VwGH Ra 2021/15/0011

VwGHRa 2021/15/001119.10.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des H G in W, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 40, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. November 2020, Zl. RV/3100434/2017, betreffend Antrag auf Rückzahlung von Lohnsteuer gemäß § 240 Abs. 3 BAO und Einkommensteuer 2015,

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird hinsichtlich des Antrags auf Rückzahlung von Lohnsteuer gemäß § 240 Abs. 3 BAO zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Normen

BAO §280 Abs1 lite
EStG 1988 §25 Abs1 Z1 lita
EStG 1988 §29 Z3
VwGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150011.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es Einkommensteuer 2015 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, der ab 1. September 2008 zum Vorstandsmitglied der X AG sowie der Y AG und ab 1. Oktober 2016 zum Geschäftsführer der Z GmbH bestellt wurde, schloss am 16. September 2008 mit der X AG einen Optionsvertrag ab, der auszugsweise wie folgt lautete:

„Präambel

Die [X AG] ist Alleinaktionär der [Y AG]. Das Aktienkapital der [Y AG] beträgt 3,000.000 €.

[Der Revisionswerber] verfügt auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen über Detailkenntnisse der [Y AG] und der [...], deren Sprecher er seit 2000 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist, die von wesentlicher Bedeutung für die weitere Strukturierung der [Y AG] und der zugeordneten Leasinginteressen sein werden.

Da [der Revisionswerber] schon vor seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied der [X AG] an der Neustrukturierung der [Y AG] und des Leasinggeschäftes maßgeblich mitgewirkt, Perspektiven aufgezeigt und die Einbindung von strategischen Partnern für die Zukunft vorbereitet hat (insbesondere durch die Identifizierung mehrerer möglicher Kooperationspartner für die [Y AG]), was von wesentlicher Bedeutung für die Zukunft der [Y AG] und des Leasinggeschäftes sein wird, wurde [dem Revisionswerber] die Einräumung eines Optionsrechtes in Aussicht gestellt, wobei dafür folgende Grundsätze gelten sollten:

I. Optionseinräumung / Basispreis

Die [X AG] räumt nunmehr [dem Revisionswerber] (nachfolgend auch Optionsempfänger) unter den in diesem Vertrag geregelten Voraussetzungen das frei an Dritte übertragbare Recht (Option) ein, 10% des gegenwärtigen Grundkapitals der [Y AG] sowie 10% des gegenwärtigen Stammkapitals der [Z GmbH] zum Basispreis von 1.850.000 € zu erwerben. [...].

Die [X AG] garantiert [dem Revisionswerber], dass die Gesellschafterin(nen) der [Z GmbH] bei Vorliegen der Voraussetzungen dieses Optionsvertrages die Geschäftsanteilabtretung an [den Revisionswerber] umgehend vornehmen wird.

[Der Revisionswerber] nimmt diese Optionseinräumung an.

II. Optionsentgelt

Das Entgelt für die Einräumung des Optionsrechtes gemäß Punkt I. dieser Vereinbarung beträgt EUR 30.000,- (Euro dreißigtausend) und ist binnen einem Monat nach Unterfertigung dieses Optionsvertrages zur Zahlung fällig.

III. Ausübungspreis / Barausgleich

Die [X AG] wird dem Optionsberechtigten bei Ausübung der Option die Beteiligung Zug um Zug gegen Zahlung des Basispreises übertragen, ist aber ohne dessen Zustimmung berechtigt, anstelle der Übertragung der optionsgegenständlichen Aktien und Geschäftsanteile einen Barausgleich vorzunehmen.

Der Barausgleich (Abfindungsbetrag) wird aus dem Differenzbetrag zwischen dem Basispreis und dem Ausübungspreis ermittelt. [...]

Sollte [der Revisionswerber] durch die Gesellschaft berechtigt fristlos entlassen werden (iSv § 27 AngG), oder unberechtigt vorzeitig austreten (iSv § 26 AngG), so [sind] vom ermittelten Abfindungsbetrag 25% in Abzug zu bringen.

[...]

