Spruch:
Der Revision wird dahin Folge gegeben, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Streitsache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten der zweiten Instanz zu behandeln.
Text
Begründung
Dem Klagebegehren der Hauseigentümerin des Hauses in ***** M*****straße 63 - N*****gasse 6, es zu unterlassen, die, vom Eingange des Bestandobjektes Tür Nr. 8 des bezeichneten Hauses gesehen, rechts vom Vorzimmer gelegenen Räume, welche der Beklagte derzeit als Badezimmer und Küche verwende, sowie die an diese Räume in einer Flucht anschließenden beiden, vom übrigen Teil des Mietobjektes durch Zwischenwände abgetrennten Zimmer zu Wohnzwecken zu benützen oder benützen zu lassen, hat der Beklagte - als Mieter des genannten Bestandgegenstandes - die Behauptung (ON 2) entgegengesetzt, dass der Hausverwalter der Klägerin in ihrem Auftrage den Betrag von 10.000 S dafür verlangt und erhalten habe, dass die erwähnten Räume für Wohnzwecke eingerichtet und auch benützt würden; es liege ein unbefristetes Einverständnis für die Verwendung dieser Räume nicht nur für Betriebszwecke, sondern auch für Wohnzwecke vor (S 9 der Prozessakten).
Das Erstgericht hat das bezeichnete Unterlassungsbegehren abgewiesen. Es hat festgestellt, dass der Vater des Beklagten die Räume als Geschäfts- bzw Werkstättenräume gemietet habe. Der Beklagte sei in den Mietvertrag seines Vaters eingetreten und müsse daher die Bestimmungen dieses Vertrages gegen sich gelten lassen. Auf Grund des Mietvertrages sei der Beklagte daher zunächst nur berechtigt gewesen, die Räume als Geschäfts- und Werkstättenräume zu benützen. Es sei aber festzustellen, dass der Hausverwalter der Klägerin Emanuel H***** dem Beklagten zu Beginn des Jahres 1953 gestattet habe, die Räume in Hinkunft zu Wohnzwecken zu benützen. Eine zeitliche Begrenzung dieser Erlaubnis sei nicht vereinbart worden. Es sei auch keine Rede davon gewesen, dass diese Lösung bloß eine vorläufige Notlösung sein sollte. Der Beklagte habe an Emanuel H***** den Betrag von 10.000 S sowohl für die Zustimmung zur Überlassung der Wohnung Nr. 10 des eingangs genannten Hauses an Herbert K***** (den nunmehrigen Mieter dieser Wohnung) wie auch für die Gestaltung der Bewohnung der streitgegenständlichen Räume (im Bestandobjekte Nr. 8 des Hauses) gegeben. In der tatsächlichen Benützung der Räume zu Wohnzwecken seitens des Beklagten liege kein Verstoß gegen vertragliche Abmachungen, da der Beklagte durch den Bevollmächtigten der Hauseigentümerin als Bestandgeberin zu dieser Benützung ermächtigt worden sei.
Der Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nicht Folge gegeben und zugleich ausgesprochen, dass der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Die Frage, inwieweit der Hausverwalter der Klägerin die Genehmigung für die Benützung des Bestandobjektes zu Wohnzwecken gegeben habe, könne offen bleiben. Denn nach der in Wien herrschenden Verkehrsübung müsse der Vermieter die Verwendung eines kleinen Teiles des Bestandgegenstandes zu Wohnzwecken dulden, selbst wenn die Bestandgabe des Bestandobjektes an sich zu Werkstättenzwecken geschehen sei (die beiden Zimmer seien nur ein kleiner Teil des Bestandobjektes, Badezimmer und Küche seien nach den Dienstnehmerschutzbestimmungen auszunehmen). Vorliegendenfalls liege kein ausdrückliches Verbot im Mietvertrage vor, den Bestandgegenstand auch nur zum Teil zu Wohnzwecken zu verwenden. Durch die vom Beklagten vorgenommene Benützung eines Teiles des Geschäftslokals zu Wohnzwecken könnten die Interessen der Vermieterin in keiner Weise beeinträchtigt werden. Durch die Benützung eines Teiles des Geschäftsraumes zu Wohnzwecken werde ja das Bestandobjekt pfleglicher behandelt, als wenn das gesamte Bestandobjekt zu Geschäftszwecken verwendet würde. Die Berufungsausführungen zum Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung in der Frage, in welchem Umfange der Hausverwalter der Klägerin dem Beklagten die Verwendung des Bestandobjektes für Wohnzwecke gestattet habe, seien aus den dargestellten rechtlichen Erwägungen bedeutungslos.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die - gemäß § 502 Abs 3 ZPO nicht unzulässige - Revision der Klägerin, worin die Revisionsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO geltend gemacht werden und die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin beantragt wird, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise hat die Klägerin beantragt, das Urteil der zweiten Instanz aufzuheben und dem Berufungsgerichte aufzutragen, über die Berufung neuerlich, allenfalls nach Ergänzung des Berufungsverfahrens, zu entscheiden. Der Beklagte hat die Revision bekämpft und beantragt, ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne der folgenden Ausführungen begründet. Zunächst ist aus dem Prozessvorbringen im erstinstanzlichen Verfahren festzuhalten, dass der Beklagte vor dem Erstgerichte die von ihm behauptete Berechtigung, einen Teil des Bestandgegenstandes Nr. 8 zu Wohnzwecken zu benützen, bloß auf die mit dem Hausverwalter der Klägerin im Jahre 1953 getroffene Vereinbarung der teilweisen Widmungsänderung zurückgeführt hat, keineswegs auf die oben dargelegten Umstände, aus denen das Berufungsgericht zur Bestätigung der Klagsabweisung seitens der ersten Instanz