Normen
B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §108c Abs2 Z1
EStG 1988 §108c Abs2 Z2
EStG 1988 §108c Abs7
ForschungsprämienV 2012 AnhIII
ForschungsprämienV 2012 §1 Abs3
VwGG §43 Abs8
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020150004.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist ‑ nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) ‑ ein „Start‑up“‑Unternehmen, welches eine mobile technische Anlage entwickelt hat. Die Anlage ist in einer Patenturkunde und ‑schrift ausführlich beschrieben; für sie wurde vom Patentamt im Jahr 2017 ein Patent erteilt. In den beiden Wirtschaftsjahren 1. April 2015 bis 31. März 2017 (2015/16 und 2016/17) war die Revisionswerberin insbesondere mit der Organisation der Entwicklung der mobilen technischen Anlage, Marktanalyse, Eintragung der Erfindung in das Patentregister und Aufbau eines Webportals beschäftigt.
2 Mit Antrag vom 17. August 2017 beantragte die Revisionswerberin für die Jahre 2015/2016 und 2016/2017 die Gewährung von Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 (2015: 10% und 2016, 2017: 12%) für Auftragsforschung zur Entwicklung der mobilen technischen Anlage in den Jahren 2016 und 2017. Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung wurde nicht beantragt.
3 Das Finanzamt gewährte ‑ nach Einholung eines Gutachtens der Forschungsförderungsgesellschaft FFG ‑ mit Bescheid vom 20. September 2018 für das Wirtschaftsjahr 2015/2016 eine Forschungsprämie ausgehend von den Kosten der in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie und Prüfung der technischen Umsetzbarkeit durch ein Maschinenbauunternehmen für Sonderanlagen. Für das Wirtschaftsjahr 2016/2017 gewährte es eine Forschungsprämie für die Umsetzung der technischen Konstruktion durch die Maschinenbaufirma, die Konzeptentwicklung und den Prototypenbau. Diverse geltend gemachte Kosten der Revisionswerberin ‑ wie etwa Gemeinkosten (Miete, Leasing PKW), Kosten für den Erwerb von Teilen der mobilen Anlage, die Entwicklung eines Webportals oder für Werbung und Markenschutz ‑ wurden nicht berücksichtigt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ den gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden teilweise Folge und änderte die zuerkannten Forschungsprämien ab. Begründend führte es aus, Auftragsforschung bedeute, dass die Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 im Auftrag der Antragstellerin erfolge. Der Auftragsforschung unterlägen solche erbrachten Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die unmittelbar der Auftraggeberin gegenüber erbracht und dementsprechend in Rechnung gestellt würden. Tätigkeiten, welche unmittelbar mit dem Betrieb des Unternehmens in seiner Aufbau- und Entwicklungsphase in Zusammenhang stünden, stellten keine erbrachte Forschungsleistung gegenüber der Auftraggeberin dar. Die Kosten der betrieblichen Tätigkeit (Anschaffung von Büro- und technischer Ausstattung, Aufbau und Organisation des Geschäftsmodells) und die anfallenden Gemeinkosten (Miete, PKW Leasing, Versicherung, Telefon, Bankgebühren für Garantien) der revisionswerbenden Auftraggeberin stellten keine Kosten der in Auftrag gegebenen Forschung und experimentellen Entwicklung dar und seien der revisionswerbenden Gesellschaft auch nicht als Kosten für Auftragsforschung (Maschinenbau‑Anlage, Prototyp) in Rechnung gestellt worden. Die „Auftragsforscher“ stellten als Auftragnehmer vielmehr die ihnen entstehenden Kosten für Aufwand, Gemeinkosten und Anschaffungen anteilig in Rechnung.
5 Darüber hinaus handle es sich bei den gekauften Gegenständen (Mikroskop, Glasschalen, Messgeräten) um Standardlieferungen und ‑leistungen, weshalb denklogisch in solchen Fällen auch die (gesetzlich erforderliche) formale Verständigung über die beabsichtigte Inanspruchnahme der Forschungsprämie durch die Revisionswerberin als Auftraggeberin nicht erfolgt sei. Soweit die Revisionswerberin auf die Forschungsprämienverordnung der Bundesministerin für Finanzen verweise, wonach sämtliche unmittelbar und mittelbar mit Forschung und materieller Entwicklung zusammenhängenden Kosten in die Bemessungsgrundlage für Auftragsforschung mit einzubeziehen seien, sei festzuhalten, dass die streitigen Kosten mit dem Aufbau des Unternehmens der Auftraggeberin und nicht des Auftragnehmers entstanden seien. Diese Kosten würden von der Auftraggeberin selbst getragen. Unstrittig stehe fest, dass eigenbetriebliche Forschung durch die revisionswerbende Auftraggeberin im maßgeblichen Zeitraum nicht stattgefunden habe. Daher seien diese Kosten auch nicht vom Auftragnehmer der Auftraggeberin in Rechnung gestellt worden und seien keine Kosten der Auftragsforschung.