IV. Optionslaufzeit

Das Optionsrecht kann in der Zeit von 01.09.2011 bis 28.08.2012 ausgeübt werden. Im Falle der Vereinbarung einer oder mehrere (Verlängerung(en) oder Erneuerung(en) der Funktionsperiode als Vorstandsmitglied der [X AG] verlängert sich das Recht [des Revisionswerbers] zur Ausübung des Optionsrechtes um die gesamte(n) verlängerte(n) Funktionsperiode(n) als Vorstandsmitglied und endet dieses Ausübungsrecht mit Ablauf von sechs Monaten nach Ende der letzten Funktionsperiode.

Das Optionsrecht kann [vom Revisionswerber] während des Ausübungszeitraumes teilweise, auch in Schritten, oder gänzlich ausgeübt werden, in jedem Falle aber nur gleichzeitig aliquot für die [Y AG] und die [Z GmbH]. Die teilweise Ausübung des Optionsrechts durch [den Revisionswerber] bedeutet keinen Verzicht auf die weitere Ausübung des Optionsrechts. [...]“

2 Mit Vereinbarung vom 4./14. August 2015 übte der Revisionswerber das aus der Vereinbarung vom 16. September 2008 resultierende Optionsrecht zu einem Viertel (2,5% des Stammkapitals der Y AG und der Z GmbH) aus. Gleichzeitig wurde ihm ein Optionsrecht auf den Erwerb weiterer je 5% des Grundkapitals der Y AG und der Z GmbH eingeräumt.

3 In der Präambel zur Vereinbarung vom 4./14. August 2015 wird u.a. ausgeführt, die Option vom 16. September 2008 sei dem Revisionswerber „im Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten vor seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied der [X AG]“ eingeräumt worden. Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Optionsvertrages vom 16. September 2008 sei ihm auch ein zusätzliches Optionsrecht auf Erwerb weiterer je 5% des Grundkapitals der Y AG und der Z GmbH in Aussicht gestellt worden, sofern seine Funktion als Vorstandsmitglied der X AG zumindest zwei Funktionsperioden andauere. Mittlerweile sei der Revisionswerber für eine zweite Funktionsperiode zum Vorstand der X AG bestellt worden. Diese habe am 30. April 2015 geendet und sei inzwischen neuerlich bis zum 30. April 2018 verlängert worden.

4 In Punkt I. der Vereinbarung vom 4./14. August 2015 machte die X AG von ihrem Recht Gebrauch, anstelle der Übertragung der optionsgegenständlichen Aktien und Geschäftsanteile einen Barausgleich vorzunehmen, wobei die Vertragsteile den Differenzbetrag zwischen Basispreis und Ausübungspreis einvernehmlich mit 369.500 € feststellten. Festgehalten wurde auch, dass der Revisionswerber aus dem Optionsvertrag vom 16. September 2008 noch über ein restliches Optionsrecht von 7,5% des seinerzeitigen Grundkapitals der X AG und der Y GmbH verfügt.

5 In Punkt II. der Vereinbarung vom 4./14. August 2015 wurde bestimmt, dass das zusätzliche Optionsrecht auf Erwerb von weiteren 5% des gegenwärtigen Grundkapitals der Y AG und der Z GmbH nicht vor dem 30. April 2018 (Ablauf der derzeitigen Funktionsperiode des Revisionswerbers als Vorstandsmitglied der X AG) und danach nur binnen Jahresfrist ausgeübt werden kann. Als Entgelt für die Einräumung des Optionsrechts wurde ein Betrag von 50.000 € festgesetzt. Dazu wurde festgehalten, der Revisionswerber habe für das Optionsrecht aus dem Jahr 2008 ein Optionsentgelt von 30.000 € bezahlt, wobei ein Ausübungsrecht nach Ablauf von drei Jahren vereinbart worden sei. Dies entspreche einem Entgelt von 10.000 € pro Jahr. Da das 10%ige Optionsrecht zufolge Verlängerung des Vorstandsmandates des Revisionswerbers über die ursprünglich vorgesehene Dauer von drei Jahren um zwei weitere Jahre, nämlich die Geschäftsjahre 2012 und 2014, verlängert und erst jetzt ausgeübt worden sei, errechne sich für diesen Verlängerungszeitraum ein Optionsentgelt von 20.000 €. Dazu komme für die nunmehrige neuerliche Verlängerung des noch fortbestehenden alten und des mit dieser Vereinbarung neu eingeräumten Optionsrechts für weitere drei Jahre ein Betrag von 30.000 €.

