OGH 1Ob58/58

OGH1Ob58/5827.3.1958

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Neuwirth Dr. Meyer-Jodas und Dr. Machek sowie den Rat des Oberlandesgerichts Dr. Übeneiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Herbert Kapferer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei J*****, vertreten durch Dr. August Hallegger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Entfernung eines Zaungatters (Streitwert 1.500 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. November 1957, GZ 2 R 394/57-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 30. März 1957, GZ 12 C 762/56-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.

2.) zu Recht erkannt:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

Der Beklagte ist schuldig, binnen 14 Tagen bei Exekution das an dem entlang den zwei nordwestlichsten Metern der westlichen Grundparzellengrenze der Gp ***** in EZ ***** der KG ***** befindliche Gattertor unversperrt zu lassen; dagegen werden das Hauptbegehren der Klägerin, die beklagte Partei sei schuldig, binnen 14 Tagen bei Exekution den entlang den zwei nordwestlichsten Metern der westlichen Grundparzellengrenze der Gp ***** in EZ ***** der KG ***** errichteten Zaun zu entfernen, und das Eventualbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, binnen 14 Tagen bei Exekution das an dem entlang den zwei nordwestlichsten Metern der westlichen Grundparzellengrenze der Gp ***** in EZ ***** der KG ***** befindliche Zaungatter auf eine Durchfahrtsbreite von 2 m zu erweitern, abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens I., II. und III. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Folgender Sachverhalt ist unbestritten:

