Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg
WRG 1959 §83 Abs4
WRG 1959 §83 Abs5 idF 1990/252
WRGNov 1990
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022070062.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (LVwG) wurden die von den revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau (belangte Behörde) vom 13. Juli 2021, mit dem die Auflösung der mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juni 1978 anerkannten Wassergenossenschaft O. mit Wirkung zum 1. Juni 2021 ausgesprochen worden war, erhobenen Beschwerden abgewiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
2 Soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren von Relevanz, hielt das LVwG im angefochtenen Erkenntnis fest, mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juni 1978 sei „die bei der Gründungsversammlung der künftigen Genossenschaftsmitglieder der am 5.4.1978 getroffenen freien Vereinbarung betreffend die Bildung der Wassergenossenschaft (O.) anerkannt“ worden.
3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. April 2008 sei der Wassergenossenschaft O. die wasserrechtliche Bewilligung zur Grundwasserentnahme auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG J. zur Versorgung der Genossenschaftsmitglieder mit Trink- und Nutzwasser erteilt worden. Gleichzeitig sei die Errichtung eines Hochbehälters genehmigt worden.
4 Nach Darstellung von behördlichen Verfahren betreffend die Aufteilung der Kosten für die Errichtung des Hochbehälters bzw. der damit verbundenen allfälligen sonstigen Kosten stellte das LVwG weiters fest, die in der Generalversammlung vom 7. April 2017 beschlossene Satzungsänderung betreffend die Grundgebühr für (stillgelegte) Wasseranschlüsse sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2017 genehmigt worden. Der Bescheid sei rechtskräftig.
5 In der Genossenschaftsversammlung vom 8. Mai 2021 seien Beschlüsse zur Übernahme der Anlage durch die Gemeinde J., insbesondere hinsichtlich der Übergabe des verbleibenden Guthabens zur zweckgebundenen Verwendung für die Wasserversorgungsanlage, sowie der Mehrheitsbeschluss auf Auflösung der Wassergenossenschaft O. gefasst worden. Mit Ausnahme der revisionswerbenden Parteien hätten alle anwesenden Mitglieder für die Auflösung gestimmt.
6 Die Übergabe der Wasserversorgungsanlage an die Gemeinde J. sei im Vertrag vom 28. Mai 2021 geregelt, dessen Unterzeichnung in der Genossenschaftsversammlung vom 8. Mai 2021 ebenfalls beschlossen worden sei.
7 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das LVwG unter anderem fest, die revisionswerbenden Parteien machten Ansprüche gegen die Wassergenossenschaft geltend, weil sie unverhältnismäßig viel an Kosten gezahlt hätten. Auf Basis der Beschwerdeausführungen und der (im angefochtenen Erkenntnis) dargestellten, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren sei nicht ersichtlich, inwiefern Verbindlichkeiten der Genossenschaft gegenüber den revisionswerbenden Parteien zum Zeitpunkt der Auflösung der Genossenschaft bestünden, die bei der Auflösung der Genossenschaft zu berücksichtigen gewesen wären. Die revisionswerbenden Parteien brächten nicht vor, dass sie auf Basis der festgelegten Kostenverteilung zu viel bezahlt hätten. Vielmehr basiere das Beschwerdevorbringen darauf, dass ein anderweitiger Kostenverteilungsschlüssel festgelegt hätte werden sollen. Dazu seien jedoch die angeführten, rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren durchgeführt worden. Aus dem Beschwerdevorbringen bzw. aus der im Akt ersichtlichen Vorgeschichte ließen sich konkrete Ansprüche der revisionswerbenden Parteien nicht ableiten.
8 Entgegen dem Beschwerdevorbringen sei auch nicht zwingend ein Liquidator zu bestellen gewesen. Durch die vertragliche Regelung mit der Gemeinde J. und den Beschluss in der Genossenschaftsversammlung auf Übergabe des Guthabens zur zweckgebundenen Verwendung an die Gemeinde J. sei durch die Genossenschaft selbst eine entsprechende Vorsorge (im Sinne des § 83 Abs. 4 Wasserrechtsgesetz 1959 ‑ WRG 1959) getroffen worden. Die Bestellung eines Liquidators habe daher unterbleiben können.
9 Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse. Auf dem Boden der bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren stehe der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, sodass darüber hinaus keine weiteren Fragen der Beweiswürdigung auftreten könnten. Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC stünden dem Absehen von einer Verhandlung daher nicht entgegen.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, im angefochtenen Erkenntnis sei die Bestimmung des § 83 Abs. 4 WRG 1959 ignoriert worden. Es sei naheliegend, dass in dem mehr als 40‑jährigen Zeitraum des Bestandes der Wassergenossenschaft O. Vermögen (Anlagen, Geldmittel) habe angehäuft werden können, weswegen eine Aufstellung von eben jenem Vermögen gemacht hätte werden müssen. Eine Vorsorge für den Fall ihrer Auflösung habe die Wassergenossenschaft O. nicht getroffen, den Statuten könne man nichts dergleichen entnehmen. Die vertragsgemäße Übertragung an die Gemeinde könne nicht konkludent als „Vorsorge“ gewertet werden. Deswegen ergebe sich normativ die Notwendigkeit der Bestellung eines Liquidators für die Verteilung oder Übertragung des Vermögens, der im Zuge der Auflösung der Wassergenossenschaft nach Bestellung durch die Behörde zuständig sei. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, um diesen Sachverhalt gesichert beurteilen zu können.