6 Die X AG brachte vom einvernehmlich festgestellten Barausgleich in Höhe von 369.500 € das Optionsentgelt des Revisionswerbers von 30.000 € in Abzug. Für die sodann verbliebenen steuerpflichtigen Bezüge des Revisionswerbers in Höhe von 339.500 € führte sie im August 2015 Lohnsteuer in Höhe von 168.899,50 € an das Finanzamt ab.

7 Am 5. Jänner 2016 brachte der Revisionswerber beim Finanzamt einen Antrag auf Rückzahlung von Lohnsteuer nach § 240 BAO ein und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe im Jahr 2008 eine frei an Dritte übertragbare Option erworben, deren Verkehrswert dem damaligen Kaufpreis von 30.000 € entsprochen habe. Wertzuwächse der Option könnten demnach nur im Privatvermögen realisiert worden sein.

8 Die X AG sei offensichtlich davon ausgegangen, dass dem Revisionswerber mit dem Barausgleich im August 2015 ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis zugeflossen sei. Wie sich aus der Präambel des Optionsvertrages ergebe, sei die in Rede stehende Option für Leistungen eingeräumt worden, die der Revisionswerber vor seiner Bestellung zum Vorstand der X AG erbracht habe. Es sei kein Vorteil aus dem Dienstverhältnis gegeben. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Revisionswerber über die Option sofort nach der Einräumung habe verfügen können. Im Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, 2006/13/0136, habe der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich einer nur durch den Berechtigten selbst (bzw. dessen Gesamtrechtsnachfolger) ausübbaren Option die Ansicht vertreten, ein steuerlich relevanter Zufluss sei erst bei Ausübung dieser Option eingetreten. Daraus folge im Umkehrschluss, dass bei einer frei an Dritte übertragbaren Option ein sofortiger Zufluss bei Einräumung gegeben sei. Die dem Revisionswerber eingeräumte Option sei von Anfang an handelbar gewesen. Daraus folge, dass die Option dem Revisionswerber „bereits im Jahr 2008 als Wirtschaftsgut zugeflossen“ sei.

9 Mit Bescheid vom 14. Juli 2016 wies das Finanzamt den Rückzahlungsantrag mit der Begründung ab, dass die Einräumung der Option, selbst wenn sie dem Revisionswerber vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied der X AG in Aussicht gestellt worden sei, im Zusammenhang mit seiner nichtselbständigen Tätigkeit für die X Gruppe stehe. Im Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, 2006/13/0136, habe der Verwaltungsgerichtshof auf das Urteil des BFH vom 20. November 2008, VI R 25/05, verwiesen, demzufolge bezüglich des Zuflusszeitpunktes nicht zwischen handelbaren und nicht handelbaren Optionen zu unterscheiden sei: Nach den Ausführungen des BFH gelange auch bei handelbaren Optionen der für den Zufluss von Arbeitslohn maßgebliche Vorteil in Gestalt eines Preisnachlasses auf gewährte Aktien erst auf Grund der Verwertung der Option in das wirtschaftliche Eigentum des Optionsnehmers. Durch den Verweis auf dieses BFH-Urteil liege es nahe, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im Falle freier Optionen ebenfalls der Ansicht des BFH anschließe. Aus dem Erkenntnis lasse sich jedenfalls ableiten, dass der Verwaltungsgerichtshof der Wirtschaftsguteigenschaft von Optionen für deren Zuflusszeitpunkt keine Bedeutung beimesse. Die X AG habe dem Revisionswerber zwar ein „frei an Dritte übertragbares Recht“ eingeräumt, im Vertragspunkt „Optionslaufzeit“ werde aber die Ausübung des Rechts auf den Revisionswerber eingeschränkt. Dieser habe als Vorstandsmitglied ein höchst persönliches Interesse daran, dass das Unternehmen einen „guten Verlauf“ habe, und nehme durch seine Vorstandstätigkeit auch unmittelbar Einfluss auf den Unternehmensgewinn und den Unternehmenswert. Da der X AG im Optionsvertrag die Möglichkeit eingeräumt worden sei, bei Ausübung der Option zwischen der Übertragung von Aktien und Geschäftsanteilen an den Optionsberechtigten und einem Cash Settlement (Barausgleich) zu wählen, könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits bei Einräumung des Optionsrechtes ein Zufluss an den Revisionswerber vorgelegen sei.

