Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß der zweiten Instanz, der im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, dahin abgeändert, daß die erstrichterliche Entscheidung mit der Maßgabe hergestellt wird, daß die Wiederaufnahmsklage mit Beschluß zurückgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 442,05 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Text
Begründung
In dem Verfahren zu 38 Cg 47/54 des Landesgerichtes für ZRS Wien, das auf § 1 Amtshaftungsgesetz gestützt wird, behauptet der Kläger, daß im Zuge eines im Jahre 1948 gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens 6.000 Rasierklingen Marke Sirene ihm abgenommen und beim Strafgericht verwahrt worden seien. Anläßlich der am 14.4.1954 stattgefundenen Ausfolgung dieser Gegenstände hätten 3.000 Klingen gefehlt und die übrigen 3.000 Stück seien verrostet gewesen. Die beklagte Partei sei wegen des Verschuldens ihrer Organe zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Das Erstgericht hat die Amtshaftungsklage abgewiesen und folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Am 27.7.1948 wurde der Kläger unter seinem damaligen falschen Namen Gerd Michael L***** mit anderen Personen in Innsbruck wegen des Verdachtes eines Strophantinschleichhandels aufgegriffen und bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der neben anderen Gegenständen auch ein Paket Rasierklingen sichergestellt wurde. Hiezu wurde von dem Kläger behauptet, daß das Paket 6.000 Stück Rasierklingen enthalte, die er von einem Mann namens M***** erhalten hat.
Das Paket mit Klingen und die anderen sichergestellten Gegenstände wurden von der Polizei in einen Koffer gegeben, dieser versiegelt und bei der Verwahrungsstelle der Bundespolizeidirektion Innsbruck unter Nr. 2589/48 verwahrt.
Am 10.August 1948 ist dieser Koffer der STA. Innsbruck und von dieser am 13.August 1948 der Verwahrungsstelle beim Landesgericht Innsbruck zum Akte 13 Vr 1981/48, spätere GZ. 4 Vr 815/53 des Landesgerichtes
f. Strfs.Wien, Standbl.Nr. 288/48 übergeben worden. Der Kläger selbst ist am 17.10.1948 nach Frankreich ausgeliefert worden. Nach seiner Rückkehr nach Österreich fand am 1.10.1953 vor dem Einzelrichter die Hauptverhandlung statt, zu der auch der sichergestellte Koffer von Innsbruck beigeschafft wurde. Das im objektiven Verfahren gefällte Verfallserkenntnis über alle sichergestellten Gegenstände ist mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 1.12.1953 aufgehoben und der Einziehungsantrag der STA. dem ordentlichen Verfahren vorbehalten worden.
Der Kläger wurde mit Urteil des Landesgerichtes f.Strfs.Wien vom 8.2.1954 von der Anklage des Vergehens der Zollhehlerei nach § 403 RAO. freigesprochen.
Bei der am 14.4.1954 im Beisein des Notars Dr.Richard M***** erfolgten Ausfolgung der Gegenstände wurden 3.000 Stück Klingen übergeben.
Bis zum Einlangen der Gegenstände in Wien (3.11.1953) wurden weder bei der Polizei noch bei Gericht die in der in einem Paket verpackten Originalschachtel befindlichen Rasierklingen nachgezählt, noch die Packungen geöffnet, um den Zustand und die Anzahl zu überprüfen. Die Annahme des Vorhandenseins von 6.000 Stück Klingen beruhte auf Angaben des Klägers, auf die sich die Organe gestützt haben, ohne daß eine Überprüfung nach der Anzahl und dem Zustand vorgenommen worden ist.