6 Die Patentkosten bei Forschung und experimenteller Entwicklung seien indes bis zur Erlangung des Patents forschungsprämienrelevant, weshalb sich im Wirtschaftsjahr 2015/2016 die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie dementsprechend erhöhe. Im Wirtschaftsjahr 2015/2016 kämen als Teil der Bemessungsgrundlage die Kosten des Patenanwaltes für die Errichtung und Einreichung der Patentschrift zuzüglich Erfinderbenennung hinzu und erhöhe sich die Forschungsprämie gleichfalls dementsprechend.
7 Die Revision ließ das BFG zu, weil die Rechtsfrage noch nicht entschieden sei, ob bei Auftragsforschung die Kosten der Auftraggeberin (und Antragstellerin) für Standardlieferungen und Standarddienstleistungen (u. a. Gemeinkosten) gleichermaßen in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie mit einzubeziehen seien, wie dies bei eigenbetrieblicher Forschung und experimenteller Entwicklung möglich wäre.
8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Revision. Darin bringt die Revisionswerberin vor, der Verwaltungsgerichtshof möge zu Recht erkennen, dass in der Sphäre der Auftraggeberin angefallene Aufwendungen für Leistungen, die beim leistenden Unternehmen Standardleistungen darstellten, bei Auftragsforschung gleichermaßen (wie bei eigenbetrieblicher Forschung und experimenteller Entwicklung) in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie einzubeziehen seien. Weder § 108c EStG 1988 noch der Forschungsprämienverordnung sei zu entnehmen, dass im Rahmen prämienbegünstigter Auftragsforschung nur die direkt von den forschenden oder entwickelnden Auftragnehmern in Rechnung gestellten Aufwendungen der Forschungsprämie zugrunde gelegt werden könnten. Im Gegenteil: § 1 Abs. 2 Forschungsprämienverordnung differenziere im Zusammenhang mit der Festlegung der als Aufwendungen zur Forschung und experimentellen Entwicklung anzusehenden Aufwendungen nicht zwischen eigenbetrieblicher und Auftragsforschung. Die Bestimmung lege einzig fest, welche Aufwendungen ihrer Art nach Aufwendungen zur Forschung und experimentellen Entwicklung iSd Anhang 1 Teil A der Forschungsprämienverordnung darstellten. Insbesondere seien hier auch die gegenständlich in Rede stehenden unmittelbaren Aufwendungen und Investitionen genannt, soweit sie nachhaltig Forschung und experimenteller Entwicklung dienten (§ 1 Abs. 2 Z 2 der VO). Es müsse (nur) die im Rahmen der Auftragsforschung in Auftrag gegebene Forschung und experimentelle Entwicklung, wie § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 dies vorsehe, an Einrichtungen oder Unternehmen vergeben werden, die mit Forschungsaufgaben und experimentellen Entwicklungsaufgaben befasst seien (TS 2 leg cit). E contrario könnten alle anderen im Zusammenhang mit der Auftragsforschung stehenden Leistungen (Zulieferungen) auch durch andere Unternehmen erbracht werden. Besonders plakativ sei dies bei den in § 1 Abs. 2 Forschungsprämienverordnung genannten Finanzierungsaufwendungen; die gleichermaßen angeführten unmittelbaren Aufwendungen und Investitionen für Forschung und experimentelle Entwicklung(idF: F&E‑Aufwendungen und ‑Investitionen) könnten nicht anders behandelt werden.
