OGH 2Ob586/59

OGH2Ob586/5913.11.1959

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr.Sabaditsch als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr.Köhler, Dr.Berger, Dr.Pichler und Dr.Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl N*****, Omnibus-Unternehmer, ***** Deutsche Bundesrepublik, vertreten durch Dr.Hermann Peterlunger, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagten Parteien 1.) Leonhard B*****, Kraftfahrer, ***** 2.) Thomas W*****, Frächter, ***** beide vertreten durch Dr.Wendelin Pflauder, Rechtsanwalt in Lienz, wegen 42.562,04 S samt Anhang, infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2.September 1959, GZ 4 R 116/59-45, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5.Mai 1959, GZ 12 Cg 486/57-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den Beschluß

gefaßt:

Die Revision der klagenden Partei wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Betrages von 550,-- DM richtet, zurückgewiesen. II. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im übrigen wird beiden Revisionen nicht Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10.7.1957 ist es in der Nähe der Ortschaft Nikolsdorf in Osttirol in der sogenannten Steinwendnerkurve zu einem Verkehrsunfall gekommen, bei dem der dem Kläger gehörige und von dem Kraftfahrzeugführer Ottomar J***** gelenkte Omnibus und der vom Erstbeklagten gelenkte und dem Zweitbeklagten gehörige LKW zusammengestoßen sind. Der Kläger hat den Ersatz des Sachschadens, sonstiger Auslagen und des Verdienstausfalles von 7.093,84 DM = 42.562,04 S u.5 3/4 % Zinsen geltend gemacht, indem er das alleinige Verschulden des Erstbeklagten behauptet hat. Dieser sei mit dem LKW in der Straßenmitte mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren und habe den Omnibus, der ganz auf der rechten Seite gefahren sei, an das nahe der Fahrbahn stehende Haus gedrängt.

Die Beklagten haben Klagsabweisung beantragt und auf den im Strafverfahren erfolgten Freispruch des Erstbeklagten hingewiesen. Sie haben behauptet, daß der Lenker des Omnibusses den Verkehrsunfall verschuldet habe, weil er sein Fahrzeug nicht rechtzeitig zum Stillstand gebracht habe. Ein Vorbeifahren der beiden Fahrzeuge sei an dieser Straßenstelle unmöglich gewesen.

Das Erstgericht hat eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 2 : 1 zum Nachteil der Beklagten vorgenommen und diese zur ungeteilten Hand verurteilt, dem Kläger zwei Drittel des festgestellten Schadens von 34.793,04 S, somit den Betrag von 23.195,36 S, samt 5 3/4 % Zinsen zu bezahlen.

Der Kläger hat das Urteil insoweit angefochten, als seinem Klagebegehren nicht ganz stattgegeben wurde. Er hat die Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles in der Richtung beantragt, daß dem ganzen Klagebegehren stattgegeben werde, oder eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1 : 4 zum Nachteil der Beklagten angenommen werde.

Die Beklagten haben beantragt, das erstgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde oder dem Kläger bei einer Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1 : 1 11.692,62 S, das ist die Hälfte des festzustellenden Schadens von 23.385,24 S, zugesprochen werden.

Das Berufungsgericht hat beiden Berufungen nicht Folge gegeben. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Parteien. Beide machen die Revisionsgründe nach § 503 Z 2, 3, 4 ZPO geltend. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren "erforderlichenfalls nach Ergänzung des Verfahrens" ganz stattgegeben werde oder eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 4 : 1 zum Nachteil der Beklagten vorgenommen werde. Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde oder dem Käger 11.584,62 S oder 17.396,52 S zugesprochen werden. Hilfsweise beantragen beide Parteien, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Beide Parteien beantragen, der gegnerischen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht gerechtfertigt.