Die Klägerin ist seit 1950 als Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit der Gp ***** Garten und der Bp *****, Wohnhaus Nr ***** im Grundbuch des Bezirksgerichts Innsbruck eingetragen. Der Beklagte ist seit 1933 als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit der Gp ***** Garten, Holzhütte und der späteren Bp *****, Wohnhaus Nr ***** im Grundbuch des Bezirksgerichts Innsbruck unter TZ 1795/33 eingetragen. Der Beklagte räumte im Kaufvertrag vom 18. bzw 21. 4. 1933 (s Beilage 3) als Eigentümer der Gp ***** dem jeweiligen Eigentümer der Gp ***** das Recht ein, einen Zufahrtsweg in der Breite von 2 m an der Nordwestseite der Parzelle ***** zur Gp ***** zu erstellen, welcher die Fortsetzung des über die Gp ***** führenden gleich breiten Wegs bildet, und über diesen Weg zu gehen und zu fahren und die Gas-, Licht- und Wasserleitungen zu führen. In einem Nachtrag vom 21. 4. 1933 zu diesem Kaufvertrag räumte L***** als Eigentümer der Gp ***** dem jeweiligen Eigentümer der Gp ***** das Recht ein, den über die Gp ***** führenden, 2 m breiten Fahrweg an der Nordwestseite dieser Parzelle in Fortsetzung des über die Gp ***** führenden gleich breiten Fahrweg zu benützen, also über denselben zu gehen und zu fahren und die Gas-, Licht- und Wasserleitung zu führen. Im Lastenblatt des Grundbuchs für die Liegenschaft EZ ***** KG ***** ist aufgrund des Kaufvertrags vom 21. 4. 1933, gleichfalls unter TZ 1795/33, also gleichzeitig mit der Einverleibung des Eigentumsrechts für J***** in EZ *****, die Dienstbarkeit a) des Geh- und Fahrrechts, b) des Rechts zur Legung und Führung der Gas-, Licht- und Wasserleitung über die Gp ***** zu Gunsten der Gp ***** in EZ ***** KG ***** einverleibt und das Recht unter derselben TZ im Gutsbestandsblatt des Grundbuchs für die EZ ***** ersichtlich gemacht. Andererseits ist im Lastenblatt für die Liegenschaft EZ ***** aufgrund des Kaufvertrags vom 21. 4. 1933 unter TZ 1975/33 die Dienstbarkeit a) des Geh- und Fahrtrechts, b) des Rechts der Legung und Führung der Gas-, Licht- und Wasserleitung über die Gp ***** zu Gunsten der Gp ***** in EZ ***** einverleibt und das Recht unter derselben TZ im Gutsbestandsblatt EZ ***** ersichtlich gemacht. In den Gutsbestandsblättern des Grundbuchs für die EZ ***** und ***** ist ersichtlich gemacht, dass mit dem Eigentum der Gp ***** und ***** das Recht a) des Gehens und Fahrens, b) zur Legung und Führung der Gas-, Licht- und Wasserleitung über die Gp *****, EZ ***** und Gp ***** und *****, EZ ***** verbunden ist. An die Gp ***** (Eigentum der Klägerin) grenzt im Westen die Gp ***** (Eigentum des Beklagten) und an diese im Westen die Gp ***** mit dem Haus ***** an, das von der Familie Dr. G***** bewohnt wird. Bereits im Jahre 1948 hatte der Beklagte den 2 m breiten Privatweg durch einen Staketenzaun mit einem Holzgattertor abschließen lassen und einen Schlüssel an die im Hause Nr ***** wohnhafte Frau H***** gesendet. Da die Klägerin nach Einverleibung ihres Eigentumsrechts gegen die Behinderung des Geh- und Fahrwegs protestierte (siehe Briefe vom 23. 11. 1950 und 14. 12. 1950, Beilagen 6 und 2) blieb das Gattertor in der Folge unversperrt und verfiel schließlich. Die Folge davon war, dass den Privatweg über den Grundstreifen der Gp ***** des Beklagten, der sich außerhalb der Umzäunung des übrigen Teils dieser Parzelle befindet, nicht nur die dienstbarkeitsberechtigten Eigentümer der Parzelle ***** benützten, sondern widerrechtlich auch dritte Personen, insbesondere die im Hause ***** wohnenden Studenten, die wiederholt Schabernack trieben, Lärm verursachten und den Beklagten und dessen Familienmitglieder belästigten. Der Beklagte ließ daher im April 1956 abermals ein Gatter mit einem ca 1 m breiten Tor anbringen und dieses absperren. Er schickte der Klägerin durch seinen Schwiegersohn H***** am 24. 5. 1956 den Brief des Beklagtenvertreters vom 15. 5. 1956 (Beilage B) und gleichzeitig acht Schlüssel für das Gattertor. Die Klägerin nahm Brief und Schlüssel in Empfang, behielt sich jedoch eine endgültige Stellungnahme zur Maßnahme des Beklagten bis zur Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt vor. Sie verwies auf das verbücherte Geh- und Fahrtrecht in der Breite von 2 m und verlangte bereits vorweg die Verbreiterung des Tors auf diese Breite. Die Klägerin brachte darauf am 29. 5. 1956 die vorliegende Klage ein, die dem Beklagten am 5. 6. 1956 zugestellt wurde. H***** hatte dem Beklagten zwar die Verbreiterung des Tors auf 2 m in Aussicht gestellt, es wurde auch Maurermeister K***** vom Beklagten mit dieser Arbeit beauftragt, die Arbeit wurde aber wegen Arbeitsüberlastung erst am 13. 6. 1956 durchgeführt. Das Gattertor in Form eines Lattenzauns mit einer lichten Breite von 2,05 m befindet sich entlang der zwei nordwestlichsten Metern der westlichen Grundparzellengrenze des Beklagten. In der Verlängerung des Tors ist bis zum Anschluss an die südliche Begrenzungsmauer des E***** Grundbesitzes ein dem Gatter ähnlicher Zaun aufgestellt. Ein Durchgang oder ein Umgehen ist bei verschlossenem Gattertor unmöglich. Der Beklagte erklärte sich bei der Verhandlung am 14. 6. 1956 bereit, auf seine Kosten eine Klingelleitung vom Gattertor zur Klägerin zu legen.

Die Klägerin stellte das Hauptbegehren; der Beklagte ist schuldig, binnen 14 Tagen bei Exekution den entlang den zwei nordwestlichsten Metern der westlichen Grundparzellengrenze der Gp ***** in EZ ***** der KG ***** errichteten Zaun zu entfernen, und das Eventualbegehren, die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen bei Exekution das an dem entlang den zwei nordwestlichsten Metern der westlichen Grundparzellengrenze der Gp ***** in EZ ***** der KG ***** befindliche Zaungatter auf eine Durchfahrtsbreite von 2 m zu erweitern und dasselbe unversperrt zu lassen.

Obwohl das Gattertor bereits am 13. 6. 1956 auf 2 m erweitert worden war, hat die Klägerin ihr Eventualbegehren nicht eingeschränkt.