10 Eine gegen den Abweisungsbescheid vom 14. Juli 2016 gerichtete Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Revisionswerber die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

11 Am 7. November 2016 langte beim Finanzamt die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung des Revisionswerbers für das Jahr 2015 ein.

12 Das Finanzamt erließ am 26. April 2017 einen Einkommensteuerbescheid 2015, in dem es auf Grund der übermittelten Lohnzettel ganzjährig bezogene Einkünfte des Revisionswerbers aus einem Dienstverhältnis zur Y AG und den streitgegenständlichen ‑ in einem Lohnzettel der X AG ausgewiesenen ‑ Betrag von 339.500 € erfasste und die einbehaltene Lohnsteuer in Abzug brachte.

13 Gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 erhob der Revisionswerber mit Schreiben vom 2. Mai 2017 Beschwerde. Er beantragte, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um den Betrag von 339.500 € zu reduzieren, und verwies zur Begründung auf die bisher eingebrachten Schriftsätze. Weiters stellte er die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, auf Entscheidung durch den gesamten Senat und auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung.

14 Das Bundesfinanzgericht führte eine mündliche Verhandlung durch und gab mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, den Beschwerden gegen den Abweisungsbescheid vom 14. Juli 2016 und den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 26. April 2017 keine Folge. Den Einkommensteuerbescheid 2015 änderte es in Bezug auf die Höhe der Einkünfte und der Einkommensteuer zum Nachteil des Revisionswerbers ab. Es stellte zunächst den Verfahrensgang dar und ging auf die Schriftsätze des Revisionswerbers im Beschwerdeverfahren ein, in denen u.a. ausgeführt wurde, die Option sei für Beratungstätigkeiten des Revisionswerbers für die X AG eingeräumt worden. Diese Tätigkeit sei einmalig und ohne Wiederholungsabsicht erfolgt; die Option sei im Jahr 2008 um 30.000 € entgeltlich erworben worden. Ab diesem Zeitpunkt stelle sie Privatvermögen dar.

15 Unter der Überschrift Sachverhalt stellte das Bundesfinanzgericht fest, das im Optionsvertrag vereinbarte Entgelt von 30.000 € habe dem damaligen Wert des Optionsrechtes entsprochen. Sodann ging es auf die Vereinbarung vom 4./14. August 2015 ein, deren Präambel zu entnehmen sei, dass das Optionsrecht dem Revisionswerber „im Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten vor seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied“ [der X AG] eingeräumt worden sei. Tatsächlich habe der Revisionswerber von September 2007 bis April 2008 und damit außerhalb seines Dienstverhältnisses der X AG gegenüber Beratungsleistungen erbracht.

16 Laut Punkt I. der Vereinbarung vom 4./14. August 2015 habe der Revisionswerber sein Optionsrecht in Ansehung von 2,5% des Grundkapitals der Y AG und der Z GmbH ausgeübt und die X AG habe erklärt, anstelle der Übertragung der Aktien und Geschäftsanteile einen Barausgleich vorzunehmen. Der Barausgleich (Abfindungsbetrag) habe 369.500 € betragen, sei binnen 14 Tagen nach beidseitiger Unterfertigung der Vereinbarung zur Zahlung fällig gewesen und am 21. August 2015 an den Revisionswerber ausbezahlt worden.

