OGH 8Ob257/64

OGH8Ob257/6415.9.1964

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachout, Dr. Pichler, Dr. Bauer und Dr. Rothe als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kurt W*****, geb. *****, a) infolge Revisionsrekurses des Dr. Günther A*****, Notar, *****, b) infolge Revisionsrekurses der Dr. Maria F*****, Rechtsanwältin, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Juni 1964, GZ 44 R 407/64‑182, und zwar zu a) gegen Z 1 des angeführten Beschlusses, insoweit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt‑Wien vom 13. Mai 1964, GZ 13 P 357/62‑165, Zi. 5, bestätigt wurde, zu b) gegen Z 2 des angeführten Beschlusses, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt‑Wien vom 13. Mai 1964, GZ 13 P 357/62‑165, Zi. 6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Dr. Günther A***** wird zurückgewiesen.

Dem Rekurs der Dr. Maria F***** wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird in seiner Z 2 aufgehoben und der Rekurs des Kurt W***** sen. wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht hat den Vermögensverwalter Notar Dr. Günther A***** seines Amtes enthoben und an dessen Stelle die Rechtsanwältin Dr. Maria F***** zum Vermögensverwalter bestellt.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Notars Dr. A***** gegen seine Enthebung nicht Folge gegeben und seinen Rekurs gegen die Bestellung der Dr. Maria F***** zurückgewiesen; hingegen hat es dem Rekurs des Vaters des Minderjährigen, Kurt W***** sen., gegen die Bestellung der Dr. Maria F***** zum Vermögensverwalter Folge gegeben, diesen Teil des erstgerichtlichen Beschlusses aufgehoben und dem Erstgericht im Umfange der Aufhebung eine Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Das Rekursgericht hat die Enthebung des Notars Dr. A***** als Vermögensverwalter aus drei Gründen für geboten erachtet: 1.) weil er jahrelang vom Vertreter der Miterben nach Oskar W***** Geldbeträge übernommen und der Mutter des Minderjährigen überwiesen habe, ohne dem Pflegschaftsgericht davon Mitteilung zu machen, sowie weil er sich nicht darum gekümmert habe, ob diese Beträge ausschließlich für den Minderjährigen verwendet würden, und weil er auch dem Pflegschaftsgericht durch Verheimlichung dieser Geldbeträge die Möglichkeit genommen habe, ihre Verwendung zu kontrollieren, schließlich weil er sich aus diesen Beträgen ohne Genehmigung des Pflegschaftsgerichts 3.000 S als Vorschuss für seine Barauslagen entnommen habe; 2.) weil er im Zuge der Anlage des Vermögens des Minderjährigen einen Betrag von 250.000 S der Leopoldine S***** als Darlehensnehmerin ausgefolgt habe, ohne die Genehmigung des Pflegschaftsgerichts abzuwarten; 3.) weil er sich nicht als genügend durchschlagskräftig erwiesen habe, um die Interessen des Minderjährigen gegenüber den Absichten der übrigen Miterben nach Oskar W*****, dem Minderjährigen nach Möglichkeit das Risiko der Geldentwertung aufzubürden, entsprechend zu wahren und aus dem Veräußerungserlös eines Teiles der erblasserischen Liegenschaften von 1.150.000 S rund 600.000 S für Rechnung des Minderjährigen übernommen habe, obzwar dessen Anteil an dem Verkaufserlös nur etwa 280.000 S betragen hätte. Ob Dr. Maria F***** geeignet sei, das Amt eines Vermögenskurators zu übernehmen, werde davon abhängen, ob sie tatsächlich ihr Vollmachtsverhältnis zur Mutter des Minderjährigen gelöst habe.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird von Dr. Günther A***** und Dr. Maria F***** mit Rekurs angefochten; der Erstgenannte bekämpft seine Enthebung (Z 1 des Beschlusses), die Zweitgenannte die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses über ihre Bestellung (Z 2 des angefochtenen Beschlusses).

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Revisionsrekurs des Dr. Günther A*****:

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Der Revisionswerber macht Nichtigkeit und Aktenwidrigkeit geltend. Eine „offenkundige“ Nichtigkeit liege darin, dass vom Rekursgericht zur Begründung für die Enthebung seiner Person von der Stelle eines Vermögensverwalters Umstände herangezogen worden seien, die nach der Aktenlage schon vor der Bestellung zum Vermögensverwalter aktenkundig gewesen seien. Außerdem liege eine Nichtigkeit darin, dass sich diese Umstände nicht während der Dauer der Vermögenskuratel, sondern schon vorher, während der Rekurswerber Mitvormund des Minderjährigen gewesen sei, ereignet hätten.

Der Begriff der Nichtigkeit ist mangels einer besonderen Regelung für das Außerstreitverfahren der ZPO (§ 477) zu entnehmen, die sinngemäß anzuwenden ist (7 Ob 158/64 ua). Solche Nichtigkeiten werden aber vom Revisionsrekurswerber nicht behauptet. Der zulässige Anfechtungsgrund der Nichtigkeit ist daher nicht gegeben.

Insoweit der Revisionsrekurswerber sich gegen die Ansicht des Rekursgerichts wendet, er habe die Interessen des Minderjährigen gegenüber den Bestrebungen der anderen Miterben nach Oskar W***** nicht genügend gewahrt, macht er keinen der nach § 16 AußStrG allein zulässigen Anfechtungsgründe geltend, denn er bekämpft damit in Wahrheit nur die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Untergerichte. Darauf ist daher im Rahmen des außerordentlichen Revisionsrekurses nicht näher einzugehen.

Als aktenwidrig bezeichnet es der Revisionsrekurswerber, dass er jahrelang vom Vertreter der Miterben Geldbeträge übernommen und der Mutter des Minderjährigen überwiesen habe, ohne dem Pflegschaftsgericht davon Mitteilung zu machen, sowie dass er sich offenkundig in keiner Weise dafür interessiert habe, ob diese Beträge ausschließlich für den Minderjährigen verwendet worden seien und dass er auch dem Pflegschaftsgericht durch Verheimlichung der Überweisungen an die Mutter des Minderjährigen die Möglichkeit genommen habe, die Verwendung dieser Gelder zu überprüfen. Tatsächlich hat aber nach dem Akteninhalt der Revisionsrekurswerber dem Pflegschaftsgericht erstmalig in seinem Bericht vom 8. 10. 1963, ONr. 69, davon Mitteilung gemacht, dass der Mutter des Minderjährigen während der letzten Jahre laufend Beträge zur Deckung der Lebenshaltungskosten des Minderjährigen zur Verfügung gestellt worden seien. Insofern liegt daher keine Aktenwidrigkeit vor. Richtig ist, dass der Revisionsrekurswerber in seiner Eingabe vom 27. 1. 1964, ONr. 114, vorgebracht hat, er habe nach Bestellung der Mutter des Minderjährigen zur Vormünderin dieser die Beträge von 2.000 S (offenbar: monatlich) zugezählt und danach auf Grund vorgewiesener Belege die Abrechnung kontrolliert (S 297). Eine Überprüfung dieser Behauptung ist allerdings nicht erfolgt. Wenn das Rekursgericht daher davon ausgeht, dass der Revisionsrekurswerber sich offenkundig nicht dafür interessiert habe, ob diese Beträge für den Minderjährigen verwendet worden seien, ist dies in der Aktenlage nicht gedeckt. Diese Aktenwidrigkeit ist jedoch von untergeordneter Bedeutung; denn wesentlich ist die Feststellung, dass der Vermögensverwalter dem Pflegschaftsgericht diese Geldgebarung und die Vereinbarung mit den übrigen Miterben nach Oskar W*****, die von diesen Miterben dem Minderjährigen zur Verfügung gestellten erheblichen Geldbeträge sollten in Anrechnung auf den Erbteil statt als Anteil des Minderjährigen an den laufenden Erträgnissen der erblasserischen Liegenschaften gegeben und entgegengenommen werden (von welcher Vereinbarung der Revisionsrekurswerber dem Pflegschaftsgericht auch in seinem Bericht vom 8. 10. 1963 noch nicht Mitteilung gemacht hat) jahrelang verschwiegen hat. Diese festgestellten Umstände genügen bereits, um die Enthebung des Revisionsrekurswerbers als Vermögensverwalter des Minderjährigen zu begründen, sodass dem angefochtenen Beschluss weder eine für die Entscheidung wesentliche Aktenwidrigkeit noch im Ergebnis eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG vorgeworfen werden kann.

Schon aus diesem Grunde erweist sich der Revisionsrekurs des Vermögenskurators Dr. Günther A***** gegen seine Enthebung als unzulässig, weshalb er zurückzuweisen war, ohne dass auf die Bekämpfung des weiteren vom Rekursgericht angeführten Enthebungsgrundes ‑ der vorzeitigen Auszahlung des Darlehens an Leopoldine S***** ‑ näher einzugehen war.

II. Zum Rekurs der Dr. Maria F*****:

Der Rekurs ist begründet.

Die Rekurswerberin macht mit Recht geltend, dass der Vater des Minderjährigen nicht berechtigt war, ihre Bestellung zum Vermögenskurator anzufechten. Ein Rekursrecht steht im Verfahren außer Streitsachen nur demjenigen zu, dessen rechtlich geschützte Interessen durch den angefochtenen Beschluss beeinträchtigt worden sind (SZ XIX 333, SZ XXI 160 ua). Durch die Bestellung des Dr. Günther A***** zum Vermögensverwalter für den Minderjährigen, die mit Beschluss vom 25. 10. 1963, ONr. 79, erfolgt ist, wurde dem Vater des Minderjährigen die Verwaltung des Vermögens des Minderjährigen entzogen. Es fehlt ihm daher in Angelegenheiten, die die Vermögensverwaltung des Minderjährigen betreffen, die Parteistellung im Sinne des § 9 AußStrG und damit auch die Rekurslegitimation (SZ XXXIII 22).

Der Rekurs des Vaters des Minderjährigen wäre daher schon vom Rekursgericht als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

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