Normen
MeldeG 1991 §1 Abs3
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010350.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Angefochtenes Erkenntnis
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache festgestellt, dass die Revisionswerberinnen an einer näher bezeichneten Adresse in Salzburg einen Beherbergungsbetrieb gemäß § 1 Abs. 3 Meldegesetz 1991 (MeldeG) idF BGBl I Nr. 54/2021, betreiben.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht zunächst fest, das näher bezeichnete Grundstück mit näher bezeichneter Adresse sei laut Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Salzburg gemäß § 36 Abs. 1 Z 4 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) als Grünland mit der Widmung „Campingplatz“ ausgewiesen. Mit Bescheid der belangten Behörde (Baurechtsamt) vom 23. Mai 2018 sei den Revisionswerberinnen die Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Campingplatzes (Stellplatz für die Aufstellung von Reisemobilien) an der näher bezeichneten Adresse in Salzburg erteilt worden.
3 Sodann traf das Verwaltungsgericht nähere Feststellungen zur Ausstattung der videoüberwachten Örtlichkeit (Anzahl der Stellplätze für Reisemobile, Duschen, Toiletten, Handwaschbecken, Sitzgelegenheiten im Freien, Müllcontainer, Ver‑ und Entsorgungsstation für gebrauchtes und frisches Wasser etc.), zum Betrieb des Mobilabstellplatzes sowie zum Personal und dessen Einsatz auf dem Mobilabstellplatz (die bis zur „Coronazeit“ vorhandene Rezeption sei seit Mitte März 2020 geschlossen, das Entgelt für die Benutzung der Abstellplätze werde von den Reisemobilbenützern in einen Postkasten eingeworfen, der regelmäßig z.B. von einem Mitarbeiter der Betreiberinnen einmal in der Woche entleert werde, die Sanitärbereiche würden regelmäßig gesäubert, der Müll regelmäßig entleert. Reparaturarbeiten würden vom Personal durchgeführt bzw. im Bedarfsfall in Auftrag gegeben. Der Putzdienst käme je nach Kapazitäten der Stellplätze entweder einmal am Tag oder einmal in der Woche zum Putzen etc.).
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Verwaltungsgerichtshof habe am 30. September 2019 entschieden, „dass es sich zum damaligen Entscheidungszeitpunkt um einen Beherbergungsbetrieb im Sinne des § 1 Abs 3 Meldegesetz handelt“. Zum Begriff „beaufsichtigter Camping- oder Wohnwagenplatz“ habe der Verwaltungsgerichtshof ‑ in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses in der Folge wortwörtlich wiedergegebene ‑ Ausführungen „in diesem nunmehr wiederum zu entscheidenden Fall“ gemacht (Verweis auf VwGH 30.9.2019, Ra 2019/01/0312‑0313).
5 Die Revisionswerberinnen argumentierten nunmehr (in ihrer Beschwerde), die Sachlage am gegenständlichen Reisemobilabstellplatz habe sich „seit der Coronazeit“ wesentlich geändert, da es nunmehr keinerlei Leitung und Aufsicht am Stellplatz mehr gäbe.
6 Fallbezogen bestünden keine Anhaltspunkte, wonach der Reisemobil-Stellplatz die Anforderungen des § 5 Salzburger Campingplatzgesetz (S.CampG), LGBI. Nr. 44/2014 idgF, nicht erfülle.
7 Die Unterbringung von „Gästen“ und die Bestimmung zum vorübergehenden Aufenthalt würden von den Revisionswerberinnen nicht bestritten. Dass auch „Punkt 1. (Leitung und Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten)“ erfüllt sei, ergebe sich u.a. aus den Umständen „der Videoüberwachung, regelmäßiges Entleeren der eingenommenen Tagessätze (Stellplatzgebühr) aus dem Postkasten ua durch einen Mitarbeiter, Reinigung der Sanitäranlagen, Entleerung der Mülltonnen ua.“.
8 Zum Vorbringen der Revisionswerberinnen (in ihrer Beschwerde), dass keinerlei Personal zur Beaufsichtigung, Überwachung oder Leitung eingesetzt werde, führte das Verwaltungsgericht aus, die Leitung und Aufsicht verbleibe jedenfalls beim Unterkunftgeber. Dieser habe ‑ so wie es u.a. auch das S.CampG von ihm verlange ‑ entsprechende Vorkehrungen getroffen, um den an ihn gerichteten gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Selbst zu Zeiten, in denen vor Ort keine persönliche Beaufsichtigung stattfinde, werde die Örtlichkeit überwacht, damit auch die Sicherheit von Personen sowie abgestellter Fahrzeuge gewährleistet sei. Dass die Kunden die Stellplatzgebühr entrichteten, werde seitens des Unterkunftsgebers kontrolliert, indem der Postkasten (in dem sich die entrichteten Stellplatzgebühren befänden) ‑ teils von Betreiberseite selbst (oder von einem Mitarbeiter) ‑ entleert werde. Unter „Leitung und Aufsicht" fielen darüber hinaus die regelmäßig stattfindenden Reinigungs- und Entsorgungsarbeiten, ohne die eine Aufrechterhaltung eines geordneten Betriebes nicht möglich wäre.
9 Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes maßgebenden drei Kriterien für das Vorliegen eines Beherbergungsbetriebes nach dem MeldeG lägen somit im vorliegenden Fall vor; eine besondere Intensität der Leitung bzw. eine „Rund‑um‑die‑Uhr"‑Aufsicht werde nicht verlangt (Verweis auf VwGH 30.9.2019, Ra 2019/01/0312‑0313).