gekommen ist. Zutreffend hat aber die Revisionswerberin auch darauf verwiesen, dass im vorliegenden Prozesse nur der Unterlassungsanspruch der Vermieterin zur Erörterung steht. Das Revisionsgericht vermag der Beurteilung der Vorinstanz nicht beizupflichten, wenn diese den Beklagten zu der von ihm vorgenommenen Widmungsänderung ohne weiteres für befugt erachtet hat. Der Bestandgeber ist doch nur verpflichtet, dem Bestandnehmer den bedungenen Gebrauch zu gewähren (vgl Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, 1928, S 439); in Ermangelung einer Vereinbarung entscheidet der Zweck des Vertrags und die Verkehrssitte über den Umfang der Gebrauchsbefugnis (vgl Ehrenzweig, aaO). Nun sind die Räume seinerzeit als Werkstätten- bzw Geschäftsräume vermietet worden (S 83 der Prozessakten), so dass es dem Vertrage widerspricht, einen Teil davon als Wohnung zu verwenden. Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die Bestimmungen der §§ 53 und 56 der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung (BGBl Nr 265 aus 1951) in Bezug auf Badezimmer und Küche greift nicht durch, weil es sich vorliegendenfalls bei diesen Räumen nicht bloß um Waschgelegenheiten oder Aufenthaltsräume für die Dienstnehmer aus dem Gewerbebetrieb des Beklagten handelt, vielmehr um Nebenräume der vom Beklagten im gemieteten Geschäftsraume eingerichteten Wohnung (bestehend aus zwei Zimmern sowie diesen Nebenräumen). Bei der Beurteilung kommt es also nicht darauf an, dass die beiden Zimmer, die nunmehr als Wohnung verwendet werden, nur einen kleinen Teil des gesamten Bestandobjektes darstellen. Zutreffend führt die Revisionswerberin auch aus, dass eine vorübergehende Benützung von Teilen eines Geschäftslokals zur Nächtigung oder zum sonstigen Aufenthalt des Geschäftsinhabers nicht der vom Beklagten vorgenommenen Widmungsänderung eines Teiles des Bestandgegenstandes gleichgesetzt werden könne. Das Revisionsgericht hat bereits in 3 Ob 504/55 vom 2. 11. 1955, MietSlg Nr 4381, dargelegt und hält daran fest, dass der Vermieter jede vertragswidrige Verwendung des Bestandgegenstandes untersagen darf, ohne dass es einer Erörterung darüber bedürfe, ob ein schutzwürdiges Interesse des Vermieters gegeben sei; der Standpunkt, dass die Unterlassung des vertragswidrigen Gebrauches nur gefordert werden könne, wenn dem Vermieter hiedurch ein Nachteil entstünde, sei mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist es nicht entscheidend, dass im Vertrage die Umwidmung nicht ausdrücklich untersagt worden ist; wesentlich ist, dass dieses Bestandobjekt im Vertrage dem Mieter für Geschäftszwecke überlassen worden ist. Nur unter dem Gesichtspunkte des Verbotes schikanöser Rechtsausübung könnte der Mieter gegen das Unterlassungsbegehren seiner Vermieterin mit Erfolg Stellung nehmen. In dieser Hinsicht hat aber der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren gar nichts vorgebracht, vielmehr die Widmungsänderung mit der durch den Hausverwalter der Klägerin im Jahre 1953 vertraglichen Gestattung begründet. Über diesen Prozessstandpunkt des Beklagten vor dem Erstgerichte darf nicht hinweggesehen werden, zumal die Revisionswerberin überzeugend ihr Interesse am Unterlassungsanspruche darlegt (S 127 f der Prozessakten).
Daraus ergeben sich für die Erledigung in dritter Instanz die nachstehenden Folgerungen:
Der vom Berufungsgerichte gebrauchte Abweisungsgrund trifft nicht zu. Das Verfahren ist schon nach dem Prozessstandpunkte des Beklagten vor dem Erstgerichte ergänzungsbedürftig, weil sich das Berufungsgericht mit den in der Berufung vorgetragenen Rügen gegen die erstinstanzlichen Feststellungen, betreffend die Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Hausverwalter der Klägerin, nicht befasst hat. In dieser Beziehung wird die Vorinstanz nunmehr die Berufung der Klägerin gegen das Ersturteil zu prüfen haben, wobei es seinem Ermessen vorbehalten bleibt, die Berufungsverhandlung zu ergänzen. Der Auffassung der Revisionswerberin, dass die Sache schon derzeit im Sinne der aufrechten Erledigung des Unterlassungsbegehrens spruchreif sei, weil ihr Hausverwalter Emanuel H***** zu der vom Beklagten behaupteten Vereinbarung mit Wirkung für die Vermieterin nicht befugt gewesen sei, kann nicht beigepflichtet werden. Denn die Klägerin hat vor dem Erstgerichte die Überschreitung der Vertretungsmacht ihres Hausverwalters gegenüber der Prozessbehauptung ihres Gegners auf Abschluss der oben bezogenen Vereinbarung der Gestattung der Widmungsänderung gar nicht eingewendet; auch ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl zB 3 Ob 461/50 vom 3. 11. 1950, MietSlg Nr 1115) ein Hausverwalter ganz allgemein zum Abschluss von Mietverträgen hinsichtlich aller Bestandobjekte mit Wirkung für den Eigentümer des Hauses ermächtigt, so dass nach der derzeitigen Aktenlage der im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwand, dass die Klägerin die von ihrem Hausverwalter mit dem Beklagten hinsichtlich der Umwidmung etwa getroffene Abmachung nicht gegen sich gelten lassen müsse, nicht gerechtfertigt ist.
Zufolge der dargelegten Feststellungsmängel war also der Revision gemäß dem obigen Spruche stattzugeben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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