15 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wenn die Rechtslage nach dem klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 24.1.2022, Ra 2019/07/0049). Absatz 4 erster Satz des die Auflösung einer Wassergenossenschaft regelnden § 83 WRG 1959 normiert, dass die Wasserrechtsbehörde für eine aufgelöste Genossenschaft, die im Zeitpunkt der Auflösung Vermögen besaß, einen Liquidator zu bestellen hat, soweit nicht die Genossenschaft selbst für den Fall ihrer Auflösung entsprechende Vorsorge getroffen hat.
16 Die Bestellung eines Liquidators hat somit (lediglich) in jenen Fällen zu erfolgen, in denen keine entsprechende Vorsorge durch die Genossenschaft getroffen worden ist. Besondere Vorgaben oder Einschränkungen hinsichtlich der „entsprechenden Vorsorge“, die von der Wassergenossenschaft getroffen werden kann, finden sich in der in Rede stehenden Bestimmung nicht. Auch die Erläuternden Bemerkungen (1152 der Beilagen XVII. GP) zur WRG‑Novelle BGBl. Nr. 252/1990 zur Bestimmung des § 83 Abs. 5 WRG 1959 (nunmehr § 83 Abs. 4 WRG 1959) führen lediglich aus, dass die Liquidation von Wassergenossenschaften nun genauer als bisher ähnlich dem Vereinsrecht geregelt werde.
17 Ob eine Wassergenossenschaft eine entsprechende Vorsorge im Sinne des § 83 Abs. 4 erster Satz WRG 1959 getroffen hat, ist einzelfallbezogen zu prüfen. Eine einzelfallbezogene Beurteilung ist grundsätzlich nicht revisibel, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 16.5.2022, Ra 2021/07/0049, mwN).
18 Nach der Beurteilung des LVwG im angefochtenen Erkenntnis habe im vorliegenden Fall der Auflösung der Wassergenossenschaft O. die Bestellung eines Liquidators unterbleiben können, weil die Genossenschaft durch eine vertragliche Regelung mit der Gemeinde J. und einen Beschluss in der Genossenschaftsversammlung auf Übergabe des Guthabens zur zweckgebundenen Verwendung an die Gemeinde J. selbst eine entsprechende Vorsorge getroffen habe.
19 Dafür, dass die genannte vertragliche Vereinbarung mit der Gemeinde und der erwähnte Beschluss in der Genossenschaftsversammlung nicht geeignet seien, eine Vorsorge der Wassergenossenschaft im Sinne des § 83 Abs. 4 erster Satz WRG 1959 darzustellen, gibt es keinen Anhaltspunkt. Das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, die vertragsgemäße Übertragung an die Gemeinde könne „nicht konkludent als ‚Vorsorge‘ gewertet werden“, wird in den Zulässigkeitsausführungen nicht näher begründet. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des LVwG unterbleibt in der Zulässigkeitsbegründung der Revision.
20 Soweit die revisionswerbenden Parteien weiter ausführen, dass „(d)ie beiden Rechtssätze des VwGH zum GmbHG und Vereinsrecht 2000/16/0601 2000/01/0111 (...) die normative Notwendigkeit eines Liquidators bei Vermögensauflösung“ bestätigten, legen sie weder dar, auf welche konkreten Ausführungen in den beiden genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes sie Bezug nehmen, noch behaupten sie, dass diese Entscheidungen zu einer mit dem hier maßgeblichen § 83 Abs. 4 WRG 1959 vergleichbaren Bestimmung ergangen wären.
21 Die revisionswerbenden Parteien zeigen damit nicht auf, dass die Beurteilung des LVwG als unvertretbar zu qualifizieren wäre.
22 Schließlich bemängeln die revisionswerbenden Parteien das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.
23 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht nur dann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Europäischen Grundrechtecharta entgegenstehen.
24 Die Akten lassen dann im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann, wenn also die Voraussetzungen hinsichtlich der Klärung des Sachverhaltes gegeben sind und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, für die eine Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem Verwaltungsgericht ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. VwGH 14.12.2017, Ra 2015/07/0126, mwN). Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen dem Absehen von einer Verhandlung von Seiten des Verwaltungsgerichts (§ 24 Abs. 4 VwGVG) aber nicht entgegen, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht und auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten können, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist (VwGH 29.1.2016, Ra 2015/06/0124; 15.5.2015, Ra 2015/03/0030, mwN).
25 Das Verwaltungsgericht begründete im angefochtenen Erkenntnis den Entfall der mündlichen Verhandlung ‑ unter Hinweis auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ damit, dass über die geltend gemachten Ansprüche bereits mehrere rechtskräftig abgeschlossene Verfahren geführt worden seien, auf deren Boden der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststehe, sodass darüber hinausgehende Fragen der Beweiswürdigung nicht auftreten könnten; Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC stünden dem Absehen von der Verhandlung daher nicht entgegen.
26 Demgegenüber behaupteten die revisionswerbenden Parteien, sie hätten die Historie der Genossenschaft, den Vermögenszuwachs und die Gebarung des Vereins bei einer Verhandlung darlegen können. Auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts, der entscheidungswesentliche Sachverhalt stehe auch bezüglich der genannten Aspekte bereits auf Grund rechtskräftiger Entscheidungen fest und Fragen der Beweiswürdigung stellten sich daher nicht, gehen sie nicht näher ein. Ihr Vorbringen zeigt daher die Erforderlichkeit einer weiteren Erörterung der in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen nicht substantiiert auf, weshalb ein Verstoß gegen die Verhandlungspflicht nach § 24 VwGVG nicht zu erblicken ist.
27 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
28 Die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG entfallen.
Wien, am 20. Juli 2022
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