OGH 7Ob247/62

OGH7Ob247/6212.9.1962

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zierer, Dr. Liedermann, Dr. Berger und Dr. Schopf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene R*****, vertreten durch Dr. Rudolf Schimmer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gustav B*****, vertreten durch Dr. Johann Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert S 15.000,-) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13. Juni 1962, GZ 5 R 118/62-9, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. April 1962, GZ 1 Cg 53/62-5, aufgehoben wurde, folgender

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Zwischen dem Beklagten und Eduard K***** bestand zum Betriebe dem Elektro- und Feinmechanikergewerbes mit dem Standorte in *****, eine Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht. Beide Gesellschafter waren am Hauptstamm und am Gewinn je zur Hälfte beteiligt. Eduard K***** starb am 26. November 1957. Der Nachlass nach ihm wurde der Klägerin mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Döbling vom 13. Dezember 1960, 2 A 680/57, eingeantwortet.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte verwalte weiterhin das durch den Tod des Gesellschafters K***** aufgelöste Gesellschaftsunternehmen und habe sie von jeder Verwaltung ausgeschlossen. Es bestehe gemeinsames Eigentum der Streitteile am Unternehmen. Sie begehre gemäß § 830 ABGB. Rechnungslegung über Hauptstamm und Gewinn des beiden Streitteilen gehörigen Unternehmens für die Zeit vom 26. November 1957 bis 31. Dezember 1961.

Der Beklagte bestritt diese Behauptungen. Der wendete sich, dass er nach dem Tode des Gesellschafters K***** am gleichen Standort das Elektro- und Feinmechanikergewerbe geführt habe, dies jedoch auf Grund einer eigenen hiefür erworbenen Gewerbeberechtigung unter seinem Namen und auf seine Rechnung; die Klägerin habe an diesem Betriebe keinen Anteil.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Klägerin gemäß § 1206 ABGB für die im Sinne des § 1207 ABGB mit dem Tode des Gesellschafters K***** aufgelöste Zweimanngesellschaft nur bis zum Tode des Erblassers Rechnungslegung hätte verlangen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache mit Rechtskraftvorbehalt zur fortgesetzten Verhandlung und neuerliche Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus, dass die Klägerin ihr Begehren auf Rechnungslegung nicht auf Rechte aus der früher zwischen dem Beklagten und K***** bestandenen Gesellschaft, sondern auf ihr Miteigentumsrechts an dem den Streitteilen gemeinschaftlichen Vermögen, welches aus dieser Gesellschaft stamme, im Sinne des § 830 ABGB gestützt habe. Das Erstgericht habe die Frage, ob der Klägerin der Anspruch auf Rechnungslegung auf Grund ihres Miteigentums am Vermögen der früheren Erwerbsgesellschaft für die Zeit nach dem Tode des Eduard K***** (am 26. November 1957) zustehe, nicht erörtert.