17 Beide Parteien des Revisionsverfahrens gingen in ihren Rechtsausführungen vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2009, 2006/13/0136, aus, dem eine den Mitarbeitern einer Konzerngesellschaft im Rahmen eines Stock-Options-Programmes eingeräumte Option, somit ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis zu Grunde gelegen sei. Vorteile aus Mitarbeiter-Stock-Options lägen im Revisionsfall nicht vor.

18 Der Revisionswerber beziehe als Vorstand der X AG zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dass Vorstandsvertrag und Optionsvertrag am selben Tag abgeschlossen worden seien, reiche aber nicht aus, um auch die Option dieser Einkunftsart zuzuordnen.

19 Wie aus der Präambel des Optionsvertrages hervorgehe und in einem Schriftsatz des Revisionswerbers vom 27. April 2020 ausführlich dargelegt worden sei, habe der Revisionswerber für die X‑Gruppe im Zeitraum September 2007 bis April 2008 hochqualifizierte Beratungsleistungen erbracht. Die Einräumung der Option stehe im Zusammenhang mit diesen Leistungen. Sie sei erfolgt, damit der Revisionswerber ‑ im Falle einer Umsetzung und positiven wirtschaftlichen Auswirkung seiner Vorschläge ‑ am Erfolg der X‑Gruppe partizipiere. Die einmalig und ohne Wiederholungsabsicht ausgeübte Beratungstätigkeit sei ertragsteuerlich als Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 einzuordnen.

20 Für die sonstigen Einkünfte iSd § 29 Z 3 EStG 1988 gelte uneingeschränkt das Zuflussprinzip.

21 Es treffe zu, dass dem Revisionswerber die Option im September 2008 zugegangen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe der Revisionswerber aber noch keinen geldwerten Vorteil erlangt, weil er die Option gegen Entgelt, nämlich um den ‑ ihrem damaligen Wert entsprechenden ‑ Preis von 30.000 € erworben habe.

22 Der Vertrag vom 16. September 2008 stelle ein (erfolgsneutrales) Anschaffungsgeschäft dar.

23 Ob die Option rechtlich und wirtschaftlich handelbar oder nur der Revisionswerber zu deren Ausübung berechtigt gewesen sei, sei in diesem Zusammenhang nicht relevant und könne dahingestellt bleiben.

24 Ein in Geld messbarer Vorteil (§ 15 Abs. 1 EStG 1988) sei dem Revisionswerber erstmals im Zeitpunkt der (teilweisen) Ausübung der Option im August 2015 in Form des Barausgleichs zugeflossen. Dieser Zufluss sei unmittelbar durch die vorangegangene, bis April 2008 erbrachte Beratungsleistung gegenüber der X AG veranlasst. Der Ansicht, die Abgeltung hätte bereits darin bestanden, dass dem Revisionswerber im September 2008 der Erwerb der Option ermöglicht worden sei, könne nicht gefolgt werden, weil für diesen Erwerb ein fremdüblicher Preis entrichtet worden sei. Die Realisation der im Zeitraum zwischen Einräumung und Ausübung der Option eingetretenen Wertsteigerung sei daher (noch) im Rahmen der Einkunftsart gemäß § 29 Z 3 EStG 1988 erfolgt „und nicht in einem steuerlich nicht relevanten ‚Privatvermögen‘ des [Revisionswerbers]“.

25 Den Einnahmen von 369.500 € stünden anteilige Anschaffungskosten der Option von 7.500 € (ein Viertel von 30.000 €) gegenüber. Der Revisionswerber habe somit im Jahr 2015 (veranlagungspflichtige) sonstige Einkünfte gemäß § 29 Z 3 EStG 1988 in Höhe von 362.000 € erzielt.

26 Die X AG habe von diesen Einkünften zu Unrecht Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Gemäß § 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 könne diese Lohnsteuer jedoch im Wege der Veranlagung auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Der Rückzahlungsantrag vom 5. Jänner 2016 sei daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden (§ 240 Abs. 3 lit. c BAO).

