OGH 7Ob12/74

OGH7Ob12/747.3.1974

 

Spruch:

Die Unterbrechung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist ist nicht denkbar; das Anerkenntnis einer verjährten Forderung bedeutet in der Regel den Verzicht auf die Verjährungseinrede

Das Anerkenntnis des Anspruches auf Naturalersatz unter ausdrücklicher Ablehnung des Anspruches auf Geldersatz enthält den Verzicht auf die Verjährungseinrede nur im ersten Teil; der Forderung nach Geldersatz kann - abgesehen vom Fall der Geltendmachung des Interesses nach § 368 EO - der Verjährungseinwand wirksam entgegengesetzt werden

 

OGH 7. März 1974, 7 Ob 12, 13/74 (OLG Wien 1 R 169/73; HG Wien 29 Cg 470/71)

 

 

Die Klägerinnen begehren Schadenersatz in Geld auf Grund der unbestrittenen Vertragsverpflichtung der Beklagten alle durch die Anlage und Erhaltung eines über das Grundstück der Klägerinnen geführten Kanals entstehenden Schäden "zu beseitigen bzw. zu ersetzen."

Die Beklagte, die für den Ersatz von Humusbelag außergerichtlich 2000 S angeboten hatte und diesen Teilbetrag auch im Prozeß anerkannte, wendete im übrigen Verjährung ein und bestritt die Schadenszufügung.

Das Erstgericht wies nach Erlassung eines Teilanerkenntnisurteiles das restliche Klagebegehren mit Endurteil zur Gänze ab. Nach seinen Feststellungen wurde der Kanalbau durch den Garten der Klägerinnen im Frühjahr 1967 begonnen. Die Erstklägerin beobachtete die Durchführung dieses Projekts laufend. Im Mai 1967 wurde der Kanal fertiggestellt und abgenommen, damals haben die Klägerinnen trotz ausdrücklicher Befragung Schadenersatzansprüche nicht geltend gemacht. Die Beklagte übernahm es lediglich, die Unebenheiten bei der Künette zu sanieren. Im Oktober 1967 wurden in einem Schreiben eines früheren Vertreters der Klägerinnen allgemein Schadenersatzansprüche angemeldet.

Am 20. Mai 1970 forderten die Klägerinnen einen Schadenersatz von 52.207.50 S. Diese Forderung wurde mit dem Schreiben der Beklagten vom 5. Juni 1970 "zurückgewiesen". Am 22. Juni 1970 wurde jedoch im Sinne der zwischen den Parteien geltenden Vereinbarung eine Besichtigung zugesagt, die am 24. Juni 1970 durchgeführt wurde. Mit Schreiben vom selben Tag wies die Beklagte sämtliche Ansprüche bis auf 2000 S für den eingefallenen ehemaligen Kanalgraben zurück und wiederholte diesen Standpunkt am 27. Oktober 1970. Die Klage langte bei Gericht am 29. März 1971 ein.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes ist die Klagsforderung verjährt, weil Schaden und Schädiger den Klägerinnen bereits Ende Mai 1967 bekannt waren und die Klage erst mehr als drei Jahre später bei Gericht einlangte. Eine Anerkennung im Sinne des § 1497 ABGB sei nicht gegeben, weil die Beklagte nie den Willen gehabt habe, die verjährte Schuld unter Verzicht auf die Einrede der bereits im Juni 1970 eingetretenen Verjährung anzuerkennen.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägerinnen erhobenen Berufung teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich 31.657.50 S samt Nebengebühren als Teilurteil und hob das Urteil des Erstrichters im übrigen, nämlich hinsichtlich des Restbetrages von 9550 S samt Nebengebühren auf. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und trat seiner rechtlichen Beurteilung bei. Die Ansprüche der Klägerinnen seien im Juni 1970 bereits verjährt gewesen. Werde eine verjährte Forderung anerkannt, so liege darin ein Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung. Ein gegenteiliger Standpunkt könnte nur vertreten werden, wenn anders als hier sich aus dem Anerkenntnis einwandfrei ergebe, daß damit auf die Verjährung nicht verzichtet werden sollte. Mit dem Schreiben vom 5. Juni 1970 habe die Beklagte zwar anerkannt für den Fall einer Schadensstiftung auf Grund des bestehenden Vertrages zum Schadenersatz verpflichtet zu sein, eine solche Schadensverursachung aber nicht anerkannt. Darin liege kein Anerkenntnis im Sinne des § 1497 ABGB. Im späteren Schreiben Beilage./G habe die Beklagte zugesagt, den etwas eingefallenen ehemaligen Kanalgraben aufzufüllen oder an Stelle dieser Arbeiten 2000 S zu bezahlen. Damit habe die Beklagte dem Gründe nach eine Schadenersatzpflicht bezüglich dieses Kanalgrabens anerkannt und auf die Geltendmachung der Verjährung bezüglich dieser Teilforderung verzichtet. Im diesem Umfang, der mit restlichen 9550 S noch strittig sei, habe das Erstgericht zu unrecht Verjährung angenommen. Die Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens müsse insoweit geprüft werden. Das Anerkenntnis der Teilforderung habe aber einen Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung im übrigen nicht bewirkt, so daß das weitere Klagebegehren mit Recht abgewiesen worden und das Ersturteil insoweit als Teilurteil zu bestätigen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerinnen nicht, dem Rekurs der Beklagten jedoch Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der rechtlichen Beurteilung sind die Untergerichte zutreffend davon ausgegangen, daß die Verjährungsfrist für den mit der Klage geltend gemachten Schadenersatzanspruch gemäß § 1489 ABGB mit jenem Zeitpunkt begann, zu welchem der Schaden und die Person des Schädigers den Beschädigten bekannt wurden. Da feststeht, daß der von der Erstklägerin laufend beobachtete Kanalbau im Mai 1967 fertig gestellt und abgenommen worden ist, müssen die bei diesem Bau entstandenen Schäden an den "Kulturen" zum gleichen Zeitpunkt bekannt geworden sein, während der mögliche Schädiger in der Person der bauführenden Beklagten von vornherein keinem Zweifel unterlag. Daß nicht der ganze Umfang des Schadens bekannt sein mußte, um die Verjährungsfrist in Gang zu setzen, stellen die Klägerinnen selbst nicht in Frage.