Diesbezüglich sei Folgendes zu sagen: Führe ein ehemaliger Gesellschafter nach Beendigung der bürgerlich-rechtlichen Erwerbsgesellschaft das Unternehmen ohne Mitwirkung und Zustimmung des oder der anderen früheren Gesellschafter weiter, so geschehe dies nicht mehr auf gemeinsame Rechnung und gemeinsamen Nutzen, sondern er führe es, ungeachtet der aus dem Tatbestand sich ergebenden Ansprüche des oder der anderen ehemaligen Gesellschafter, auf eigene Rechnung und, soweit er dabei das im Miteigentum oder Alleineigentum des oder der anderen Gesellschafter stehende Gesellschaftsvermögen verwende, als Geschäftsführer ohne Auftrag. Er sei unter der angeführten Voraussetzung in Ansehung des bei seiner Unternehmensführung verwendeten gemeinschaftlichen Vermögens gemäß § 1039 ABGB zur Rechnungslegung verpflichtet. Das Erstgericht habe auf das Miteigentum der Klägerin an dem den Streitteilen gemeinschaftlichen Vermögen keine Rücksicht genommen und den diesbezüglich behaupteten Sachverhalt weder erörtert noch dazu Feststellungen getroffen. Diese Feststellungsmängel werden im fortgesetzten Verfahren zu beheben sein.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten gegen diesen Aufhebungsbeschluss erhobene Rekurs ist nicht begründet.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ging das Erstgericht, indem es eine Rechnungslegungspflicht des Beklagten gemäß den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der §§ 1206 f ABGB verneinte, nicht von den tatsächlichen Behauptungen der Klägerin aus, die auf Grund ihres Miteigentums am Gesellschaftsvermögen, dass der Beklagte bei Fortführung des Unternehmens verwalte (= verwende), ab dem Tage der Auflösung der Gesellschaft Rechnungslegung begehrt. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass der von der Klägerin behauptete Sachverhalt eine Rechnungslegungspflicht des Beklagten als eines Geschäftsführers ohne Auftrag zu begründen vermöge, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ XXIII 48, JBl 1955 S 172, ferner die E vom 1. Februar 1961, 3 Ob 398/60) und dem Schrifttum (Wahle in Klang2, V, S 674, vom Berufungsgericht irrtümlicherweise als "Klangs Kommentar1, III. Be., S 674" zitiert). Der Rekurswerber sucht diese Rechtsmeinung dadurch zu widerlegen, dass er unter Hinweis auf Klangl II, 865 f, und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. 10. 1885, GlU 10.751, eine Einreihung des Rechtsfalles in die Geschäftsführung ohne Auftrag aus dem Grunde ausschließen will, weil das wesentliche Merkmal der Geschäftsführung ohne Auftrag die Absicht sei, für den Geschäftsherrn tätig zu werden. Eine derartige Absicht habe im vorliegenden Fall nicht bestanden. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die Fälle der sogenannten unechten Geschäftsführung, also die Fälle, in denen derjenige, der in die fremde Rechtsphäre eingriff, nicht den Willen hatte, für den anderen tätig zu sein, von den Bestimmungen der §§ 1035 ff ABGB nicht geregelt werden. Er übersieht jedoch, dass der vom Berufungsgericht befolgte, in der Rechtsprechung und im Schrifttum entwickelte Rechtssatz auf eine Geschäftsführung angewendet wird, welche die Verwendung von im Miteigentum oder Alleineigentum eines Dritten stehendem Gesellschaftsvermögen in einem weiterbetriebenen Einzelunternehmen zum Gegenstand hat. Es handelt sich hiebei um eine analoge Anwendung der in Frage stehenden Bestimmungen und hier insbesondere des § 1039 ABGB über die Verpflichtung zur Rechnungslegung auf Fälle, in denen sich ein Geschäftsführer bei der Führung eines Unternehmens fremden Eigentums bedient und daraus geschäftlichen Nutzen zieht. Ein solcher Unternehmer kann sich dadurch, dass er hiebei nicht in Geschäftsführungsabsicht für den Dritten handelt, nicht der für den Geschäftsführer ohne Auftrag mit Geschäftsführungsabsicht vom Gesetz vorgesehenen Verpflichtung zur Rechnungslegung entziehen. Diese Verpflichtung ergibt sich außerdem aus der von der Klägerin schon in der Klage zitierten Bestimmungen des § 830 ABGB, nach der jeder Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft befugt ist, auf Ablegung der Rechnung zu drängen. Dieses Recht steht ihm jedenfalls auch gegen denjenigen Miteigentümer zu, der das gemeinsame Eigentum tatsächlich verwaltet, was nach den Behauptungen der Klägerin auf den Beklagten zutrifft.

