VwGH Ra 2021/14/0396

VwGHRa 2021/14/039630.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. I. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des M K, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2021, I406 2215027‑1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §19 Abs5 Z2
B-VG Art133 Abs4
HerkunftsstaatenV 2009 §1 Z10 idF 2016/II/047
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140396.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 28. Jänner 2015 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen Algeriens, nachdem dieser am 14. Jänner 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung, die mit Bescheid vom 29. Juni 2016 verlängert wurde. Das BFA führte dazu im erstgenannten Bescheid in Bezug auf den Revisionswerber insbesondere wie folgt aus:

„Im Falle Ihrer Rückkehr nach Algerien besteht für Sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund Ihrer unsicheren Lage und der allgemeinen humanitären Situation in Verbindung mit Ihrer familiären und damit verbundenen Perspektivenlosigkeit wegen nicht vorhandener Identitätsdokumente derzeit die Gefahr, in Leib und Leben beeinträchtigt zu werden.“

2 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. Juli 2015 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls, teilweise als Beteiligter, nach den §§ 127, 130 erster Fall, 12 dritter Fall StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, wobei sechs Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.

3 Am 5. April 2016 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien den Revisionswerber wegen der Vergehen des teilweise versuchten, teilweise vollendeten und schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1, 15 StGB, der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten.

4 Mit Schreiben vom 9. November 2016 teilte das Bundeskriminalamt dem BFA mit, dass der Revisionswerber von Interpol Algier - unter einem anderen als dem bisher vom Revisionswerber angegebenen Namen - als algerischer Staatsangehöriger identifiziert worden sei.

5 Mit Bescheid des BFA vom 8. Jänner 2019 wurde dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt, die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen und sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen. Unter einem erteilte das BFA dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig sei, legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und erließ ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. November 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht insbesondere aus, dass dem Revisionswerber der Status eines subsidiär Schutzberechtigten aufgrund seiner Angaben zuerkannt worden sei, wonach er in Algerien keine Dokumente gehabt habe, die seine algerische Staatsbürgerschaft bestätigen würden, dass sich diese Angaben sowie jene über familiäre Anknüpfungspunkte und Berufserfahrung in Algerien im Nachhinein aber als unwahr herausgestellt hätten. Das Krankheitsbild des Revisionswerbers stelle keine derartige Beeinträchtigung dar, die einer Rückkehr nach Algerien entgegenstehe. Die Rückkehrentscheidung könne nicht als unzulässig angesehen werden, das Einreiseverbot sei als rechtmäßig zu qualifizieren.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst unter Verweis auf das Amtswegigkeitsprinzip vor, dass sich die Länderinformation im angefochtenen Erkenntnis nicht mit der Behandlung von behinderten Menschen in Algerien beschäftige, das Bundesverwaltungsgericht aber verpflichtet sei, alle sich bietenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen.

11 Die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflichten weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 15.10.2021, Ra 2021/14/0240, mwN).

12 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.3.2022, Ra 2022/20/0047, mwN).

13 Mit dem pauschal gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels oder eine grob fehlerhafte Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht dargelegt.

14 Dies gilt auch insoweit, als die Revision die unterlassene Einvernahme des Revisionswerbers und seiner Ehefrau in Bezug auf die Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot rügt, wobei festzuhalten ist, dass nicht behauptet wird, der Revisionswerber habe diese Einvernahmen im Verfahren beantragt. Soweit die Revision dazu lediglich vorbringt, dass das Bundesverwaltungsgericht bei Einvernahme des Revisionswerbers und seiner Ehefrau zur Überzeugung gelangt wäre, dass er nicht mehr drogenabhängig sei und keiner Beschaffungskriminalität mehr nachgehe sowie keine Gefahr dafür bestehe, bezieht sie sich auf Aspekte, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Interessenabwägung ohnehin berücksichtigt hat.

15 Die Revision macht weiters geltend, dass sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ein Bild von der Sichtbarkeit der Behinderung des Revisionswerbers hätte machen können und zur Einschätzung gelangt wäre, dass der Revisionswerber in Algerien sozial ausgegrenzt werde, weshalb sich an den Gründen der subsidiären Schutzgewährung nichts geändert habe. Damit legt die Revision jedoch nicht dar, weshalb fallbezogen die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nicht gegeben gewesen wären (vgl. zu diesen Voraussetzungen VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 bis 0018; aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 7.4.2022, Ra 2022/14/0074, dort Rz. 12, mwN).

16 Auch gilt Algerien als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 10 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 145/2019, was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der algerischen Behörden spricht (vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2017/01/0292, mwN) und war für das BFA nicht die Behinderung des Revisionswerbers für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. Mai 2022

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