Das Erstgericht entschied im Sinne des Hauptbegehrens der Klägerin.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Haupt- und das Eventualbegehren der Klägerin ab. Es führte im Wesentlichen aus: Gemäß § 484 ABGB müssen Dienstbarkeiten, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten, eingeschränkt werden. Der Dienstbarkeitsberechtigte müsse sich alle Maßnahmen gefallen lassen, welche die Ausübung der Dienstbarkeit nicht ernstlich erschweren oder gefährden. Aus dem Bestellungsvertrag könne für die Auslegung nichts Wesentliches gewonnen werden. Es wurde der Klägerin eine gewöhnliche Dienstbarkeit des Geh- und Fahrwegs im Sinne des § 492 ABGB eingeräumt. Der Oberste Gerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass das Absperren des Wegs unter Übergabe eines Schlüssels zulässig sei. Diese Rechtsansicht treffe wohl vor allem in den Fällen zu, wo das Eigentumsrecht des Dienstbarkeitsverpflichteten im Falle der uneingeschränkten Ausübung der Dienstbarkeit gefährdet ist. Gemäß § 354 ABGB sei das Eigentum, als ein Recht betrachtet, die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen. Dieser wesentliche Inhalt des Eigentumsrechts, jeden unbefugten Dritten auszuschließen, sei im vorliegenden Falle erheblich gefährdet. Wenn der Beklagte den Weg nicht abgesperrt halten könne, werde der Weg, wie der Erstrichter festgestellt habe, auch von anderen nichtberechtigten Personen unter erheblicher Belästigung des Beklagten und seiner Familie benützt. Durch die vom Beklagten getroffenen Absperrmaßnahmen werden das Dienstbarkeitsrecht der Klägerin nicht ernstlich erschwert, gefährdet oder gar vereitelt. Der Zweck der Bestellung der Dienstbarkeit, dass die Klägerin und ihre Hausgenossen von und zum Grundstück der Klägerin fahren und gehen können, werde voll erreicht. Dass auch Besucher des Hauses den Dienstbarkeitsweg benutzen können, könne durch die Errichtung einer Klingel leicht ermöglicht werden. Es komme nicht selten vor, dass ein Wohnhaus von einem Garten umgeben sei und dass die Bewohner des Hauses nicht nur die Haustür, sondern auch das Gartentor versperrt halten. Gewiss seien im vorliegenden Fall mit dem Versperrthalten des Zaungatters Unannehmlichkeiten verbunden. Sie können aber nicht als eine ernstliche Beeinträchtigung der Dienstbarkeit angesehen werden. Insbesondere stünden sie aber gegenüber der Gefährdung des Eigentumsrechts des dienstbarkeitsverpflichteten Beklagten im Falle des für jedermann ungehinderten Zugangs an Bedeutung weit zurück. Das Hauptbegehren der Klägerin auf Entfernung des Zaungatters und das Eventualbegehren auf Verpflichtung des Beklagten, das Zaungatter unversperrt zu lassen, widerstreite also im vorliegenden Fall dem im § 484 ABGB ausgesprochenen Grundsatz von der Einschränkung der Dienstbarkeitsausübung zu Gunsten der materiell-rechtlichen Interessen des Eigentümers des dienstbaren Grundes. Dieses Begehren war daher abzuweisen. Das Eventualbegehren, das Zaungatter auf eine Durchfahrtsbreite von 2 m zu erweitern, war deshalb abzuweisen, weil der Beklagte, wie unbestritten ist (Punkt 6 des Klagsvorbringens bei der Verhandlung am 14. 6. 1956 ON 2), dieses Begehren noch vor der ersten zur Streitverhandlung anberaumten Tagsatzung erfüllt habe.