9 Eine deutliche Parallele bestehe insoweit auch zu den sowohl von FFG (Stellungnahme vom 11. Juli 2018) als auch BFG als förderungswürdig bestätigten Kosten der Patenterlangung iSd Anhang 1 Teil B Z 9 Forschungsprämienverordnung. Auch sie fielen nicht in der Sphäre eines forschenden oder entwickelnden Auftragnehmers an, stellten außerdem ‑ ebenso wie „Sonderentwicklungen“ für einen „Sondermaschinenbauer“ zu dessen „Standard‑Leistungsrepertoire“ gehörten ‑ für den Auftragnehmer Standardleistungen dar und seien dennoch forschungsprämienrelevant.
10 Auch der Katalog der in § 1 Abs. 2 Forschungsprämienverordnung genannten Aufwendungen bestärke die Gesetzesauslegung der Revisionswerberin. Sollten sich die in § 1 Abs. 2 der VO genannten Aufwendungen, wie dies das BFG offenbar annehme, im Rahmen der Auftragsforschung nur auf die beim Auftragnehmer anfallenden Aufwendungen genannter Art beziehen (also: Löhne und Gehälter im Unternehmen des Auftragnehmers, unmittelbare F&E‑Aufwendungen und ‑Investitionen des Auftragnehmers, Finanzierungsaufwendungen des Auftragnehmers, Gemeinkosten des Auftragnehmers), so müssten beispielsweise der Gewinnaufschlag oder in der Kalkulation berücksichtigte anteilige Fixkosten (wie zB eine Absetzung für Abnutzung) des Auftragnehmers aus den durch ihn in Rechnung gestellten Beträgen herausgeschält werden, um die förderungswürdigen Aufwendungen zu ermitteln, was natürlich nicht im Sinne des Gesetzgebers sein könne. Der Katalog der in § 1 Abs. 2 der VO genannten Aufwendungen könne sich im Fall der Auftragsforschung also nicht (nur) auf die entsprechenden beim Auftragnehmer anfallenden Aufwendungen beziehen.
11 (Auch) die formalen Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Forschungsprämie für Auftragsforschung seien erfüllt. Der Nachweis, dass die Auftraggeber, für die die Inanspruchnahme einer Prämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung in Frage komme, fristgerecht darüber informiert worden seien, dass die Revisionswerberin die Forschungsprämie für Auftragsforschung in Anspruch nehmen werde, sei mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 erbracht worden. Für zugekaufte Leistungen, die aus der isolierten Sicht des Leistenden keine Forschung und Entwicklung (sondern für sie eine Standardleistung) darstellten und für die Auftragnehmer daher auch keine Prämie für eigenbetriebliche Entwicklung in Anspruch nehmen könnten, sei ein derartiger Nachweis zwar nicht bzw. nicht rechtzeitig erbracht worden; ein solcher Nachweis sei allerdings auch im Hinblick auf Wortlaut, Systematik und Telos des Gesetzes nicht erforderlich. § 108c Abs. 2 Z 2 TS 5 EStG 1988 verlange, dass „dem Auftragnehmer“ eine entsprechende Mitteilung erstattet werde. Als „Auftragnehmer“ im Sinne dieser Bestimmung könne nur ein solcher im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 2 TS 2 EStG 1988 gemeint sein, somit ein Unternehmen, das mit Forschungs- und experimentellen Entwicklungsaufgaben befasst sei (forschender Unternehmer). Unter Berücksichtigung der Systematik der Bestimmung seien nicht-forschende Zulieferer von den verba legalia des § 108c Abs. 2 Z 2 TS 5 EStG 1988 daher nicht erfasst. Auch aus dem Zweck der Bestimmung, nämlich der Vermeidung der parallelen Geltendmachung einer Prämie für Auftragsforschung und einer Prämie für eigenbetriebliche Forschung durch verschiedene Steuerpflichtige (vgl. § 108c Abs. 2 Z 2 TS 5 Satz 2 EStG 1988), ergebe sich eine Mitteilungspflicht nur hinsichtlich forschender Auftragnehmer, nicht auch hinsichtlich nicht‑forschender Zulieferer. Anderenfalls müsste beispielsweise jeder Lieferant von Mikroskopen, die für eine in Auftrag gegebene experimentelle Entwicklung eines neuen Verfahrens anzuschaffen seien, die aber vom Auftraggeber beigestellt würden, über die Inanspruchnahme der Prämie für Auftragsforschung durch den Auftraggeber informiert werden, was beinahe schon absurd erscheine.