Der Kläger macht als Mangel des Verfahrens geltend, daß seine Vernehmung unterlassen worden sei, obgleich sie vom Erstgericht beschlossen wurde. Bei seiner Vernehmung hätte sich ergeben, daß der 50 %ige Abstrich für Lackierungs- und Beschriftungskosten nicht gerechtfertigt gewesen sei, weil er mitteilen hätte können, daß der Omnibus seit der Anschaffung neu lackiert und beschriftet worden sei. Diese Ausführungen können schon deshalb keinen Erfolg haben, weil eine Behauptung in dieser Richtung in erster Instanz nicht aufgestellt worden ist und diese Ausführungen in der Berufung mit Recht vom Berufungsgericht als unzulässige Neuerung abgetan worden sind. Der Mangel einer solchen Behauptung war auch durch die Parteienvernehmung nicht zu beheben, da auf diese Weise fehlende Prozeßbehauptungen nicht nachgetragen werden können. Der von den Untergerichten angenommene Abstrich von 50 % bezüglich der Lackierungs- und Beschriftungskosten ist durch das Sachverständigengutachten gedeckt und erscheint auch in rechtlicher Hinsicht nicht verfehlt.

Worin die Aktenwidrigkeit gelegen sein soll, ist nicht besonders ausgeführt worden. Falls diese darin erblickt werden sollte, daß das Erstgericht die Feststellung getroffen habe, der Omnibus sei im Zeitpunkt des Zusammenstoßes bereits gestanden, kann dem nicht gefolgt werden.

Die Feststellung des Erstgerichtes, daß beide Fahrzeuge im Zeitpunkt des Zusammenstoßes noch in Bewegung waren, ist das Ergebnis der Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Sie steht mit dem Akteninhalt in keinem Widerspruch, sondern ist vielmehr durch die Beweisergebnisse gedeckt und im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbar. Es ist daher bei der rechtlichen Beurteilung der Sache von dieser Feststellung auszugehen, zumal sie vom Berufungsgericht als unbedenklich übernommen wurde.

Die Beklagten erachten die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung des Erstgerichtes, daß auch der Schaden an der rechten Seite des Omnibusses unfallskausal gewesen sei, für unrichtig und mit den Ergebnissen des abgeführten Beweisverfahrens im Widerspruch und machen in dieser Richtung eine Aktenwidrigkeit geltend. Diesen Ausführungen kann kein Erfolg beschieden sein. Die Frage, ob Schäden bei einem Verkehrsunfall als kausal anzusehen sind, ist keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage. Damit ist auch der geltend gemachte Feststellungsmangel, der darin erblickt wird, daß es das Erstgericht unterlassen habe festzustellen, welche Reparaturkosten für die Beschädigungen auf der linken Seite und welche für die Beschädigungen auf der rechten Seite des Omnibusses entstanden sind, erledigt. Einer solchen besonderen Feststellung der einzelnen Schäden auf der einen oder anderen Seite des Omnibusses war mit Rücksicht darauf, daß sämtliche Schäden als unfallskausal anzusehen sind, zur rechtlichen Beurteilung der Sache nicht erforderlich. Es war aber auch nicht notwendig, einen Sachverständigen beizuziehen. Das Berufungsverfahren ist somit mangelfrei geblieben.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist von den Feststellungen des Erstgerichtes auszugehen, die vom Berufungsgericht als unbedenklich übernommen wurden. Bezüglich der Verschuldensaufteilung versucht der Kläger darzutun, daß den Lenker des Omnibusses überhaupt kein Verschulden oder lediglich ein Mitverschulden von einem Fünftel treffe. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat keineswegs angenommen, daß der Lenker des Omnibusses eine Ausweichmöglichkeit nach rechts hatte, sondern es ist vielmehr davon ausgegangen, daß er eine solche Möglichkeit nicht hatte. Das Berufungsgericht hat das Verschulden der beiden Kraftfahrzeuglenker deshalb angenommen, weil selbst bei Berücksichtigung einer Schrecksekunde jeder die Möglichkeit gehabt hätte, sein Fahrzeug noch vor dem Zusammenstoß anzuhalten. Dem Lenker des Omnibusses ist mit Recht das Unterlassen des rechtzeitigen Anhaltens als Verschulden angerechnet worden, weil diese Unterlassung unfallskausal gewesen ist. Selbst wenn man annehmen wollte, was aber nicht feststeht, daß der Omnibus im Zeitpunkt des Zusammenstoßes bereits gestanden ist, würde dies den Lenker nicht entschuldigen, weil das Anhalten des Omnibusses in diesem Zeitpunkt bereits zu spät gewesen wäre. Bei der von den Untergerichten vorgenommenen Verschuldensaufteilung ist auch dem Umstand bereits Rechnung getragen worden, daß der Lenker des Omnibusses nicht ortskundig gewesen ist. Sein Verschulden ist aber auch nicht so gering, als es der Kläger für richtig hält. Es darf nicht übersehen werden, daß bei einem rechtzeitigen Anhalten des Omnibusses der Zusammenstoß hätte vermieden werden können. Es fällt daher auch dem Lenker des Omnibusses ein erheblich ins Gewicht fallender Aufmerksamkeitsfehler zur Last. Allerdings wird eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1 : 1, wie sie die Beklagten für richtig halten, der festgestellten Sachlage nicht gerecht. Die Beklagten versuchen mit der Rechtsrüge darzutun, daß der Schaden auf der rechten Seite des Omnibusses überhaupt nicht entstanden wäre, wenn dieser rechtzeitig zum Stehen gebracht worden wäre. Selbst wenn dies der Fall wäre, bestünde kein Anlaß, diesen Schaden als nicht unfallskausal anzusehen oder auf das Verschulden des Lenkers des Omnibusses allein zurückzuführen. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß dieser durch die festgestellte verkehrswidrige Fahrweise des Erstbeklagten in diese Lage gebracht worden ist. Es sind daher alle Schäden am Omnibus von den Beklagten nach Maßgabe der Verschuldensaufteilung zu verantworten. Daß die beiden Fahrzeuge nicht ohne Berührung aneinander vorbeigekommen sind, ist auf das Verschulden der beiden Kraftfahrzeugführer zurückzuführen. Zu den Schäden hat der Erstbeklagte in einem viel größeren Ausmaß beigetragen, weil er ortskundig gewesen ist und die Gefahrenstelle gekannt hat. Er hätte daher vorsichtiger an diese Gefahrenstelle heranfahren müssen, um in der Lage zu sein, sein Fahrzeug bei Begegnung mit einem anderen Fahrzeug noch rechtzeitig anhalten zu können. Der Erstbeklagte hat überdies eine Ausweichmöglichkeit nach rechts ungenützt gelassen. Die Untergerichte haben daher mit Recht eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 2 :

