Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.334,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 3 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag in eingeschränktem Umfang aufrecht und trug dem Beklagten auf, der Kläger den Betrag von 285.000 S samt 6 % Zinsen seit 9. 4. 1958 und die Kosten zu bezahlen. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in der Hauptsache.
Die Untergerichte stellten folgenden Sachverhalt fest:
Der Beklagte betreibt ein Unternehmen zum Import, Export, Transit- und Lebensmittelgroßhandel. Dieses musste er im Jahr 1954 von Kompensationsgeschäften auf Geschäfte mit Akkreditivbasis umstellen. Um den Umfang seines seit 1949 aufgebauten Betriebes nicht einschränken zu müssen, war er bereit, auch mit teurem Fremdkapital zu arbeiten. Bankkredite konnte der Beklagte mangels genügender Sicherheiten nicht erlangen. Er wandte sich daher an die Klägerin und erhielt von dieser in der Folge mehrere Darlehen. Er akzeptierte über die Darlehenssummen Wechsel, die jeweils auf einen höheren Betrag als den zugewählten vereinbarungsgemäß ausgestellt wurden. Es steht nicht eindeutig fest, ob es sich bei den Mehrbeträgen um eine Zinsen- oder Beteiligungszusage für bestimmte Geschäfte an die Klägerin handelte. Die Forderungen der Klägerin wurden wiederholt in der Weise prolongiert, dass der Beklagte den Zinsen- beziehungsweise Beteiligungsbetrag an die Klägerin ausbezahlte und einen neuen Wechsel über den gleichen Kapitals- zuzüglich des neuen Beteiligungsbetrag akzeptierte. Auf diese Weise kam es am 8. 10. 1957 zur Ausstellung des klagsgegenständlichen Wechsels über 335.000 S. Die finanzielle Situation des Beklagten zur Zeit der Darlehensaufnahmen war aktiv, jedoch fehlten flüssige Mittel. Andrängende Gläubiger waren nicht vorhanden. Die Klägerin hatte den Eindruck, dass der Beklagte in guten finanziellen Verhältnissen lebe, gesichert durch die Finanzkraft seiner Schwiegereltern S*****, der Eigentümer des Hotels S***** im Helenental. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass der Beklagte aus seiner Visitenkarte vier Telephonnummern angab. Die vom Beklagten eingewendeten Gegenforderung von 30.000 S besteht nicht zu Recht.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus:
Die Einwendungen der Nichtigkeit des Geschäftes nach dem allgemeinen Tatbestand des § 879 Abs 1 ABGB oder dem Sondertatbestand nach Z 4 des Abs 2 dieser Gesetzesstelle liege nicht vor. In den Einwendungen seien keine Tatsachen in der Richtung der Sittenwidrigkeit vorgebracht worden. Hinsichtlich des Tatbestandes des Wuchers sei lediglich die Unverhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung, nicht aber das Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale unwirtschaftlicher Eigenschaften des Bewucherten und der Ausbeutung durch den Wucherer behauptet worden. Abgesehen davon sei die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes zutreffend, dass weder eine Zwangslage noch Ausbeutung vorliege. Der Beklagte habe schon in den Einwendungen zugegeben, dass er die Darlehen nur zum Eintritt in neue Geschäfte benötigt habe. Aus der Feststellung, dass er lieber teures Fremdkapital aufgenommen habe, um den Betrieb im bisherigen Umfang aufrecht erhalten zu können, ergehe sich, dass von einer Zwangslage nicht die Rede sein könne. Auf Grund der Feststellung über das Auftreten des Beklagten und über den Eindruck der Klägerin von seinem Unternehmen sei auch die Ausbeutungsabsicht der Klägerin zu verneinen.
Der Beklagte ficht das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens an und beantragt, die Urteile beider Instanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde oder sie aufzuheben und die Sache an eine der Unterinstanzen zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Der Beklagte führt aus, seine Zwangslage sei darin gelegen, dass er gezwungen gewesen wäre, seinen Geschäftsbetrieb einzustellen und neue Geschäfte nicht abzuschließen, wenn er kein Betriebskapital hätte beschaffen können. Dieses habe er nicht zu normalen Bedingungen erhalten können.
Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Vor allem ist nicht festgestellt, dass der Beklagte ohne die Kapitalsaufnahme gezwungen gewesen wäre, sein Unternehmen einzustellen. Festgestellt ist vielmehr nur, dass eine Einschränkung erforderlich gewesen wäre. Zwangslage ist anzunehmen, wenn ein Kontrahent vor die Wahl gestellt ist, den nachteiligen Vertrag abzuschließen oder einen Nachteil zu erleiden, der nach vernünftigem Ermessen noch schwerer wiegt als der wirtschaftliche Verlust, den der Vertrag zur Folge hat (6 Ob 159/58, 7 Ob 636/56 u. a.). Dies kann aber dann nicht gesagt werden, wenn der Beklagte durch die Geldaufnahme nur die Betriebseinschränkung vermeiden wollte. Denn bei vernünftigem Ermessen hätte er diese Folge auf sich nehmen müssen, anstatt seinen Betrieb durch nachteilige Geldoperationen in einem den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr entsprechenden Umfang aufrechtzuerhalten. Eine Notwendigkeit hiezu bestand keinesfalls.
Weiters führt der Beklagte aus, die Klägerin habe als Geschäftsfrau wissen müssen, dass ein Geldnehmer, der 58 % Zinsen zahle, sich irgendwie in einer Zwangslage befinde, in welcher ihm nichts anderes übrig bleibe, als derart hohe Zinsen zu versprechen. Diese Schlussfolgerung ist an sich nicht zwingend. Denn es gibt noch weitere Gründe für eine derartige Geldaufnahme, wie zum Beispiel die Hoffnung auf einen besonders großen Gewinn. Die Ausführungen stehen ferner mit den Feststellungen der Untergerichte im Widerspruch. Darnach befand sich der Beklagte eben nicht in einer solchen Zwangslage, die zum Tatbestand des Wuchers erforderlich ist. Dazu kommt, dass von einem sich nach außenhin als gut situiert gebenden Geschäftsmann nicht ohne weiters angenommen werden kann und muss, dass er sich in einer Zwangslage befinde. Schließlich ist zu bedenken, dass die Klägerin auch ein beträchtliches Risiko auf sich nahm, weil der Beklagte keinerlei Sicherheit bieten konnte und die Darlehen zu gewagten Geschäften verwendete. In der Vereinbarung hoher Zinsen ist daher auch die Risikoprämie der Uneinbringlichkeit enthalten. Aus diesem Grund kann auch nicht gesagt werden, dass das Geschäft gegen die guten Sitten verstoße.
Bei dieser Rechtsansicht ist der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht gegeben. Es erübrige sich eine Nachforschung nach der Persönlichkeit der Klägerin, insbesondere auch in der Richtung, ob sie derartige Kreditgeschäfte auch mit anderen Geldnehmern abschloss, und auch die genaue Berechnung der Höhe der Zinsen.
Der Revision war demnach der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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