Die Klägerin erhob gegen das Urteil des Berufungsgerichts Revision aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie ficht das Urteil seinem ganzen Inhalt nach an und stellt den Revisionsantrag, das Urteil dahin abzuändern, dass das Urteil I. Instanz wiederhergestellt und dem Klagebegehren vollinhaltlich, allenfalls dem Eventualbegehren stattgegeben werde, oder das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht oder an das Gericht I. Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die von der Klägerin behauptete Nichtigkeit des Berufungsurteils nach §§ 503 Z 1, 477 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Es ist weder die Fassung des Urteils so mangelhaft, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte noch steht das Urteil mit sich selbst im Widerspruch. Es trifft auch nicht zu, dass für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Es ist zwar richtig, dass es im 2. Absatz der Entscheidungsgründe heißt, die Berufung ist nicht berechtigt; es ergibt sich jedoch aus dem folgenden Absatz klar und eindeutig, dass damit die Berufung wegen Nichtigkeit gemeint ist und dass die Worte „wegen Nichtigkeit“ offenbar nur versehentlich ausgeblieben sind. Es ist auch richtig, dass der letzte Absatz des Urteils, wonach für die Berufungsmitteilung Kosten zuzusprechen waren, da keine mündliche Berufungsverhandlung stattgefunden hat, irrig ist. Es handelt sich hiebei jedoch um eine Unrichtigkeit, die nach § 419 ZPO berichtigt werden kann, nicht aber um eine Nichtigkeit. Die Behauptung der Klägerin, dass im Urteil des Berufungsgerichts für die Abweisung des Eventualbegehrens „das Zaungatter ... unversperrt zu lassen“ keine Begründung angegeben wurde, steht im Widerspruch mit der Urteilsbegründung. Nach dieser wurde das Hauptbegehren auf Entfernung des Zaungatters und das Eventualbegehren auf Verpflichtung des Beklagten, das Zaungatter unversperrt zu lassen, abgewiesen, weil beide Begehren dem im § 484 ABGB ausgesprochenen Grundsatz von der Einschränkung der Dienstbarkeitsausübung zu Gunsten der materiell-rechtlichen Interessen des Eigentümers des dienstbaren Grundes widersprechen.

Auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Die Begründungsmängel, die schon unter dem Revisionsgrund der Nichtigkeit geltend gemacht wurden, beruhen auf einer Auslassung und einer offenbaren Unrichtigkeit, die nach § 419 ZPO berichtigt werden können. Die Meinung der Klägerin, dass das Berufungsgericht nur aufgrund unmittelbarer Beweisaufnahmen anders hätte entscheiden können, ist unrichtig, da das Berufungsgericht aus den vom Erstgericht festgestellten Tatsachen nur eine andere rechtliche Schlussfolgerung gezogen hat.

Auch die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, da das Berufungsgericht sich mit Recht auch auf die Ergebnisse des Berufungsverfahrens berufen konnte, weil es, wenn auch in nichtöffentlicher Sitzung mit Rücksicht auf den Verzicht der Parteien auf die Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung, auch die Berufungsschrift des Beklagten und die Berufungsmitteilung der Klägerin bei der Entscheidung berücksichtigen musste. Im Übrigen bekämpft die Klägerin unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit unzulässigerweise die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen ist die Rechtsrüge der Klägerin teilweise begründet.

Unbestritten ist, dass der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks ***** das Recht des Gehens und Fahrens über die Gp ***** und *****, und ***** KG *****, zusteht (siehe Grundbuchsauszug Beilage D). Es handelt sich hierbei um Dienstbarkeiten, die mit dem Besitz der Parzelle ***** zu deren vorteilhafteren und bequemeren Benützung verknüpft sind (§ 473 ABGB). Der Beklagte hat bereits im Kaufvertrag über die Parzelle ***** den jeweiligen Eigentümern der Gp ***** das Recht eingeräumt, einen Zufahrtsweg in der Breite von 2 m an der Nordwestseite der Parzelle ***** zur Gp ***** zu erstellen, welcher die Fortsetzung des über die Gp ***** führenden, gleich breiten Wegs bildet, und über diesen Weg zu gehen und zu fahren. Aus der Vereinbarung des Rechts zur Legung und Führung der Gas-, Licht- und Wasserleitung war ihm auch bekannt, dass auf dem herrschenden Grundstück ein Haus gebaut werden soll. Er hat sich nicht das Recht vorbehalten, den 2 m breiten Grundstreifen seiner Parzelle ***** durch ein versperrbares Holzgattertor an irgend einer Stelle abzuschließen. Es steht ihm daher diesbezüglich ein vertragliches Recht gegenüber der Klägerin nicht zu. Das Recht des Fußsteigs begreift nach § 492 ABGB auch das Recht in sich, andere Menschen zu sich kommen zu lassen.

