VwGH Ra 2022/14/0123

VwGHRa 2022/14/012324.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des A S, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2022, I415 2190029‑1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140123.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Ägyptens, stellte am 30. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er im Wesentlichen damit begründete, er sei gegen die aktuelle Regierung in Ägypten, habe Demonstrationen organisiert und sei oft verhaftet worden. Bei einer Rückkehr befürchte er, ins Gefängnis zu kommen.

2 Mit Bescheid vom 22. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ägypten zulässig sei, und setzte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Die Angaben des Revisionswerbers zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates erachtete das Bundesverwaltungsgericht aus näher angeführten Gründen als nicht glaubwürdig. Eine Rückkehr des Revisionswerbers sei ohne Gefährdung seiner durch Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte möglich. Nach Durchführung einer Interessenabwägung hielt das Bundesverwaltungsgericht weiter fest, dass unter Berücksichtigung des Privatlebens des Revisionswerbers das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege und bestätigte die Rückkehrentscheidung.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision zusammengefasst vor, das Vorbringen des Revisionswerbers sei im Verfahrensablauf nachvollziehbar und identisch gewesen. Die Bedrohungssituation sei entgegen der unrichtigen Auffassung des Gerichts immer noch gegeben. Gegen den Revisionswerber seien Übergriffe zu befürchten, da die Behörden davon ausgingen, dass er Hintergrundwissen über seine ehemaligen Anhänger habe. Bei Berücksichtigung der Aussagen und Hintergründe der Bedrohung hätte das Bundesverwaltungsgericht den Anträgen des Revisionswerbers stattgegeben. Zudem hätte sich das Bundesverwaltungsgericht mit einem aktuellen Bericht über Menschenrechtsverletzungen in Ägypten vom 13. Jänner 2022 auseinandersetzen müssen. Das Urteil wäre bei Berücksichtigung dieses Berichts ein anderes gewesen. Hätte das Bundesverwaltungsgericht eigene Erhebungen zur humanitären Lage vorgenommen, hätte es festgestellt, dass dem Revisionswerber Schutz zu gewähren sei. Die Revision sei auch aufgrund der mangelnden Würdigung der erfolgten Integration des Revisionswerbers zulässig.

9 Soweit die Revision damit die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts anspricht, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Bundesverwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 7.4.2022, Ra 2022/14/0051, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 7.3.2022, Ra 2022/14/0036, mwN).

10 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers ausführlich auseinandergesetzt und im Rahmen seiner beweiswürdigenden Überlegungen mehrere Argumente angeführt, warum dem Vorbringen nicht zu folgen sei. Mit den bloß pauschal gehaltenen Ausführungen in der Zulassungsbegründung gelingt es der Revision nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit dieser Beurteilung darzulegen.

11 Soweit die Revision Verfahrensmängel ‑ wie hier Feststellungs‑ und Begründungsmängel im Zusammenhang mit Länderberichten zum Herkunftsstaat ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 28.2.2022, Ra 2022/14/0032, mwN). Eine solche konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung lässt die Revision mit ihrem pauschal gehaltenen Vorbringen vermissen. Insbesondere verabsäumt sie es, konkret auszuführen, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären und aufgrund welcher Umstände diese zu einer anderen Entscheidung hätten führen können.

12 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA‑VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA‑VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 3.3.2022, Ra 2022/14/0042, mwN).

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn kein revisibler Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel (vgl. erneut VwGH 3.3.2022, Ra 2022/14/0042, mwN).

14 Im vorliegenden Fall berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht im Zuge der Interessenabwägung die entscheidungswesentlichen Aspekte und nahm dabei auch auf die Integrationsbemühungen des Revisionswerbers Bedacht. Es bezog allerdings zu Recht in seine Erwägungen mit ein, dass es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA‑VG maßgeblich relativierend ist, wenn ‑ wie hier ‑ integrationsbegründende Schritte zu einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 9.3.2022, Ra 2022/14/0044 bis 0047, mwN). Die Revision zeigt nicht auf, dass die Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. Mai 2022

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