Der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes kann allerdings in bezug auf die Erklärungen der Beklagten im Schreiben Beilage./E vom 5. Juni 1970 nicht gefolgt werden. Diese als echt anerkannte Urkunde hat folgenden Wortlaut:

"Ihrem Schreiben vom 20. Mai 1970" - dabei handelte es sich um die Einforderung des mit 52.207.50 S detailliert bezifferten Schadens - "können wir leider kein wie immer geartetes Verständnis entgegenbringen. Sicherlich ist Ihr grundsätzlicher Anspruch auf Schadenersatz unbestritten, doch befand sich der "Garten" seinerzeit in einem Zustand, daß Ihre jetzt erhobenen und von einem "Fachmann" (der offensichtlich diesen früheren Zustand nicht kennt) geschätzten Instandsetzungskosten nur als Scherz aufgefaßt werden können, welcher Umstand durch die Preisansätze nur unterstrichen wird. Ihre Aufstellung kann daher als Grundlage für die Ermittlung von Schadenersatzansprüchen nicht herangezogen werden.

Wir sind - wie vereinbart - bereit, Schäden an den "Kulturen" zu beheben und sehen einem Terminvorschlag, an welchem die Art und Weise der Behebung vereinbart werden kann, entgegen. Diese Schadensbehebung kann jedoch nur in Form einer Naturalleistung erfolgen, da Sie mit Ihrer Schadensliste einer Vereinbarung über eine Barabfindung die Basis entzogen haben."

Mit den Worten: "Sicherlich ist Ihr grundsätzlicher Anspruch auf Schadenersatz unbestritten" und: "Wir sind - wie vereinbart - bereit, Schäden an den Kulturen zu beheben", hat die Revisionsgegnerin den Anspruch der Klägerinnen auf Ersatz von Schäden, die durch die Errichtung und Anlage des Kanals entstanden sind und dem sie in der ursprünglichen Vereinbarung übernommen hatte, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes dem Gründe nach klar und deutlich anerkannt. Eine gleichzeitige Bestreitung der behaupteten Schadensstiftung, wie sie das Berufungsgericht annimmt, kann in diesem Schreiben nicht gefunden werden. Nur die Höhe des erhobenen Ersatzanspruches wurde als "Scherz" bestritten und in bezug auf sie, als Vorstufe für die zugesagte Behebung der Schäden an den Kulturen, einem Vorschlag für einen Termin entgegengesehen, bei welchem die Art und Weise der Behebung vereinbart werden könne. Wie das Berufungsgericht selbst erkannte, genügt für die Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB eine Anerkennung der Forderung dem Gründe nach, es sei denn, daß der Schuldner ausdrücklich nur einen Teil der Forderung anerkennt und die darüber hinausgehenden Ansprüche ablehnt (Klang[2] VI, 652; 8 Ob 177/70; 5 Ob 191/71). Ebenso trifft es zu, daß die Unterbrechung einer bereits abgelaufenen Verjährung nicht denkbar ist, daß aber anderseits das Anerkenntnis einer bereits verjährten Forderung in der Regel den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bedeutet (Klang, 654. Ehrenzweig I/1 320; SZ 24/153; RZ 1962, 277 u. a.). Soweit die Beklagte im Schreiben Beilage ./E keinen gegenteiligen Standpunkt vertrat, dürfte sie sich daher nicht auf die eingetretene Verjährung berufen.

