OGH 6Ob31/73

OGH6Ob31/7315.2.1973

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rothe als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wittmann, Dr. Sperl, Dr. Schragel und Dr. Samsegger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Med.Rat Dr. K***** H*****, vertreten durch R***** Z*****, dieser vertreten durch Dr. Tassilo Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. L***** T*****, vertreten durch Dr. Franz Speierl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 1972, GZ. 41 R 504/72‑21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt‑Wien vom 28. Juni 1972, GZ. 46 C 285/71‑17, abgeändert wurde, in nicht‑öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1973:0060OB00031.730.0215.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben. Zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als Prozeßkosten zu behandeln.

 

Begründung:

Der Kläger kündigte dem Beklagten die von diesem im Hause *****, L*****straße *****, gemietete Wohnung Nr. 3, bestehend aus Küche, zwei Zimmern, Badezimmer samt Zubehör nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 10 und 13 MietG. zum 30. 9. 1971 mit der Begründung auf, der Beklagte habe die Wohnung teilweise gegen eine im Vergleich zu den von ihm zu entrichtenden Mietzins unverhältnismässig hohe Gegenleistung untervermiete. Er verwende die Wohnung nicht zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses.

Der Beklagte bestritt in den Einwendungen das Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgründe.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Zur Zeit der Aufkündigung hatte der Beklagte dem F***** I***** ein mit Tisch, Sessel, Kasten und Bett eingerichtetes Zimmer seiner im Abs. 1 genannten Wohnung mit Küchen‑, Badezimmer und WC.‑Benützung gegen einen monatlichen Mietzins von 1.700 S untervermietet. F***** I***** mußte für seinen Strom‑ und Gasverbrauch und die Heizungskosten selbst aufkommen und von den Telefonrechnungen über 250 bis 300 S monatlich die Hälfte bezahlen. Er versorgte sich selbst mit Bettwäsche und Handtüchern. Er ist im Dezember 1971 ausgezogen. Eine neuerliche Untervermietung erfolgte nicht. Der Beklagte bewohnt die Wohnung seit der vor 4 Jahren erfolgten Trennung von seiner Ehefrau allein. In der Zeit von Mai/Juni bis September/Oktober wohnt er in seinem Sommerhaus auf dem H*****. Er schläft auch sonst oft als Gast ohne Bezahlung auswärts. In der aufgekündigten Wohnung nächtigte er nur zwei‑ bis dreimal während der Arbeitswoche und an den Wochenenden. Über eine zweite Wohnung verfügt der Beklagte nicht. Der Mietzins für die aufgekündigte Wohnung beträgt etwa 600 S monatlich. Alle Räume der Wohnung sind vom Vorzimmer aus zu erreichen. Die beiden Zimmer münden mit je zwei Fensterachsen in den zwischen den Häusern L*****straße ***** und ***** gelegenen Straßenhof. Die Zimmer haben Hartholzböden und sind hinsichtlich der Fenster, Türen und Malerei gleich ausgestattet. Das Telefon ist im Vorzimmer installiert. Für die vom Vermieter dem Untermieter zur Verfügung gestellten Einrichtungsgegenstände im Zimmer und die Mitbenützung der Einrichtung in den Nebenräumen ist ein monatlicher Bestandzins von 560 S angemessen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, Mieter und Untermieter hätten die Wohnung praktisch zu gleichen Teilen benützt. Auf die Benützung der Hälfte der Wohnung entfalle von dem vom Beklagten entrichteten Mietzins ein Betrag von 300 S. Dazu komme das Benützungsentgelt für die vom Beklagten dem Untermieter zur Verfügung gestellte Einrichtung in der Höhe von 560 S. Der Leistung des Beklagten von monatlich 860 S stehe der von ihm eingehobene Untermietzins von 1.700 S gegenüber. Er übersteige die Leistungen des Untermieters um 97,67 %. Als unverhältnismäßig hoch könne aber erst eine Überschreitung der Leistungen des Untermieters um 100 % angesehen werden. Es brauche auf die weitere Behauptung des Beklagten, er habe eine zusätzliche Leistung an den Untermieter dadurch erbracht, daß er die halben Telefongebühren getragen habe, ohne je zu telefonieren, nicht eingegangen zu werden. Der Beklagte verfüge über keine zweite Wohnung. Er verwende die aufgekündigte Wohnung zur Befriedigung seines regelmäßigen Wohnbedürfnisses, weshalb auch der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. nicht vorliege.

