OGH 8Ob316/66

OGH8Ob316/6615.11.1966

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Hager als Richter in der Verlassenschaftssache nach Dipl.‑Ing. Rudolf W*****, gestorben am *****, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Tochter Margarethe M*****, vertreten durch Dr. Clemens Odelga, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Juni 1966, GZ 44 R 423, 424/66‑69, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. Mai 1966, GZ 4 A 390/51‑61, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 21. 3. 1950 verstorbene Dipl.-Ing. Rudolf W***** hat in seinem Testament vom 2. 8. 1938 seine Ehegattin Maria W***** zu 2/5, seine Tochter Margarethe M***** zu 2/5 und seinen Sohn Hans W***** zu 1/5 als Erben eingesetzt. Er hat gleichzeitig seine Ehegattin verpflichtet, das ihr vermachte Vermögen seinen beiden Kindern je zur Hälfte zu hinterlassen, wobei im Falle des Vorversterbens eines seiner Kinder dessen leibliche Erben an dessen Stelle treten sollten. Für den Fall des Fehlens von leiblichen Erben sollte der ganze Teil dem überlebenden Kinde bzw dessen Nachkommen zufallen. Es sollte jedoch seiner Gattin in dieser Hinsicht keine wie immer geartete Beschränkung auferlegt werden. Insbesondere sollten ein Gerichtserlag und die Bestellung eines Substitutionskurators unterbleiben.

Mit Einantwortungsurkunde vom 22. Juni 1951, AZ 4 A 390/51, antwortete das Erstgericht den Nachlass des Rudolf W***** der erblasserischen Witwe Maria W***** zu 2/5, dem erblasserischen Sohn Hans W***** zu 1/5 und der erblasserischen Tochter Margarethe M***** zu 2/5 ein. Die Einantwortungsurkunde enthält keine Beschränkung. Insbesondere fehlt jeder Hinweis auf die vom Erblasser angeordnete Nacherbschaft im Sinne des § 174 Abs 2 Z 3 AußStrG.

Die am 14. 10. 1964 verstorbene Maria W***** hinterließ ein Testament vom 28. 5. 1958, in dem sie ihre Tochter Margarethe M***** zur Alleinerbin ihres ganzen Nachlasses eingesetzt und gleichzeitig verfügt hatte, dass die Kinder ihres vorverstorbenen Sohnes Hans W***** auf den Pflichtteil gesetzt seien, falls sie diese Verfügung - sei es wegen Pflichtteilsverletzung, sei es im Hinblick auf das Testament ihres verstorbenen Mannes - anfechten sollten.

Das Bezirksgericht Hietzing verfügte im Verlassenschaftsverfahren nach Maria W***** unter anderem, dass die Abhandlung des erblasserischen Substitutionsvermögens, bestehend aus einem Wertpapierdepot, dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien überlassen und die Abhandlung beim Bezirksgericht Hietzing in der Verlassenschaftssache nach Maria W***** auf das freie Vermögen der Genannten beschränkt werde. Die Erbserklärung der Testamentserbin Margarethe M***** nahm das genannte Verlassenschaftsgericht mit der Einschränkung auf das erblasserische freie Vermögen zu Gericht an.

Mit Beschluss vom 2. 5 1966, GZ 4 A 390/51‑59, eröffnete das Erstgericht die Abhandlung über den Substitutionsnachlass und nahm die von den Kindern des erblasserischen Sohnes auf Grund des Gesetzes zu je 1/6 des Nachlasses abgegebenen bedingten Erbserklärungen zu Gericht an.

Am 4. 9. 1966 gab die erblasserische Tochter Margarethe M***** unter Hinweis auf zwei von ihr vorgelegte Urkunden vom 2. 2. und 20. 2. 1959, aus denen ein Erbverzicht der erblasserischen Enkel Maria S*****, Eva P***** und Elisabeth B***** zugunsten der Margarethe M***** zu entnehmen sei, auf Grund des Testaments der Maria W***** vom 28. 5. 1958 die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass des Rudolf W***** ab. Sie beantragte weiter, den Bericht über den behaupteten Erbverzicht zur Kenntnis zu nehmen, ihre Erbserklärung zu Gericht anzunehmen, die Erbserklärung der drei Enkelkinder jedoch nur in einem Ausmaß von je 1/10 anzunehmen, im Übrigen aber zurückzuweisen und im Hinblick auf die vorliegenden widersprechenden Erbserklärungen das Verfahren nach § 125 AußStrG einzuleiten.

Das Erstgericht erledigte (mit Beschluss vom 10. 5. 1966, GZ 4 A 390/51‑61) den Antrag der erblasserischen Tochter Margarethe M***** dahin, dass sie die unter Berufung auf die oben erwähnten Vereinbarungen der erblasserischen Enkelkinder mit Margarethe M***** von der letzteren auf Grund des Testaments der Maria W***** vom 28. 5. 1958 abgegebene unbedingte Erbserklärung zurückwies.