Wenn der Rekurswerber unter Bezugnahme auf Swoboda in Klangl, II/2 S 892, weiter geltend macht, dass auch bei der Geschäftsführung ohne Auftrag in der Regel nur die Erstellung einer Schlussabrechnung, "aber keiner laufenden Rechnung", begehrt werden könne, so ist er auf die weiteren Ausführungen der zitierten Kommentarstelle zu verweisen, nach denen beim vorzeitigen Verlangen auf Rechnungslegung die Geschäftsführung ohne Auftrag meist durch Genehmigung oder Verbot der weiteren Tätigkeit ein Ende findet. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Klägerin begehrt für die Verwendung des nach ihren Behauptungen in ihrem Miteigentum stehenden Geschäftsvermögens in dem vom Beklagten betriebenen Unternehmen Rechnungslegung über Hauptstamm und Gewinn für die Zeit vom 26. November 1957 bis 31. Dezember 1961. Dieses Recht steht ihr bei Zutreffen ihrer tatsächlichen Behauptungen im Sinne der obigen Rechtsausführungen zu. Das Berufungsgericht legte dazu im Einzelnen dar, wie eine Rechnungslegung anteilig zu dem jeweils in Verwendung stehenden Gemeinschaftsvermögen zu erfolgen hat. Das Klagebegehren ist in den tatsächlichen Behauptungen der Klägerin schlüssig begründet.

Das weitere Vorbringen des Rekurswerbers, dass der Klage ein Rechtsschutzinteresse fehle, weil die Klägerin, gestützt auf den völlig gleichen Tatbestand zu 39 Cg 185/61 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien ein Entgelt für die Benützung ihres Vermögensanteiles an der Erwerbsgesellschaft durch ihn begehrt habe, ist als eine erstmalig im Berufungsverfahren geltend gemachte Neuerung unbeachtlich (§ 482 Abs 2 ZPO).

Soweit der Beklagte unter Berufung auf Wahle in Klang2 V, S 581 f das Begehren auf Rechnungslegung auf Grund des Miteigentums am Gesellschaftsvermögen zu widerlegen versucht, ist er auf die oben angeführte, den vorliegenden Rechtsfall konkret berührende Kommentarstelle des selben Autors hinzuweisen, gemäß welcher der Beklagte bei Zutreffen der klägerischen Behauptungen als Geschäftsführer ohne Auftrag zu behandeln ist und schon aus diesem Grunde seine Rechnungslegungspflicht besteht. Wenn sich der Rekurswerber schließlich wiederholt auf die Bestimmung des § 1206 ABGB bezieht, entfernt er sich ebenso, wie es das Erstgericht tat, von den tatsächlichen Behauptungen der Klägerin, auf welche diese ihren Rechnungslegungsanspruch gründet. Aus die im Rekurs abermals zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9. Jänner 1868, GlU 2964, ist auf den hier zu entscheidenden Rechtsfall nicht anwendbar. Die Klage hatte dort einen Anspruch auf Rechnungslegung bis zum Tode des verstorbenen Gesellschafters nach Gesellschaftsrecht, nicht aber eine Klage aus dem Titel des Miteigentums zum Gegenstand. Nur dort konnte es von Bedeutung sein, ob der verstorbene Gesellschafter der Geschäftsführer der Gesellschaft war und als solcher von einer Rechnungslegungsklage gegen den anderen Gesellschafter ausgeschlossen gewesen wäre. Die hier eingebrachte Klage richtet sich gegen den Beklagten als tatsächlichen Verwalter des Vermögens einer aufgelösten Gesellschaft, nicht aber als Geschäftsführer der aufgelösten Gesellschaft. Es ist daher auch die vom Beklagten im Verfahren beider Instanzen erhobene Einwendung, K***** wäre als geschäftsführender Gesellschafter nicht zur Rechnungslegung/Rechnungsklage befugt gewesen und auch die Klägerin als seine Gesamtrechtsnachfolgerin könne es daher nicht sein, nicht stichhältig.

Das Berufungsgericht hob, da das Erstgericht die angeführten erheblichen Tatsachen gar nicht erörterte und Feststellungen dazu nicht traf, das angefochtene Ersturteil gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO mit Recht auf.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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