12 Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
15 § 108c EStG 1988 idF Steuerreformgesetz 2015/2016 (StRefG 2015/2016), BGBl. I Nr. 118/2015, lautet auszugsweise:
„Forschungsprämien
(1) Steuerpflichtige, soweit sie nicht Mitunternehmer sind, und Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, können eine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und eine Forschungsprämie für Auftragsforschung in Höhe von jeweils 12% der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (‑ausgaben) geltend machen. Die Prämien stellen keine Betriebseinnahmen dar; § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 sind auf sie nicht anwendbar.
(2) Prämienbegünstigt sind:
1. Eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Die Forschung muss in einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte erfolgen. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kriterien zur Festlegung der prämienbegünstigten Forschungsaufwendungen (‑ausgaben) mittels Verordnung festzulegen.
2. Auftragsforschung für in Auftrag gegebene Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
- Die Forschung muss von einem inländischen Betrieb oder einer inländischen Betriebsstätte in Auftrag gegeben werden.
- Es dürfen nur Einrichtungen oder Unternehmen beauftragt werden, die mit Forschungsaufgaben und experimentellen Entwicklungsaufgaben befasst sind und deren Sitz in einem Staat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes gelegen ist.
- Der Auftragnehmer darf nicht unter beherrschendem Einfluss des Auftraggebers stehen oder Mitglied einer Unternehmensgruppe (§ 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) sein, der auch der Auftraggeber angehört.
- Die Forschungsprämie kann nur für Aufwendungen (Ausgaben) in Höhe von höchstens 1 000 000 Euro pro Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden. Umfasst das Wirtschaftsjahr einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten, ist der Höchstbetrag von 1 000 000 Euro entsprechend der Anzahl der Monate des Wirtschaftsjahres zu aliquotieren. Angefangene Kalendermonate gelten dabei als volle Kalendermonate.
- Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Forschungsprämie ist, dass der Auftraggeber bis zum Ablauf seines Wirtschaftsjahres dem Auftragnehmer nachweislich mitteilt, bis zu welchem Ausmaß an Aufwendungen (Ausgaben) er die Forschungsprämie für Auftragsforschung in Anspruch nimmt. Der Auftragnehmer kann für die in Auftrag genommene Forschung und experimentelle Entwicklung hinsichtlich der von der Mitteilung umfassten Aufwendungen (Ausgaben) keine Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung in Anspruch nehmen.
- Die Forschungsprämie für Auftragsforschung kann von jenen Aufwendungen (Ausgaben) nicht geltend gemacht werden, die Grundlage einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung ist.
(3) Die Prämien können erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres geltend gemacht werden, spätestens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer‑, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides (§ 188 der Bundesabgabenordnung).
[...]
(7) Das Finanzamt kann sich bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer Forschung und experimentellen Entwicklung im Sinne des Abs. 2 Z 1 vorliegen, der Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) bedienen. Voraussetzung für die Gewährung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung ist ein vom Steuerpflichtigen bei der FFG anzuforderndes Gutachten (Abs. 8), welches die Beurteilung zum Gegenstand hat, inwieweit eine Forschung und experimentelle Entwicklung unter Zugrundelegung der vom Steuerpflichtigen bekanntgegebenen Informationen die Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 erfüllt. Liegt bereits eine diesbezügliche bescheidmäßige Bestätigung nach § 118a der Bundesabgabenordnung vor, genügt die Glaubhaftmachung, dass die durchgeführte Forschung und experimentelle Entwicklung der der Bestätigung zu Grunde gelegten entspricht oder davon nicht wesentlich abweicht.
[...]“
16 § 108c EStG 1988 in der Fassung des StRefG 2015/2016 ist erstmalig auf Prämien anzuwenden, die Wirtschaftsjahre betreffen, die nach dem 31. Dezember 2015 beginnen (§ 124b Z 277 EStG 1988). Vor dem Inkrafttreten des StRefG 2015/2016 sah § 108c Abs. 1 EStG 1988 ‑ bei gleichen inhaltlichen Prämienvoraussetzungen ‑ Forschungsprämien für „eigenbetriebliche Forschung und Auftragsforschung“ „von jeweils 10% der Aufwendungen (Ausgaben)“ vor.