Das Berufungsgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und verurteilte den Beklagten zur Räumung der aufgekündigten Wohnung. Es sprach aus, daß der von seiner Entscheidung betroffene Wert des Streitgegenstandes 1.000 S übersteige und führte aus, wann eine Verwertung des Bestandgegenstandes als Erwerbsquelle vorliege, könne nur nach den Gegebenheiten des Einzelfalles beurteilt werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine „hemmungslose Bereicherung des Vermieters“ vorliege, könne nicht nur vom Prozentsatz der Überschreitung ausgegangen werden, es müsse im vorliegenden Falle vielmehr noch berücksichtigt werden, daß der Beklagte von F***** I***** zunächst einen Untermietzins von 2.200 S eingehoben und diesen Betrag offenbar erst unter dem Druck und als Folge der ersten Aufkündigung zu 46 C 395/70 des Bezirksgerichtes Innere Stadt‑Wien auf 1.700 S verringert habe. Der Beklagte benütze das Bestandobjekt relativ selten. Unter Bedachtnahme auf diese Umstände rücke das Bestreben des Beklagten, welcher über ein eigenes Sommerhaus verfüge und sich auch sonst vielfach auswärts aufhalte, aus der aufgekündigten Wohnung für sich eine Erwerbsquelle zu schaffen, sehr in den Vordergrund. Dies sei unzulässig, und erfülle den Tatbestand des § 19 Abs. 2 Z. 10, 2. Fall, MietG. Selbst wenn man der während des Verfahrens vom Beklagten erhobenen Einwendung, das Telefon zur Gänze bezahlt, es aber selbst nicht benützt zu haben, Rechnung trage, ergebe sich eine Erhöhung der vom Vermieter getragenen Kosten um 140 S und liege die Überschreitung des Mietzinses nicht unter 94 %. Es könne die Bereicherungsabsicht des Beklagten auch dann nicht verneint werden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung der ersten Instanz abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gerechtfertigt.

Mit Recht wendet sich der Revisionswerber gegen den vom Berufungsgericht unter der Annahme der Ausschließlichen Benützung des Telefons durch den Untermieter und einer dadurch vom Beklagten für den Untermieter erbrachten weiteren Leistung von 140 S monatlich ermittelten Prozentsatz der Überschreitung des Untermietzinses. Wird von einer solchen Grundlage für die Errechnung der Überschreitung des anteilsmäßigen Untermietzinses ausgegangen, würde diese nicht 94 %, sondern 70 % betragen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob bei auch nur teilweiser Überlassung der gemieteten Wohnung an einen Untermieter eine Verwertung im Sinne des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs. 2 Z. 10, 2. Fall, MietG. vorliegt, kann, sofern nicht eine an 100 % heranreichende Überschreitung vorliegt nicht auf den Prozentsatz der Überschreitung allein abgestellt werden. Überläßt der Mieter dem Untermieter nicht nur die bloße Wohngelegenheit, so wird in dem Umstand allein, daß er im Gegensatz zum Sachverständigen den Wert der Zurverfügungstellung der Einrichtung im untervermieteten Raum und in den übrigen dem Untermieter zur Mitbenützung überlassenen Räumen um etwa 70 % höher einschätzt, noch kein derart verwerfliches Vorgehen des Mieters liegen, um im Sinne der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Mietrechtsänderungsgesetzes Nr. 500 der sten. Beilagen zu den Protokollen des Nationalrates XI.GP. sagen zu können, daß er den Schutz des Gesetzes nicht mehr verdient. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kommt es dabei weder darauf an, daß der Beklagte über ein eigenes Sommerhaus verfügt und sich auch sonst vielfach auswärts aufhält, noch darauf, daß er vorerst einen Untermietzins von 2.200 S eingehoben und diesen noch vor Einbringung der gegenständlichen Aufkündigung auf 1.700 S herabgesetzt hat. Maßgebend ist der im Zeitpunkt der Aufkündigung eingehobene Untermietzins.

Das Erstgericht hat von der nicht zu billigenden Ansicht, daß eine Überschreitung des Untermietzinses um 96,67 % eine Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 10, 2. Fall, MietG. nicht rechtfertige, die Prüfung der Behauptung des Beklagten, daß er eine weitere Leistung an den Untermieter durch die Tragung der halben Telefongebühren erbracht habe, ohne selbst je zu telefonieren, unterlassen. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß bei Richtigkeit dieser Behauptung des Beklagten eine Überschreitung des Untermietzinses um 94 % vorliege, ist zufolge eines der Vorinstanz unterlaufenen Rechenfehlers unrichtig. Es liegt daher ein Feststellungsmangel vor, welcher eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache hindert.

Zum Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. ist auf die vom Kläger nicht bekämpfte Feststellung zu verweisen, daß der Beklagte über keine zweite Wohnung verfügt. Weder die Tatsache, daß der Beklagte in der warmen Jahreszeit in seinem Sommerhaus auf dem H***** wohnt, noch der Umstand, daß er häufig als Gast auswärts nächtigt, lassen daher den Schluß zu, daß die aufgekündigte Wohnung nicht mehr zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten verwendet werde. Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, wie oft der Beklagte in der Woche in der aufgekündigten Wohnung übernachtet. Die vom Kläger in seiner Berufung vorgetragene Annahme, der Beklagte könne den Lebensschwerpunkt nicht in der aufgekündigten Wohnung haben, ist durch die Feststellungen nicht gedeckt. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. nur dann gegeben, wenn dem Mieter ein schutzwürdiges Interesse dauernd mangelt, er also eine zu Wohnzwecken gemietete Wohnung überhaupt nicht mehr oder nur gelegentlich als Absteigquartier oder Abstellraum benützt. Daran hat auch das Mietrechtsänderungsgesetz nichts geändert (MietSlg. 16.469, 22.405, 22.406 u.a.). Daß die Benützung der Wohnung in einer solchen eingeschränkten Weise erfolgt, läßt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Ansicht der Vorinstanzen, daß der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z. 13 MietG. nicht vorliegt, trifft daher zu.

Da es hinsichtlich der Voraussetzungen des Kündigungsgrundes des § 19 Abs. 2 Z. 10, 2. Fall MietG. offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Rechtssache spruchreif zu machen, mußten in Stattgebung der Revision die Urteile beider Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte