Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß als nichtig aufgehoben und der Rekurs des ehelichen Vaters Alois L***** vom 9. 8. 1963, P 145/61-14, gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Scheibbs vom 16. 7. 1963, P 145/61-13, als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Pflegschaftsgericht hat mit seinem Beschluß vom 16. 7. 1963, P 145/61-13, unter Punkt 1.) die eheliche Mutter Rudolfine L***** zur besonderen Sachwalterin ihrer minderjährigen Kinder Rudolf, Alois und Renate bestellt und diese ihr zur Pflege und Erziehung überlassen. Es hat ferner unter Punkt 2.) Alois L*****, den ehelichen Vater dieser drei Kinder, verhalten, ab 1. 12. 1962 bis auf weiteres 240 S monatlich zuzüglich der jeweiligen Kinderbeihilfe samt Sonderzahlungen zu Handen der Mutter als Unterhaltsbeitrag für jedes Kind zu bezahlen.
Dieser Beschluß wurde vom ehelichen Vater mit dem von ihm erhobenen Rekurs vollinhaltlich bekämpft. Das Rekursgericht hat diesem Rekurs teilweise Folge gegeben, den erstgerichtlichen Beschluß in seinem Punkt 1.) bestätigt, in seinem Punkt 2.) aber aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Beschluß des Rekursgerichtes wird in seinem aufhebenden Teil von der Mutter und besonderen Sachwalterin mit dem vorliegenden Revisionsrekurs bekämpft. In diesem wird ausgeführt, es habe der eheliche Vater am 25. 7. 1963 auf S 34 der Akten einen Rechtsmittelverzicht erklärt, weshalb sein Rekurs wegen Rechtskraft des erstgerichtlichen Beschlusses zurückzuweisen gewesen wäre. Zunächst ist zu prüfen, ob der Revisionsrekurs überhaupt zulässig ist. Im vorliegenden Fall wurden in einer Entscheidung zwei Aussprüche zusammengefaßt, die zwei verschiedene, miteinander nicht im Zusammenhang stehende Ansprüche betreffen (Judikat 56 neu = SZ XXIV 335), weshalb jeder einzelne Ausspruch für sich allein dahin zu prüfen ist, ob gegen ihn ein Revisionsrekurs zulässig ist oder nicht (6 Ob 184/63, 6 Ob 377/61, 6 Ob 110/61, SZ XXVI 254). Gegen einen im außerstreitigen Verfahren ergangenen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes ist an sich ein Revisionsrekurs zulässig (Judikat 203), sofern nicht die Bestimmungen des § 14 Abs 2 AußStrG Anwendung haben. Die Mutter und besondere Sachwalterin bekämpft nun mit dem gegenständlichen Revisionsrekurs den Beschluß des Rekursgerichtes nur insoweit, als damit Punkt 2.) des erstgerichtlichen Beschlusses, womit dem ehelichen Vater ein Unterhaltsbeitrag für die Kinder auferlegt wurde, aufgehoben und der ersten Instanz nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung aufgetragen wurde. Nach § 14 Abs 2 AußStrG wird aber eine Anfechtung der Entscheidung der zweiten Instanz ausgeschlossen, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche zum Gegenstand haben. Dies gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die zweite Instanz den Beschluß über die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltes aufgehoben hat (Entscheidung vom 1. 6. 1926, ZBl 1926, Nr 289). Nach Judikat 60 neu = ÖJZ 1954, S 484, ist aber das Rechtsmittel an die dritte Instanz zulässig, wenn die Anfechtung die Entscheidung über den Grund des Anspruches oder über verfahrensrechtliche Voraussetzungen betrifft. Im vorliegenden Fall wurden im Revisionsrekurs nicht etwa Umstände, aus welchen sich die Richtigkeit des erstgerichtlichen Beschlusses hinsichtlich der Höhe des vom ehelichen Vater zu leistenden Unterhaltes ergeben sollen, angeführt, sondern behauptet, daß der Rekurs infolge Rechtsmittelverzichtes unzulässig gewesen sei und daß mit dem Aufhebungsbeschluß gegen die Rechtskraft verstoßen worden sei. Es handelt sich sohin um verfahrensrechtliche Fragen, weshalb der Revisionsrekurs, trotzdem er in einem Verfahren wegen Bemessung des Unterhaltes erhoben wurde, zulässig ist.
Der Revisionsrekurs erweist sich aber auch als begründet. Der Akt P 145/61 des Bezirksgerichtes Scheibbs enthält in ON 13, S 34, der letzten Seite der Urschrift des Beschlusses vom 16. 7. 1963, den Aktenvermerk vom 25. 7. 1963, wonach der eheliche Vater Alois L***** eine Ausfertigung dieses Beschlusses übernommen und auf Rechtsmittel verzichtet hat. Dieser Aktenvermerk trägt die Unterschrift des Richters und den handschriftlichen Namenszug "Alois L*****". Nun gehen Lehre und Rechtsprechung dahin, daß nach den Zivilprozeßgesetzen ein Rechtsmittelverzicht dann gültig ist und seine Wirkungen ausübt, wenn er nach Fällung des Urteiles zu Gericht, und zwar ausdrücklich erklärt wird. Es kann die Erklärung mündlich abgegeben werden, muß aber dann gemäß § 208 Z 1 ZPO ins Verhandlungsprotokoll aufgenommen werden, oder sie kann mittels Schriftsatzes bekanntgegeben werden. Eine Annahme der Verzichtserklärung ist nicht erforderlich. Der Verzicht ist unwiderruflich, da durch ihn Rechtskraft eingetreten ist (Sperl, S 597/598, Neumann, II. Band, S 1282, 6 Ob 261/59, 5 Ob 66/58 = RiZtg 1958, S 154, SZ XXIV 319). Diese hinsichtlich des Berufungsverfahrens entwickelten Rechtssätze sind aber auch ohneweiters auf das Rekursverfahren anwendbar, da letzteres keine Bestimmungen enthält, aus welchen geschlossen werden könnte, daß es unzulässig sei auf das Rekursrecht unter den oben angeführten Voraussetzungen zu verzichten. Wird nun trotz eines gültigen Rechtsmittelverzichtes und der dadurch eingetretenen Rechtskraft der Entscheidung ein Rechtsmittel von der Partei, welche darauf verzichtet hatte, eingebracht, und darüber vom Rechtsmittelgericht entschieden, so liegt Nichtigkeit der ohne Rücksicht auf die Rechtskraft ergangenen Rechtsmittelentscheidung vor (Sperl, I/3, S 603, 661, 7 Ob 96/56, 3 Ob 335/55, SZ XXII 173). Es ist aber nicht nur ein Verstoß gegen die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen im zivilprozessualen Verfahren mit Nichtigkeit bedroht, sondern auch im außerstreitigen Verfahren (2 Ob 578/50 = JBl 1951, S 66, Ott, Das Rechtsfürsorgeverfahren; S 221/222). Der im Revisionsrekurs der ehelichen Mutter und besonderen Sachwalterin behauptete Rechtsmittelverzicht des ehelichen Vaters ist, wie bereits dargelegt wurde, durch den Akteninhalt (AV vom 25. 7. 1963 in ON 13, S 34) bewiesen und erfüllt die eingangs angeführten Voraussetzungen für seine Gültigkeit, da er nach Beschlußfassung ausdrücklich vor Gericht erklärt und in einem Aktenvermerk schriftlich festgehalten wurde. Es war daher der Beschluß der zweiten Instanz als nichtig aufzuheben und der Rekurs des ehelichen Vaters als unzulässig zurückzuweisen.
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