OGH 8Ob17/65

OGH8Ob17/652.2.1965

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Höltzel, Dr. Bauer und Dr. Rothe als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter W*****, Firmengesellschafters, *****, vertreten durch Dr. Herbert Eggstain, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "A*****" Leihwagen Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Herbert Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung eines Generalversammlungs- beschlusses (Streitwert S 30.000,-) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1964, GZ 1 R 236/64-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26. Juni 1964, GZ 13 Cg 69/64-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.092,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist, ebenso wie Dr. Adolf K***** und die Geschäftsführer Aloisia und Valentin K*****, Gesellschafter der beklagten Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die am 8. 1. 1962 gegründet wurde. Mit Beschluß der Generalversammlung der beklagten Partei vom 27. 4. 1963 wurde die Jahresbilanz der beklagten Partei zum 31. 12. 1962, die für 1962 einen Verlust von S 94.426,17 auswies, gegen die Stimme des Klägers mit den Stimmen der übrigen Gesellschafter genehmigt.

Der Kläger begehrt nunmehr die Nichtigerklärung des Beschlusses der Generalversammlung vom 27. 4. 1963, mit dem die Bilanz zum 31. 12. 1962 sowie der Geschäftsbericht genehmigt und den Geschäftsführern die Entlastung erteilt worden ist. Die Bilanz sei nicht vorschriftsmäßig erstellt worden, sie enthalte eine Unterbewertung der Aktiven bzw Doppelverrechnungen auf der Passivseite. Ohne Vorhandensein einer ordnungsgemäßen Bilanz sei aber auch eine Entlastung der Geschäftsführer nicht möglich.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Bilanz Zahlungen im Betrage von S 17.758,72 (offenbar gemeint Zahlungen der Kreditorin Autohaus V. K***** für Rechnung der Gesellschaft) berücksichtige, die in Wahrheit nicht getätigt worden seien. Um diese Summe sei der Verlust des Jahres 1962 zu hoch angesetzt, der in Wahrheit nicht S 94.426,17, sondern S 76.667,45 betrage. Gemäß § 41 Z 2 GesmbHG sei ein Generalversammlungsbeschluß nichtig, wenn er durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletze. Darunter falle auch ein Verstoß gegen die Bilanzwahrheit (§ 40 HGB). Daher könne ein Gesellschafter einen Generalversammlungsbeschluß in dem eine Bilanz genehmigt wurde, die erhebliche Über- oder Unterbewertungen enthalte (Gellis Kommentar zu GmbHG S 144/145), mit Nichtigkeitsklage bekämpfen. Da im vorliegenden Fall der Verlust um rund S 17.000,- zu hoch angegeben sei, sei der Generalversammlungsbeschluß nichtig. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, fand die Mängelrüge für nicht begründet und verwies in Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes darauf, daß der Sachverständige Ch***** wörtlich angegeben habe, "die dem Autohaus V. K***** Aktiengesellschaft zustehende Forderung von S 139.410,10 sei bereits in der Eröffnungsbilanz der beklagten Partei vom 8. 1. 1962 (Beilage ./D des Streitaktes) um S 17.758,72 zu hoch angenommen worden, weshalb auch der Verlust dementsprechend in der Bilanz 1962 zu hoch ausgewiesen erscheine". Diesen Darlegungen des Sachverständigen vermöge aber die Berufung selbst nichts entgegenzusetzen. Sie könne daher auch nicht mit ihrer Beweisrüge durchdringen.

Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 - 4 ZPO mit dem Antrage, das angefochtene Urteil und das Ersturteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Es ist Aufgabe des Sachverständigen mit Hilfe seines Fachwissens, diejenigen Erkenntnisse zu liefern, die der Richter als Grundlage für seine Entscheidung benötigt. Der Tatrichter ist daher immer befugt, dem ihm überzeugend erscheinenden Gutachten des Sachverständigen zu folgen, wenn er sich selbst nicht die Sachkunde und Erfahrung zutraut, die im konkreten Fall erforderlich sind, um sich ein bestimmtes eigenes Urteil zu bilden. Es muß daher genügen, wenn dem Prozeßrichter und gleich ihm dem Berufungsrichter, die Darlegungen des Sachverständigen schlüssig und überzeugend erschienen sind, ohne daß dem Richter dabei ein Verstoß gegen die Denkgesetze zur Last fiele und ohne daß ihm hätte erkennbar werden müssen, daß der Sachverständige nur unter Außerachtlassung erheblichen Verhandlungsstoffes zu dem Ergebnis gelangt sein könne, dem der Richter folgen will. Vorbehaltlich dieser Einschränkung liegt die Beurteilung, zu der der Richter auf diesem Wege im Anschluß an das Sachverständigengutachten gelangt, auf dem dem Tatrichter vorbehaltenen Gebiet der Würdigung tatsächlicher Umstände und Beweisergebnisse. Diese tatsächliche Würdigung kann aber in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht damit bekämpft werden, daß der Sachverständige bei Erstattung seines Gutachtens die Regeln seiner Kunst nicht oder doch nicht genügend beachtet habe. Die Revision kann daher gegen die auf Grund des Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen nicht wirksam ankämpfen, indem sie behauptet, der Sachverständige hätte nach den Regeln seiner Kunst zu einem von seinem Gutachten abweichenden Ergebnis gelangen müssen, das vom Sachverständigen seinem Gutachten zugrundegelegte Ziffernmaterial sei völlig unverwertbar. Das Erstgericht und auch das Berufungsgericht haben nur zu überprüfen, ob das Sachverständigengutachten schlüssig ist. Diese Schlüssigkeit kann aber vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüft werden, wenn das Sachverständigengutachten in seinen von den Untergerichten übernommenen Schlußfolgerungen den Denkgesetzen zuwiderläuft (SZ XXII/126). Das wird allerdings in der Rechtsrüge behauptet. Es wird aber keineswegs aufgezeigt, in welchen Punkten ein solcher Widerspruch gegen die Denkgesetze gegeben sein soll. Der Hinweis in der Rechtsrüge, die Schlußfolgerungen, die der Sachverständige dadurch gezogen habe, daß er von seinen Befundergebnissen auf die Unrichtigkeit einzelner Bilanzsätze schließe, verstießen geradezu gegen die Denkgesetze, ist völlig unzureichend.

Auch die Rüge nach § 503 Z 3 ZPO ist nicht berechtigt. Die Feststellungen des Berufungsgerichtes, "die dem Autohaus V. K***** AG zustehende Forderung von S 139.410,10 sei bereits in der Eröffnungsbilanz der beklagten Partei vom 8. 1. 1962 (Blg./D des Streitaktes) und S 17.758,72 zu hoch angenommen worden, weshalb auch der Verlust dementsprechend in der Bilanz 1962 zu hoch ausgewiesen erscheine", findet ihre hinreichende Stütze in den Angaben des genannten Sachverständigen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 18. 6. 1964 S 111. Dem Berufungsgerichte ist bei der Sachverhaltsfeststellung nur insoferne ein Fehler unterlaufen, als es statt die Schlußbilanz vom 31. 12. 1962 (Blg./D) anzuführen, die in der gleichen Beilage aufscheinende Eröffnungsbilanz vom 8. 1. 1962 zitiert. Hier liegt aber ein Versehen des Berufungsgerichtes vor, daß sich bei Zusammenhalt des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen in der mündlichen Streitverhandlung mit der Beilage D zweifelsfrei aufklärt. Von einer für die Entscheidung wesentlichen Aktenwidrigkeit kann daher keine Rede sein.

Aus diesen Erwägungen war wie im Spruch zu entscheiden. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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