Da der Beklagte gegenüber der Klägerin kein vertragsmäßiges Recht auf Einschränkung des der Klägerin zustehenden Rechts des Gehens und Fahrens über die Parzelle ***** des Beklagten hat, ist nur zu untersuchen, ob sich die Klägerin mit Rücksicht auf § 484 ABGB gefallen lassen muss, dass ihre Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens dadurch eingeschränkt wurde, dass der Beklagte über den 2 m breiten Servitutsweg ein Holzgattertor aufstellte und dieses versperrt hält, der Klägerin allerdings Schlüssel hiezu übergab. Das Berufungsgericht sah hierin keine ernstliche Erschwerung des Rechts der Klägerin. Diese Rechtsansicht wird von der Klägerin mit Recht bekämpft. Wenn auch der Beklagte als Eigentümer der Parzelle *****, zu der auch der außerhalb der Umzäunung liegende 2 m breite Servitutsweg auf dieser Parzelle gehört, nach § 354 ABGB grundsätzlich berechtigt ist, jeden anderen von der Benützung auszuschließen, darf doch nach § 364 Abs 1 ABGB bei der Ausübung des Eigentumsrechts nicht in die Rechte eines Dritten eingegriffen werden. Der Klägerin steht das Recht der Dienstbarkeit des Fuß- und Fahrwegs zu. Sie muss sich eine Einschränkung dieses Rechts nur nach § 484 ABGB gefallen lassen. Die Aufstellung eines 2 m breiten, unversperrten Gattertors auf dem über die Parzelle ***** führenden Servitutsweg bedeutet für die Klägerin an sich bestimmt eine Erschwerung des Befahrens des Wegs und auch des Begehens, weil dadurch das Tor fallweise geöffnet werden muss. Diese Erschwerung ist aber nicht so groß, dass sie für den Bestand der Dienstbarkeit wirklich abträglich ist und das Recht wesentlich erschwert. Anders ist dies jedoch, wenn das Gattertor versperrt gehalten wird, selbst wenn für das Schloss Schlüssel in entsprechender Zahl übergeben wurden oder selbst wenn auf Kosten des Beklagten eine Klingelleitung vom Tor bis ins Haus der Klägerin gelegt würde. Das versperrt gehaltene Tor würde nicht nur Dritte hindern, die den Weg nur widerrechtlich zum Durchgehen benützen wollen, sondern auch die Bewohner des Hauses der Klägerin und auch solche dritte Personen, die berechtigterweise in das Haus der Klägerin kommen wollen, wie zB Postzusteller, Rauchfangkehrer, Handwerker, ein im Krankheitsfall gerufener Arzt oder schließlich Bekannte, die auf Besuch kommen wollen. Der Klägerin kann nicht zugemutet werden, fallweise und bei jedem Wetter von ihrem Haus bis zu dem vom Beklagten angebrachten Tor zu gehen oder jemanden zu schicken, um das Tor aufzusperren. Es darf auch nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass der Servitutsweg nicht nur über den Grund des Beklagten geht, sondern auch noch über andere Grundstücke. Mit demselben Recht könnte zB auch Dr. M***** den Servitutsweg unter Zurverfügungstellung von Schlüsseln abgesperrt halten, wodurch die Benützung des Wegs für fremde Besucher praktisch unmöglich würde und auch für die Klägerin und deren Angehörige mit noch weniger zumutbaren Schwierigkeiten verbunden wäre. Der Zweck der gegenständlichen Dienstbarkeit ist zweifellos, zur vorteilhafteren und bequemeren Benützung des herrschenden Guts, auf dem sich ein Wohnhaus befindet, das Gehen und Befahren durch Berechtigte über den ganzen Servitutsweg ohne nicht zumutbare Erschwerung zu ermöglichen. Dieser Zweck kann nur dann erreicht werden, wenn das Gattertor unversperrt gehalten wird. In welcher Weise der Beklagte die unbefugte Benützung des Wegs durch dritte Personen, insbesondere durch Untermieter des Dr. M***** unterbinden kann, braucht hier nicht untersucht werden. Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, auf die sich das Berufungsgericht bezieht, betreffen anders gelagerte Fälle und können bei der Beurteilung des vorliegenden Falls nicht herangezogen werden.

Aus den angeführten Gründen konnte zwar der Revision hinsichtlich des Hauptbegehrens und, da das Gattertor bereits auf 2 m erweitert wurde, darf hinsichtlich des Eventualbegehrens auf Erweiterung auf 2 m nicht Folge gegeben werden. Das Eventualbegehren wegen des Nichtversperrens des Holzgatters ist jedoch berechtigt.

In diesem Umfange musste der Revision Folge gegeben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

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