Normen
BFA-VG 2014 §20
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140122.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 22. Dezember 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er damit begründete, sein Heimatdorf nach Angriffen des Regimes verlassen zu haben, um sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen.
2 Mit Bescheid vom 26. Mai 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen. Im Fall einer Rückkehr des Revisionswerbers in den Herkunftsstaat liege weder mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine unmittelbar konkrete und damit asylrelevante Gefährdungssituation vor, in Syrien gegenwärtig zum Wehrdienst eingezogen oder zwangsrekrutiert zu werden noch drohe ihm aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung eine asylrelevante Verfolgung durch die syrische Armee.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 2.11.2021, Ra 2021/14/0213 bis 0215, mwN).
9 In ihrer Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revision zunächst inhaltlich gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts und bringt dazu vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Länderberichte zur Verfolgung von Rückkehrern im Hinblick auf die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung sowie die Feststellungen zur Zwangsrekrutierung von Reservisten nicht ausreichend gewürdigt und eine nicht nachvollziehbare Argumentationslinie vertreten. Ferner hätte das Bundesverwaltungsgericht zudem nicht von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung Abstand nehmen dürfen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen seien.
10 Was die auf die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts bezogenen Revisionsausführungen betrifft, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 7.4.2022, Ra 2020/14/0360, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht legte - wie schon die belangte Behörde - in seinen beweiswürdigenden Erwägungen dar, wie es zur Ansicht gelangte, dass sowohl der Einzug des Revisionswerbers zum Militärdienst als auch die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung durch das syrische Regime im konkreten Einzelfall höchst unwahrscheinlich seien. Eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Soweit der Revisionswerber auf eine nicht ausreichende Auseinandersetzung mit den die Fluchtgründe bestätigenden Länderberichten verweist, ist darauf hinzuweisen, dass eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 12.1.2022, Ra 2021/14/0319, mwN).
12 Zur behaupteten Verletzung der Verhandlungspflicht ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, nach der zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA‑VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 bis 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 30.9.2021, Ra 2021/14/0187, mwN).
13 Die Revision zeigt mit dem Vorbringen, der Revisionswerber sei vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Problematik der Zwangsrekrutierung nicht einvernommen worden und in der Beschwerde seien neue Sachverhaltselemente eingeführt worden, sodass der Revisionswerber in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hätte einvernommen werden müssen, nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall von diesen Leitlinien abgewichen wäre.
14 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte seine Schlussfolgerung, dem Revisionswerber drohe weder eine asylrelevante Verfolgung im Hinblick auf eine Zwangsrekrutierung zur syrischen Armee noch in Bezug auf die unterstellte oppositionelle Gesinnung oder sonstigen Bedrohungen, mit näherer Begründung auf die Aussagen des Revisionswerbers, die auf Umstände und Geschehen hinwiesen, die der allgemeinen Lage in Syrien aufgrund des Krieges zuzurechnen seien.
15 In der Beschwerde wurden ‑ entgegen den Behauptungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ‑ keine substantiierten Tatsachenbehauptungen erhoben und auch die Beweiswürdigung der Behörde wurde nicht in Frage gestellt. Ausgehend vom Inhalt der Beschwerde zeigt der Revisionswerber eine zur Zulässigkeit der Revision führende Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht auf. Auch dem sonstigen Revisionsvorbringen ist nicht zu entnehmen, dass das Bundesverwaltungsgericht nach den hier maßgeblichen Bestimmungen verpflichtet gewesen wäre, eine Verhandlung durchzuführen.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. Mai 2022
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