27 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision erachtet sich der Revisionswerber im einfachgesetzlichen Recht „auf Nichtbesteuerung von Einkünften, die im Jahr 2015 nicht zugeflossen sind, und somit auf Beachtung des Zuflussprinzips gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 verletzt“.

28 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision auf das Wesentliche zusammengefasst vor, nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei die gegenständliche (handelbare) Option durch ein Anschaffungsgeschäft im Jahr 2008 vom Revisionswerber erworben und im Jahr 2015 teilweise ausgeübt worden. Ungeachtet dessen werde mit dem angefochtenen Erkenntnis die Besteuerung bei der Ausübung der Option, die auf Basis der Judikatur bereits dem Grunde nach im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen stattfinden müsste, den Einkünften nach § 29 Z 3 EStG 1988 zugeordnet. Die Frage, ob dem Revisionswerber die Einkünfte aus der im Jahr 2008 eingeräumten und im Jahr 2015 teilweise ausgeübten Option im Rahmen der Einkünfte nach § 29 Z 3 EStG 1988 im Jahr 2008 oder im Jahr 2015 zugeflossen seien, stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Der Zuflusszeitpunkt von Einkünften aus handelbaren Optionen bzw. aus zum Verkehrswert erworbenen Optionen sei über den konkreten Fall hinaus von Bedeutung.

29 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

30 I. Antrag auf Rückzahlung von Lohnsteuer

31 Das Zulässigkeitsvorbringen enthält keine Ausführungen zum Antrag auf Rückzahlung von Lohnsteuer gemäß § 240 Abs. 3 BAO.

32 Die Revision war daher diesbezüglich zurückzuweisen.

33 II. Einkommensteuer 2015

34 § 29 EStG 1988 lautet auszugsweise:

„§ 29. Sonstige Einkünfte sind nur:

[...]

3. Einkünfte aus Leistungen, wie insbesondere Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Z 1, 2 oder 4 gehören. Solche Einkünfte sind nicht steuerpflichtig, wenn sie im Kalenderjahr höchstens 220 Euro betragen. Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so darf der übersteigende Betrag bei der Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden (§ 2 Abs. 2).“

35 Die X AG schloss mit dem Revisionswerber am 16. September 2008 einen Vorstandsvertrag ab und räumte diesem mit Vereinbarung vom selben Tag die Option auf den Erwerb von Anteilen an der Y AG und der Z GmbH ein. Der Revisionswerber übte die Option mit Vereinbarung vom 4./14. August 2015 teilweise aus, wobei die X AG von ihrem Recht Gebrauch machte, anstelle der Übertragung der optionsgegenständlichen Aktien und Geschäftsanteile einen Barausgleich vorzunehmen. Den einvernehmlich festgestellten Barausgleich in Höhe von 369.500 € ordnete die X AG den Einkünften des Revisionswerbers aus nichtselbständiger Arbeit zu. Im Hinblick darauf führte sie Lohnsteuer in Höhe von 168.899,50 € an das Finanzamt ab. Auch das Finanzamt ging ‑ wie zuvor die X AG ‑ von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus, wies einen Antrag des Revisionswerbers auf Rückzahlung von Lohnsteuer nach § 240 BAO ab und brachte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2015 sowohl den Barausgleich als auch die darauf entrichtete Lohnsteuer in Ansatz.

36 Abweichend davon nahm das Bundesfinanzgericht im Zusammenhang mit der Option keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an. Es ging im angefochtenen Erkenntnis vielmehr davon aus, dass der Barausgleich, der dem Revisionswerber durch Ausübung der hier in Rede stehenden Option im Jahr 2015 zugeflossen ist, zu sonstigen Einkünften iSd § 29 Z 3 EStG 1988 führe. Zur Begründung führte es aus, der Revisionswerber habe für die X AG im Zeitraum September 2007 bis April 2008 hochqualifizierte Beratungsleistungen erbracht. Die Einräumung der Option stehe im Zusammenhang mit diesen Leistungen und sei erfolgt, damit der Revisionswerber ‑ im Falle einer Umsetzung und positiver wirtschaftlicher Auswirkung seiner Vorschläge ‑ am Erfolg der X-Gruppe partizipiere. Die einmalig und ohne Wiederholungsabsicht ausgeübte Beratungstätigkeit sei ertragsteuerlich als Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 einzuordnen.