1 zum Nachteil der Beklagten vorgenommen. Auch wenn man die Schadensaufteilung nach § 17 KfzVerkG und nach dem Verursachungsprinzip vornehmen würde, erscheint diese Aufteilung gerechtfertigt. Der Erstbeklagte hat die Schäden zu einem erheblicheren Teil durch seine Fahrweise und seine Unterlassung verursacht als der Lenker des Omnibusses.

Dem Kläger konnte auch der Betrag von 36 DM, das sind 216 S, als Schadensbetrag zuerkannt werden, weil es sich dabei um Kosten der Schadensfeststellung handelt, die wie die Reparaturkosten selbst mit dem Unfall unmittelbar im Zusammenhang stehen und dadurch verursacht wurden. Es kann dem Geschädigten nicht verwehrt sein, diese im Rechtsweg geltend zu machen (siehe SZ XXIII 345 und Wolff in Klang Komm2 Band 6 Seite 193, allerdings insoweit zu weitgehend, als er auch die Kosten der Beweissammlung und der Prozeßvorbereitung miteinbezieht).

Die Kosten der Erkundigungsfahrten des Klägers an die Unfallsstelle sind allerdings als vorprozessuale Kosten anzusehen, für die der Rechtsweg unzulässig wäre. Es handelt sich um Kosten der Beweissammlung und der Prozeßvorbereitung. Die Klage wäre bezüglich dieses Anspruches zurückzuweisen gewesen. Nun haben die Untergerichte diesen Anspruch aus materiellrechtlichen Erwägungen abgewiesen. Damit wird der Entscheidung nicht die Eigenschaft einer Kostenentscheidung genommen. Gegen eine solche Entscheidung der zweiten Instanz ist eine Anfechtung gemäß § 528 ZPO unzulässig. Soweit sich die Revision gegen diese Entscheidung richtet, war sie unzulässig und daher zurückzuweisen.

Da keine der Parteien mit ihrer Revision durchgedrungen ist, erscheint es gerechtfertigt, die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs.1 und § 50 ZPO.

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