen gewesen sei, dass er nichts anderes als eine Starthilfe für die Beklagte gewesen sei, die nunmehr wegen Verschlechterung der Einkommenslage des Klägers und Fähigkeit der Beklagten, für ihren Unterhalt selbst zur Gänze zu sorgen, wegzufallen habe, wogegen die Beklagte behauptet, der Kläger habe kein Vorbringen erstattet, das ein Erlöschen ihres Unterhaltsanspruches bewirken hätte können; Gegenstand des Verfahrens vor den Untergerichten sei lediglich das Abwägen der beiderseitigen Einkünfte gewesen, aber keineswegs die Frage, ob Tatsachen vorliegen, die einen Unterhaltsanspruch dem Grunde nach berühren; der Kläger hätte Gründe behaupten müssen, die einen Unterhaltsanspruch vernichten. Diese Ausführungen betreffen nicht nur die Bemessung des Unterhaltes, so dass im Sinne des Judikates 60 die Revisionen als zulässig angesehen werden können, ohne dass allerdings bei mangelnder Berechtigung der Revisionen auf die Prüfung der Bemessung des Unterhalts eingegangen werden dürfte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Der Kläger führt aus, sein Einkommen sei im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses unter Rechtskraft des Scheidungsurteiles recht hoch gewesen, der vereinbarte Unterhaltsbetrag daher relativ niedrig und nichts anderes als eine Zuwendung an die Beklagte gewesen, um ihr nach der Ehescheidung den Start für ein neues Leben zu erleichtern. Zwischenzeitlich habe sich die wirtschaftliche Lage des Klägers derart verschlechtert, dass der Anspruch der Beklagten zur Gänze erloschen sei. Der Kläger behauptete damit sinngemäß auch, der Vergleich sei nicht allein unter Beachtung der Grundsätze für die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes abgeschlossen worden, sondern die Beklagte habe sich von Haus aus nur mit einer relativ niedrigen vorüber-gehenden Unterhaltsleistung des Klägers zufriedengegeben, was auch nunmehr berücksichtigt werden müsse. Die Rechtsprechung geht auch tatsächlich dahin, dass die Parteien, die einen Unterhaltsvertrag schließen, damit die Unterhaltsfrage unabhängig von einem Verschuldensausspruch regeln und den Unterhalt von vornherein in den vereinbarten Grenzen halten wollen (EFSlg 10.090 ua). Mit Recht wird jedoch die Auffassung vertreten, dass auch der durch Vereinbarung festgelegte Unterhalt solange den Charakter eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches behält, als sich die Vereinbarung im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltsbestimmungen bewegt und nur in diesem Rahmen eine Fixierung und Konkretisierung des Unterhaltsanspruches der Höhe und den Leistungsmodalitäten nach bedeutet; ungeachtet der vertraglichen Festsetzung kann daher eine Änderung des Unterhaltsanspruches wegen Änderung der gesetzlichen Voraussetzungen begehrt werden, der Unterhaltsanspruch aber auch mit Fortfall der gesetzlichen Voraussetzungen gänzlich entfallen (Schwind in Klang² I/1, 907). Im vorliegenden Fall kann keine Frage bestehen, dass die Streitteile sich bei Abschluss des Vergleiches im Rahmen des bei Scheidung einer Ehe aus dem Verschulden des Ehegatten geschuldeten gesetzlichen Unterhalts halten wollten. Entgegen der Darlegungen der Revision gingen die Streitteile nicht von einem monatlichen Einkommen des Klägers von S 12.000,-‑, sondern einem solchen von S 4.500,— zuzüglich Familienbeihilfe aus; der Kläger hat damals also entweder unrichtige Angaben gemacht, oder aber, da er seine Tätigkeit als Kraftfahrer beim damaligen Dienstgeber gerade erst aufgenommen hatte, selbst nicht gewusst, wieviel er tatsächlich verdienen werde. Bei Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen seinen ehelichen Kindern gegenüber war aber dann die Festsetzung eines Unterhaltsbetrages von S 1.000,— monatlich für die Beklagte durchaus im Rahmen der Bemessungsgrundsätze für den gesetzlichen Unterhalt, der Betrag jedenfalls aber nicht relativ oder auffallend niedrig. Dass nicht die Absicht bestand, den Unterhalt vom Gesetz abweichend zu regeln, ergibt sich auch daraus, dass die Unzumutbarkeit einer Berufsausübung durch die Beklagte erwähnt und hervorgehoben wurde, dass alle gesetzlichen Unterhaltserlöschungs- und ‑ruhensgründe gelten sollten. Die Tatsache, dass die Unterhaltszahlungen des Klägers an die Beklagte vergleichsweise geregelt wurden, konnte damit aber entgegen der Auffassung der Revision auf die Beurteilung der nunmehrigen Unterhaltsbestimmung durch die Untergerichte nicht von maßgeblichem Einfluss sein. Das Berufungsgericht ist vielmehr richtig wie bei Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes vorgegangen. Ohne Bedeutung wäre es aber, falls die Beklagte in der Zwischenzeit ohne Aufnahme einer Lebensgemeinschaft geschlechtliche Beziehungen mit einem Mann unterhalten haben sollte.

Die Revision der Beklagten behauptet lediglich, der Kläger habe ein Erlöschen des Unterhaltsanspruches dem Grunde nach behauptet, aber keine Tatsachen behaupten können, die einen solchen Anspruch rechtfertigten. Hiemit geht die Revision aber weder von den Behauptungen des Klägers noch vom festgestellten Sachverhalt aus. Der Kläger behauptete – von der später vorgebrachten und nicht erweislichen Lebensgemeinschaft abgesehen – nur, seine Unterhaltsverpflichtung sei weggefallen, weil die Beklagte sich selbst erhalte, er selbst aber nur mehr vermindert leistungsfähig sei. Er wollte also die Bemessung seiner Unterhaltsverpflichtung mit Null wegen Wegfalls der Bedürfnisse der Beklagten und wegen eigener Leistungsunfähigkeit erreichen, was ihm jedoch nur zum Teil gelang. Die Auffassung der Revision, der Kläger habe keinen Rechtsgrund dargetan, der die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung der Leistungsverpflichtung des Klägers gerechtfertigt hätte, entspricht daher nicht der Aktenlage.

Beiden Revisionen ist demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 43 Abs 150 ZPO. Beide Parteien hatten mit der Bekämpfung der Berechtigung der Revision der Gegenseite recht; der Streitwert für die Revisionsbeantwortung der Beklagten betrug S 21.600,—, für die des Klägers hingegen nur S 14.400,-‑. Die Beklagte könnte damit die Kostendifferenz ersetzt begehren. Ihre Kosten wurden mit S 1.552,20 verzeichnet, die des Klägers hingegen wegen unrichtiger Annahme eines Streitwertes von S 36.000,— mit S 1.989,60. Sie hätten richtig unter Berücksichtigung des 20%igen Zuschlages laut BGBl 1974/646 S 1.639,68 betragen. Dieser Betrag ist höher als der von der Beklagten verzeichnete, da diese den 20%igen Zuschlag nicht beachtet hatte. Dem Kläger kann jedoch nichts zugesprochen werden, da wegen geringeren Obsiegens ihm kein Kostenersatzanspruch zusteht. Die Beklagte kann wiederum nicht die Differenz zwischen beiden Kostenbeträgen beanspruchen, da sie weniger Kosten verzeichnet hatte als der Kläger begehrt hatte und begehren kann. Unter diesen Voraussetzungen sind die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufzuheben.

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