Beim Landesgericht Innsbruck wurde der Koffer in der Hauskapelle des Gerichtes im zweiten Stock verwahrt. Dieser Raum war trocken, jedoch waren die Fenster beschädigt, so daß es vorkam, daß es hereinregnete und schneite. Wo der Koffer in diesem Raum lagerte, konnte nicht geklärt werden. Anläßlich der Übersiedlung der Verwahrungsstelle in das Gerichtsgebäude Schmerlingstraße wurde auch der Koffer mitgenommen. Der Kläger war nicht in der Lage anzugeben, wann die als fehlend behaupteten 3.000 Stück Klingen weggekommen sind. Bei der Übernahme am 14.4.1954 wurde durch Stichproben festgestellt, daß die vorhandenen Klingen verrostet waren.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß hinsichtlich des Abhandenkommens von 3.000 Klingen dem Kläger der Beweis nicht gelungen sei, daß dieser Verlust in der Zeit ab 1.2.1949, dem Tag des Inkrafttretens des Amtshaftungsgesetzes, durch ein schuldhaftes, rechtswidriges Verhalten durch Organe des Staates eingetreten sei. Auch hinsichtlich der Verrostung habe das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß eine schuldhafte rechtswidrige Handlung oder Unterlassung durch unsachgemäße Verwahrung den Organen des Staates zum Vorwurf gemacht werden könne.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung erhoben, über die noch nicht entschieden ist, da das Verfahren gemäß § 545 ZPO. unterbrochen wurde.
Zu 38 Cg 30/55 des Landesgerichtes f. ZRS. Wien begehrte nämlich der Kläger gemäß § 530 Abs.1 Zl.7 ZPO. die Wiederaufnahme des Verfahrens, die darauf gestützt wird, daß er nach Fällung des Urteiles erster Instanz zu 38 Cg 47/54 des Landesgerichtes f. ZRS. Wien die Anschrift von drei Zeugen ausfindig gemacht habe, die beim seinerzeitigen Ankauf der Rasierklingen durch den Kläger anwesend gewesen seien, ihm beim Überprüfen des Zustandes und der Menge der Ware behilflich gewesen seien und daher bestätigen könnten, daß er 6.000 Rasierklingen besessen habe.
Das Erstgericht führte eine Streitverhandlung durch, bei der der Akt des Hauptprozesses verlesen wurde und wies dann das Wiederaufnahmsbegehren mit Urteil ab.
Es begründete diese Abweisung damit, daß auch bei Richtigkeit des klägerischen Vorbringens der dem Kläger obliegend Beweis, daß die Klingen nach dem 1.2.1949 weggekommen seien, nicht erbracht wurde. Hinsichtlich des Verrostens der Klingen blieb das Erstgericht bei der im Urteil des Hauptprozesses ausgesprochenen Ansicht. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung des Klägers. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, daß bei Nichtvorliegen eines zulässigen Anfechtungsgrundes gemäß § 543 ZPO. die Klage in Beschlußform hätte zurückgewiesen werden müssen. Trotz der verfehlten Form der Entscheidung der ersten Instanz sei diese daher als Beschluß und das Rechtsmittel des Klägers als Rekurs zu behandeln. Das Gericht zweiter Instanz hat dem Rekurs teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung, soweit sie sich auf das Abhandenkommen der 3.000 Klingen bezieht, aufgehoben, dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen. Soweit sich die angefochtene Entscheidung jedoch auf die Verrostung der Klingen stützt, wurde dem Rekurs nicht Folge gegeben. Hinsichtlich der Verrostung der 3.000 Klingen enthalte das Wiederaufnahmsbegehren überhaupt kein neues Vorbringen, so daß den beantragten drei Zeugen die Eignung, einen anderen Prozeßausgang herbeizuführen, abgesprochen werden müsse.
Hinsichtlich des Abhandenkommens der Klingen könne aber über diese Eignung nicht im gleichen Sinne entschieden werden, da es nicht ausgeschlossen erscheine, daß das Erstgericht im Zusammenhalt mit den anderen Beweisen zu anderen Feststellungen gelange. Denn es müsse davon ausgegangen werden, daß durch die Beschlagnahme der Klingen und ihre Verwahrung bei der Polizei und bei Gericht ein nach den Regeln des Verwahrungsvertrages zu beurteilendes Rechtsverhältnis entstanden sei, auf das § 961 ABGB., soweit die §§ 610 ff EO. nicht etwas anderes anordnen, anzuwenden sei. Gemäß § 1298 ABGB. treffe den Verwahrer die Beweispflicht, daß er seinen Verbindlichkeiten aus dem Vertrag ohne sein Verschulden nicht hätte nachkommen können. Falls die Übernahme der 6.000 Stück Klingen erwiesen wäre, würde die gesetzliche Vermutung dafür sprechen, daß die beklagte Partei ein Verschulden an dem Abhandenkommen treffe und sie müßte beweisen, daß sich das Abhandenkommen von 3.000 Klingen entweder ohne ihr Verschulden oder vor dem 1.2.1949 ereignet habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei, der die Entscheidung nur insofern anficht, als durch sie die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz (Abhandenkommen der 3.000 Rasierklingen) zurückgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Was zunächst die Frage anlangt, ob der Revisionsrekurs mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 528 ZPO. zulässig ist, muß dies unter Hinweis auf den Spruch 41 bejaht werden.