Das Rekursgericht, das im Punkt I seines Beschlusses den Rekurs der erblasserischen Tochter gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 2. 5. 1966, GZ 4 A 390/51‑59, zurückwies, bestätigte im Punkt II seines Beschlusses den Beschluss des Erstgerichts vom 10. 5. 1966, GZ 4 A 390/51‑61, im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Testament der Vorerbin als Erbrechtstitel in der Substitutionsabhandlung nicht in Betracht komme. Stehe aber fest, dass der in der Erbserklärung behauptete Rechtstitel ein Erbrecht zweifellos nicht begründe und dass die Erbserklärung zu einer Einantwortung nicht führen könne, sei eine solche Erbserklärung in einschränkender Auslegung des § 122 AußStrG zurückzuweisen.

Die erblasserische Tochter Margarethe M***** bekämpft den Punkt II des Beschlusses des Rekursgerichts mit außerordentlichem Revisionsrekurs.

Das Rechtsmittel ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Nacherbe ist nicht Erbe des Vorerben, sondern wahrer Erbe des die Nacherbschaft anordnenden Testators (Ehrenzweig, Erbrecht2 § 504 VIII bei Anm 54, S 466, Weiss in Klang 2 III, bei § 608 ABGB, unter IV, S 381 f bei Anm 25; Gschnitzer, Lehrbuch des Österreichischen Rechtes, Erbrecht, 1964, S 72). Er ist auf Grund der letztwilligen Verfügung des Testators zur Nacherbschaft berufen. Die von Margarethe M***** auf Grund des Testaments der Vorerbin Maria W***** abgegebene Erbserklärung wurde daher mit Recht zurückgewiesen, weil sie zu einer Einantwortung des Substitutionsnachlasses überhaupt nicht führen kann (EvBl 1953 Nr 425 ua). Da also die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis der Rechtslehre und der Judikatur entspricht, kann von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung keine Rede sein (vgl SZ XXI 10 uva).

War schon aus diesem Grunde der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, sieht sich dennoch der Oberste Gerichtshof mit Rücksicht auf die aus der Aktenlage hervorgehende Verkennung der Rechtslage durch die Beteiligten zu folgenden Erwägungen veranlasst:

Die Verlassenschaft nach Rudolf W***** wurde mit Einantwortungsurkunde des Erstgerichts vom 22. 6. 1951, ONr 19 - ungeachtet einer aus dem Testament des Erblassers hervorgehenden Anordnung einer Nacherbschaft auf den Überrest - der Vorerbin Maria W***** ohne Hinweis auf die verfügte Substitution eingeantwortet. Die Nacherbschaft auf den Überrest hindert den Vorerben zwar nicht, über die Substitutionsmasse unter Lebenden zu verfügen, sie verbietet ihm aber, hierüber zu testieren. Wenn auch eine solche unbeschränkte Einantwortung des Nachlasses den Verlust der Rechte der Nacherben auch dann nicht zur Folge hat, wenn diese die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Einantwortungsurkunde unterlassen (vgl SZ XXIV 86), bewirkt sie doch, dass der Nachlass des Testators der Vorerbin ins unbeschränkte Eigentum überantwortet wurde. Damit war die Verlassenschaftsabhandlung nach Rudolf W***** endgültig beendet und es besteht keine Möglichkeit, diese wieder aufzunehmen und eine sogenannte Substitutionsabhandlung durchzuführen. Die Nacherben sind mit ihrem Recht auf die Klage des § 823 ABGB gegenüber demjenigen verwiesen, der auf die Substitutionsmasse als Erbe der Vorerbin Anspruch erhebt (SZ XXIV 234). Die in der vorliegenden „Substitutionsabhandlung“ abgegebenen Erbserklärungen können daher nie zu einer Einantwortung des Substitutionsnachlasses führen. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass das Erstgericht 1.) mit Beschluss vom 2. 5. 1966, ONr 59, die auf Grund des Gesetzes abgegebenen bedingten Erbserklärungen der erblasserischen Enkelkinder Maria S*****, Eva P***** und Elisabeth B***** und 2.) mit Beschluss vom 26. 9. 1966, ONr 70 die auf Grund des Gesetzes von den erblasserischen Enkelkindern Hans und Evelyn W***** und von der erblasserischen Tochter Margarethe M***** abgegebenen Erbserklärungen unter unzulässiger Änderung des angegebenen Berufungsgrundes auf Grund des erblasserischen Testaments vom 2. 8. 1938 angenommen hat.

Es wird Sache des Bezirksgerichts Hietzing als Verlassenschaftsgericht nach Maria W***** sein, in Abänderung seiner Verfügung vom 21. 12. 1964, GZ 2 A 798/64‑8, die sogenannte Substitutionsmasse wieder in die Abhandlung nach Maria W***** einzubeziehen, weil nach den oben angestellten Erwägungen ein mit einer fideikommissarischen Substitution behaftetes Vermögen von der Erblasserin nicht besessen wurde. Ein Anlass zu einer abgesonderten Abhandlung über ein sogenanntes Substitutionsvermögen (§ 26 AußStrG) liegt, wie ausgeführt, nicht vor.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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