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
Zulässigkeit
Allgemein
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze nach § 1 Abs. 3 MeldeG
14 In der vorliegenden Revisionssache stellt sich nach dem Zulässigkeitsvorbringen (und auch nach Ausweis des von den Revisionswerberinnen jeweils geltend gemachten Revisionspunktes) die Rechtsfrage, ob der Reisemobil-Stellplatz der Revisionswerberinnen als „beaufsichtigter Camping- oder Wohnwagenplatz“ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG und somit als Beherbergungsbetrieb nach dieser Bestimmung anzusehen ist, was mit den Verpflichtungen nach § 5 (Anmeldung) und § 10 (Führung eines Gästeverzeichnisses) MeldeG verbunden ist.
15 Diese Rechtsfrage wurde mit dem ‑ vom Verwaltungsgericht vorliegend auch der Entscheidung zugrunde gelegten ‑ hg. Erkenntnis vom 30. September 2019, Ra 2019/01/0312‑0313, allgemein (und nicht nur für den vorliegenden Stellplatz) geklärt.
16 Nach dieser Rechtsprechung ist der Begriff „beaufsichtigter Camping‑ oder Wohnwagenplatz“ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG dahin auszulegen, dass er zunächst die in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten drei Kriterien für den Begriff des Beherbergungsbetriebes nach § 1 Abs. 3 MeldeG erfüllen muss (1. Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten; 2. Unterbringung von „Gästen“; 3. Bestimmung zum vorübergehenden Aufenthalt). Darüber hinaus ist zur näheren Abgrenzung auf die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen betreffend Campingplätze zurückzugreifen (auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen werden).
17 In diesem Erkenntnis wurde zur Leitung und Aufsicht des Unterkunftgebers auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, nach der das MeldeG keine besondere Intensität der Leitung verlangt und es keiner Aufsicht „rund‑um‑die‑Uhr“ bedarf, um das Kriterium der „Leitung oder Aufsicht“ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG zu erfüllen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ro 2014/01/0012).
18 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern ‑ diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. zu allem VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN; aus jüngerer Zeit etwa VwGH 6.10.2021, Ra 2021/01/0319, mwN).
19 Vor diesem Hintergrund zeigt das Zulässigkeitsvorbringen der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:
20 Die Revision behauptet das Fehlen von „höchstgerichtlicher Rechtsprechung“ zu unbeaufsichtigten Camping‑ oder Wohnwagenplätzen und bringt in diesem Zusammenhang vor, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine besondere Intensität der Leitung bzw. eine „Rund‑um‑die‑Uhr“‑Aufsicht werde von der Rechtsprechung nicht verlangt, vermöge nicht zu überzeugen. Das Entleeren des Postkastens, die Müllentsorgung, die Reinigung von Sanitäranlagen seien „logisch zwingend“ keine Leitung und keine Aufsicht. Es stehe fest, „dass wir kein Personal am Reisemobil-Stellplatz haben“.
21 Dieses Vorbringen verkennt zunächst, dass es vorliegend keiner weiteren Rechtsprechung zu unbeaufsichtigten Camping‑ oder Wohnwagenplätzen bedarf, weil die entscheidende Rechtsfrage, wann ein „beaufsichtigter Camping- oder Wohnwagenplatz“ iSd § 1 Abs. 3 MeldeG vorliegt, durch die oben dargestellte hg. Rechtsprechung bereits geklärt ist. Bei der Beurteilung des in dieser Gesetzesbestimmung normierten Tatbestandsmerkmales der „Leitung oder Aufsicht“ hat das Verwaltungsgericht die dazu ergangenen Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtet. Eine krasse Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls ist nicht zu erkennen.
22 Die Revision behauptet weiter einen Verstoß gegen näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtskraft und zum Wiederholungsverbot. Wenn man der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes folge, dass sich der rechtlich relevante Sachverhalt nicht geändert habe und weiterhin ein beaufsichtigter Camping‑ oder Wohnwagenplatz im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG vorliege, verletze das angefochtene Erkenntnis die Revisionswerberinnen in ihrem Recht auf Beachtung der Rechtskraft der Vorentscheidung, nämlich des (näher bezeichneten) Feststellungsbescheides der belangten Behörde vom 25. Jänner 2019 sowie des (näher bezeichneten) „Urteils des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 30.04.2019“. Es sei unzulässig in derselben Sache zwei gleichlautende Feststellungsbescheide, „und beide noch dazu in einem jeweils von Amts wegen eingeleiteten Verfahren“, zu erlassen.
23 Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. dazu und zur Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache etwa VwGH 4.5.2022, Ra 2022/01/0006, mwN).
24 Ausgehend davon wird eine Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die Revisionswerberinnen selbst in ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht vorgebracht haben, dass sich „die Sachlage“ am gegenständlichen Reisemobilabstellplatz wesentlich geändert habe. Dass das Verwaltungsgericht den Reisemobil-Stellplatz nach der geänderten Sachlage rechtlich weiterhin als beaufsichtigten Camping- oder Wohnwagenplatz im Sinne des § 1 Abs. 3 MeldeG angesehen hat, ändert daran nichts.
Ergebnis
25 In der Revision werden nach dem Obgesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. Dezember 2022
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