Bei Entscheidung der vorliegenden Rechtssache ist davon auszugehen, daß zwar die Geschäftsordnung in den §§ 610 ff Geo. von einem Verwahrnis der beschlagnahmten Sachen spricht, daß jedoch zwischen dem Staat und dem Eigentümer oder Inhaber der im Zuge eines Strafverfahrens beschlagnahmten Gegenstände kein privatrechtlicher Verwahrungsvertrag zustandekommt, sondern ein öffentlich rechtliches Verhältnis entsteht, wobei der Staat als Träger von Hoheitsrechten dem Eigentümer oder Inhaber der beschlagnahmten Gegenstände gegenübersteht.
Diese Ansicht muß schon deshalb vertreten werden, weil der Staat bei der Beschlagnahme im Zuge eines Strafverfahrens im Rahmen der Hoheitsverwaltung und in Vollziehung der Gesetze durch seine Organe handelt, aber keineswegs im Rahmen des Privatrechtes oder der Wirtschaftsverwaltung. Damit erledigen sich die Ausführungen des Rekursgerichtes hinsichtlich der Haftung auf Grund eines privatrechtlichen Verwahrungsvertrages.
Die gegenständliche Beschlagnahme erfolgte im Juli 1948 und erstreckte sich bis 14.4.1954. Da die Wirksamkeit des Amtshaftungsgesetzes am 1.2.1949 eintrat, hatte der Kläger zu erweisen, daß nicht nur ein Schaden entstanden ist, sondern auch, daß dieser Schaden am 1.2.1949 oder nachher durch ein rechtswidriges Verhalten der staatlichen Organe in dieser Zeit eingetreten ist, da für die Zeit vorher eine Haftung des Staates für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe im Gesetz nicht statuiert wurde. Nach dem Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage werden die neuen Beweismittel in Gestalt von drei Zeugen dafür geführt, daß diese Zeugen beim seinerzeitigen Ankauf der Klingen durch den Kläger anwesend gewesen seien, bei der Überprüfung der Menge mitgeholfen haben und daher bestätigen können, daß 6.000 Stück Klingen vorhanden gewesen seien.
Die Frage, ob diesen neuen Beweismittel die abstrakte Eignung zukommt, eine günstigere Entscheidung in der Hauptsache für den Kläger herbeizuführen, muß verneint werden. Denn abgesehen von der Anzahl der übernommenen Klingen hat der Kläger zur Durchsetzung seiner Amtshaftungsklage zu behaupten und zu erweisen, daß der Schaden durch ein rechtswidriges Verhalten der staatlichen Organe am oder nach dem 1.2.1949 eingetreten ist, da nach dem Amtshaftungsgesetz für das rechtswidrige Verhalten von Organen in der Zeit ab 1.2.1949 gehaftet wird. Da aber die in der Wiederaufnahmsklage geltend gemachten Beweismittel, die drei Zeugen gar nicht darüber geführt werden, daß sich das rechtswidrige Verhalten in der Zeit ab 1.2.1949 ereignet hat, wird die Wiederaufnahmsklage nicht auf einen gesetzlich zulässigen Anfechtungsgrund gestützt.
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und in Abänderung der Entscheidung der zweiten Instanz die erstrichterliche Entscheidung mit der Maßgabe herzustellen, daß das Wiederaufnahmsbegehren gemäß § 543 ZPO. zurückgewiesen wird.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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