37 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erkennen lassen, welcher Sachverhalt ihr zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.3.2018, Ra 2016/15/0076, mwN).

38 Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Erkenntnis nicht.

39 Das Bundesfinanzgericht geht von im Zeitraum September 2007 bis April 2008 gegenüber der X AG erbrachten hochqualifizierten Beratungsleistungen aus, ohne hiezu nähere Ausführungen zu treffen, etwa ob die Beratung in einer kontinuierlichen Betätigung bestand und ob bzw. welche Entlohnung für diese Beratungsleistungen vereinbart und geleistet worden ist. Dem angefochtenen Erkenntnis ist als einzige vom Bundesfinanzgericht angenommene „Entlohnung“ die Einräumung der streitgegenständlichen Option gegen ein Entgelt, welches aber ‑ so das Bundesfinanzgericht ‑ dem damaligen Verkehrswert von 30.000 € entsprochen habe, zu entnehmen.

40 Die Beratungstätigkeiten des Revisionswerbers im Zeitraum September 2007 bis April 2008 seien laut angefochtenem Erkenntnis „einmalig und ohne Wiederholungsabsicht“ erbracht worden und daher einkommensteuerlich als Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 zu beurteilen. Dem ist entgegen zu halten, dass eine zusammenhängende, über einen Zeitraum von ca. acht Monaten erbrachte Beratungsleistung, welche zumindest aus einer Reihe von Beratungsgesprächen bestand und wohl auch die entsprechende Informationsbeschaffung und -aufbereitung umfasst haben muss, nicht als „einmalige“ Leistung beurteilt werden kann. Vielmehr ist gerade in der über einen längeren Zeitraum erbrachten Beratungsleistung bereits eine wiederholt ausgeübte Betätigung zu erblicken. Bei einer sich wiederholenden Tätigkeit ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass Einkünfte aus Leistungen nach § 29 Z 3 EStG 1988 vorliegen sollten (vgl. Mayr/Hayden in Doralt et al EStG20, § 29 Tz 98; Büsser in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer, 60. Lfg, § 29 Tz 58; Kauba in Doralt et al EStG21, § 23 Tz 48, sowie VwGH 14.9.1988, 87/13/0248). Das Bundesfinanzgericht hat auch außer Acht gelassen, dass der Revisionswerber im Schriftsatz vom 27. April 2020, der im angefochtenen Erkenntnis zitiert wird, anführt, er habe im Zeitraum 2007 bis 2008 Überlegungen angestellt, sich als Berater selbständig zu machen, um sein über viele Jahre angesammeltes Knowhow zu vermarkten, was im gegebenen Zusammenhang ein weiteres Indiz für eine Wiederholungsabsicht darstellt. Da eine nachvollziehbare Begründung für die vom Bundesfinanzgericht angenommenen Einkünften aus Leistungen iSd § 29 Z 3 EStG 1988, in deren Rahmen es den Zufluss der streitgegenständichen Vorteile aus der Option steuerlich erfasst hat, fehlt, erweist sich das angefochtene Erkenntnis schon deshalb als mit Rechtswidrigkeit belastet.

41 Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. „Bezüge und Vorteile“ in diesem Sinn sind alle zugeflossenen vermögenswerten Vorteile (Geld oder geldwerte Vorteile), die in einem Veranlassungszusammenhang mit der nichtselbständigen Betätigung stehen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2016/15/0070; 25.7.2018, Ro 2018/13/0005; 10.2.2016, 2013/15/0128; und 31.7.2013, 2009/13/0194).