Im weiteren Inhalt ihres Schreibens vom 5. Juni 1970 hat die Beklagte aber derartige Vorbehalte ausdrücklich erklärt, die im Ergebnis die Abweisung des Klagebegehrens sogar auch hinsichtlich der den Gegenstand der berufungsgerichtlichen Aufhebung bildenden Restforderung rechtfertigen. Die Beklagte hat nämlich im Schlußsatz der Urkunde Beilage./E ausdrücklich erklärt, daß die Schadensbehebung nur in Form einer Naturalleistung erfolgen könne, weil die (Rechtsvorgängerin der) Klägerinnen mit ihrer Schadensliste einer Vereinbarung über eine Barabfindung die Basis entzogen haben. Die Beklagte war zu dieser Einschränkung ihres Anerkenntnisses auf die Verpflichtung zum Naturalersatz verursachter Schäden berechtigt, zumal sie mit Rücksicht auf die bereits eingetretene Verjährung alle Ansprüche der Klägerinnen hätte ablehnen können. Die Erklärung muß also im einschränkenden Wortsinn dahin verstanden werden, daß die Beklagte nur den Naturalersatzanspruch der Klägerinnen anerkenne. Für diese Auslegung spricht bei verständiger Beurteilung, vor allem der letzte Halbsatz der Beilage ./E, in dem die Beklagte die Ablehnung einer Vereinbarung über eine Barabfindung damit begründet, daß die Klägerinnen mit ihrer, nach Meinung der Beklagten weit überhöhten Schadensliste einer solchen Vereinbarung die Basis entzogen haben. Gegen die Wirksamkeit eines bloß teilweisen Verzichtes auf die Einrede der Verjährung bestehen keine Bedenken (vgl. EvBl. 1963/267).

Die Einschränkung des Anerkenntnisses auf eine bestimmte Teilforderung, das ist hier auf Naturalersatz, unter ausdrücklicher Ablehnung weiterer Forderungen (hier: Geldersatz) enthält den Verzicht auf die Verjährungseinrede nur im ersten Teil.

Die Revisionswerberinnen hätten daher zwar auf Grund des Teilanerkenntnisses der Beklagten in der Urkunde Beilage ./E ihre Schadenersatzansprüche auf Wiederherstellung des früheren Zustandes in der Natur (§ 1323 ABGB) geltend machen können, ohne in, diesem Umfang einer wirksamen Verjährungseinrede der Beklagten ausgesetzt zu sein. Sie können aber nicht mit einem auf Geldersatz gerichteten Anspruch durchdringen, wenn die Beklagte eine solche Forderung nach Ablauf der Verjährungsfrist ausdrücklich zurückgewiesen hat. Eine andere Beurteilung wäre nur allenfalls im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Interesses im Sinne des § 368 EO denkbar. Aber eine solche Verpflichtung der Beklagten, mangels Durchsetzbarkeit des Naturalersatzanspruches das Interesse gegebenenfalls doch in Geld zu bezahlen, würde mindestens den Verzug der Beklagten voraussetzen, an dem es hier schon deshalb fehlt, weil die Klägerinnen bereits im vorprozessualen Schriftwechsel die von der Beklagten angebotene Naturalleistung ausdrücklich ablehnten und sich auch in diesem Rechtsstreit zur Annahme dieser Leistung nie bereit erklärt haben und damit ihrerseits im Gläubigerverzug geblieben sind.

Die Revision der Klägerinnen erweist sich somit als nicht begründet, zumal die Behauptung, daß laut Beilage./G schon mit einem Schreiben vom 2. Oktober 1967 Schadenersatz angeboten wurde, in dieser Urkunde keine Deckung findet und daher eine unzulässige Neuerung ist und auch der abschließend vorgebrachten Meinung der Revisionswerberinnen nicht gefolgt werden kann, daß nach Abgabe eines Teilanerkenntnisses die Verjährungsfrist nicht ablaufen könne, solange der Schädiger sich weigere, den vollen Schaden anzuerkennen. Gerade den nicht anerkannten Teil muß der Geschädigte einklagen, um der Verjährung zu entgehen.

Bei Anwendung der oben entwickelten Rechtsgrundsätze ist die Sache aber auch im restlichen Umfange im Sinne des Rekurses der Beklagten - der der verfehlte Rekursantrag auf Fällung einer Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof nicht schadet (JBl. 1973, 154) - im Sinne der Bestätigung des Ersturteiles spruchreif. Auch in dem vom Berufungsgericht hervorgehobenen Schreiben vom 24. Juni 1970, Beilage./G, hat die Beklagte eine Schadenersatzleistung in bar nur hinsichtlich des mit Teilanerkenntnisurteil zugesprochenen Betrages von 2000 S erklärt und im übrigen so wie vorher in Beilage./E, nun auf den Ersatz der Humuserde eingeschränkt, nur eine Naturalleistung angeboten. Es blieb daher bei der nach Ablauf der Verjährungsfrist zulässigen Verweigerung eines (weiteren) Geldersatzes, die die nun erhobene Einrede der Verjährung der eingeklagten Geldforderung rechtfertigt.

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