42 Die verfahrensgegenständliche Option wurde dem Revisionswerber am 16. September 2008 von der X AG eingeräumt. Am selben Tag schloss der Revisionswerber mit der X AG und der Y AG einen Vorstandsvertrag ab, worauf in der Optionsvereinbarung mehrfach Bezug genommen wird. Die Option wurde dem Revisionswerber also zeitgleich mit seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied der X AG sowie der Y AG eingeräumt. Sie bezieht sich auf von der X AG gehaltene Aktien an der Y AG und auf eine Beteiligung an der Z GmbH, wobei die X AG die Garantie abgab, dass gegebenenfalls die Gesellschafter der Z GmbH den entsprechenden Geschäftsanteil zur Verfügung stellen würden. Bereits dieser Konnex legt nahe, dass der Revisionswerber das Optionsrecht ohne die Vorstandsposition nicht erhalten hätte und ein Vorteil aus der Option daher zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählt. Außerdem ist bei der gegebenen Konstellation ein Zusammenhang zwischen einer (künftigen) erfolgreichen Vorstandstätigkeit des Revisionswerbers und dem Anstieg des Wertes der Option ‑ das im Jahr 2008 geleistete Entgelt entsprach nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts dem seinerzeitigen Verkehrswert ‑ anzunehmen. Wesentlich ist auch, dass der Zeitraum, innerhalb dessen die Option ausgeübt werden konnte, mit 28. Februar 2012 abgelaufen wäre. Ausschließlich wegen der Verlängerung bzw. Erneuerung der Funktionsperiode des Revisionswerbers als Vorstandsmitglied der X AG verlängerte sich ‑ dem Optionsvertrag vom 16. September 2008 zufolge ‑ das Recht des Revisionswerbers zur Ausübung der Option, und zwar bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Ende der letzten Funktionsperiode als Vorstand, was dem Revisionswerber die Ausübung der in Rede stehenden Option im Jahr 2015 überhaupt erst ermöglichte. Zudem legt der Optionsvertrag fest, dass die X AG im Falle der Optionsausübung an Stelle der Übertragung der optionsgegenständlichen Beteiligungen einen Barausgleich in Geld (Abfindungsbetrag) leisten kann, wobei eine spezielle Regelung für den Fall der fristlosen Entlassung oder des unberechtigten vorzeitigen Austritts des Revisionswerbers vorgesehen war. Diese spezielle Regelung hat sich allerdings nur auf die Kürzung des Abfindungsbetrages bezogen, woraus geschlossen werden kann, dass im Fall einer Entlassung oder eines unberechtigten vorzeitigen Austritts des Revisionswerbers keinesfalls die optionsgegenständlichen Beteiligungen übertragen, sondern jedenfalls nur der gekürzte Barausgleich geleistet würde, was einen weiteren Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis darstellt.

43 Das angefochtene Erkenntnis entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung, warum das Bundesfinanzgericht bei dieser Sachlage einen Veranlassungszusammenhang mit dem Dienstverhältnis zur X AG und somit zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausgeschlossen hat. Im Übrigen ist auch die X AG davon ausgegangen, dass der Vorteil im Rahmen des zu ihr bestehenden Dienstverhältnisses erwachsen ist, hat sie doch darauf Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt.

44 Dass in der Präambel der Vereinbarung zur (teilweisen) Ausübung des Optionsrechts vom 4./14. August 2015 ausgeführt wird, die Option vom 16. September 2008 sei dem Revisionswerber „im Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten vor seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied der [X AG]“ eingeräumt worden, kann ‑ wie auch die Präambel zum genannten Optionsvertrag selbst ‑ bei dieser Sachlage einer Veranlassung durch die nichtselbständige Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes nicht entgegenstehen, solange nicht der Nachweis erbracht ist, dass dem Revisionswerber die Option auch eingeräumt worden wäre, wenn er die Position als Vorstand nicht angetreten hätte.

45 Über die Frage des Zuflusses eines geldwerten Vorteils aus einer Option im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen bereits im Erkenntnis vom 15. Dezember 2009, 2006/13/0136, unter Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 20. November 2008, VI R 25/05, sowie den Beitrag von Busch, DStR 2009, 898 f, abgesprochen.

46 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

47 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Oktober 2022

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