17 Die Aufnahme der Auftragsforschung gemäß § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in die Forschungsprämie geht auf das Wachstums- und Beschäftigungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 103/2005, zurück. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage begründen ihre Aufnahme im Allgemeinen Teil und im Besonderen Teil folgendermaßen (992 BlgNR 22. GP S 3 und 5):
„Im Bereich der Einkommensteuer soll im Hinblick auf die beschlossene Mittelstandsoffensive im Bereich von F&E die Auftragsforschung steuerlich begünstigt werden. Diese Maßnahme wird erheblich dazu beitragen, die Forschung in den breiten Mittelstand zu bringen. KMUs können somit in Zukunft einen Forschungsfreibetrag oder eine Forschungsprämie für Auftragsforschung geltend machen.“
[...]
„Im Bereich Forschung und Entwicklung wird eine ‚Mittelstandsoffensive‘ gestartet: Es soll künftig auch die in Auftrag gegebene Forschung steuerlich begünstigt werden. Bislang war es für kleinere und mittelgroße Unternehmen ‑ KMUs kaum möglich, einen Freibetrag (eine Prämie) für Forschung in Anspruch zu nehmen, weil sie in aller Regel nicht selbst Forschung betreiben können. Mit der Neuregelung soll insbesondere den KMUs der Zugang zu einem Forschungsfreibetrag (Prämie) eröffnet werden. Hinsichtlich der begünstigten Forschung und experimentellen Entwicklung soll der Freibetrag (die Prämie) an den bisherigen Forschungsfreibetrag nach § 4 Abs. 4 Z 4 (‚Frascati‑Freibetrag‘) anknüpfen, allerdings mit dem Unterschied, dass der Freibetrag (die Prämie) dem Auftraggeber zusteht.
Der Freibetrag (die Prämie) steht weiters nur dann zu, wenn Einrichtungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 5 (insbesondere Universitäten, deren Fakultäten oder Institute sowie ähnliche spendenbegünstigte Forschungseinrichtungen wie zB WIFO oder IHS) mit der Durchführung der Forschung beauftragt werden. Damit wird zugleich auch die Forschung an diesen Einrichtungen gefördert. Die Anknüpfung an Einrichtungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 5 erfolgt deshalb, weil diese Einrichtungen im Gegensatz zu marktwirtschaftlich auftretenden Forschungseinrichtungen in der Regel selbst keine steuerliche Forschungsförderung geltend machen können. Um aber eine ‚doppelte‘ steuerliche Geltendmachung von Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung auszuschließen, steht der Freibetrag nicht zu, wenn die auftragnehmende Einrichtung ausnahmsweise selbst einen Forschungsfreibetrag oder eine Forschungsprämie in Anspruch nimmt. Weiters dürfen die Aufwendungen (Ausgaben) auch beim Auftraggeber nicht Grundlage für einen weiteren Forschungsfreibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 oder Z 4a oder eine entsprechende Prämie sein. Entsprechend dem Forschungsfreibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 kann die Geltendmachung des neuen Freibetrages für die Auftragsforschung auch außerbilanzmäßig erfolgen. Alternativ zum neuen Freibetrag für Auftragsforschung kann auch eine entsprechende Prämie in Anspruch genommen werden.“
18 Auf der Grundlage (u.a.) des § 108c EStG 1988 erließ die Bundesministerin für Finanzen am 29. Dezember 2012 die Forschungsprämienverordnung, BGBl. II Nr. 515/2012. Darin legt sie u.a. in § 1 Allgemeine Vorschriften und in Anhang I ergänzende Begriffsbestimmungen fest:
„§ 1. (1) Der Geltendmachung einer Forschungsprämie sind Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne der Abs. 2 und 3 im Bereich von Forschung und experimenteller Entwicklung (Anhang I) zu Grunde zu legen. Die Bestimmungen der § 6 Z 10 und § 20 Abs. 2 EStG 1988 sowie § 12 Abs. 2 KStG 1988 sind anzuwenden.
(2) Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung (Anhang I, Teil A) sind:
1. Löhne und Gehälter für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte einschließlich Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Wohnbauförderungsbeiträge und sonstige Personalaufwendungen (beispielsweise freiwillige Sozialleistungen) sowie Vergütungen für in Forschung und experimenteller Entwicklung Beschäftigte, die außerhalb eines Dienstverhältnisses tätig werden. Bei Beschäftigten, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, werden die der Arbeitsleistung für Forschung und experimentelle Entwicklung entsprechenden Anteile an diesen Aufwendungen (Ausgaben) herangezogen.
2. Unmittelbare Aufwendungen (Ausgaben) und unmittelbare Investitionen (einschließlich der Anschaffung von Grundstücken), soweit sie nachhaltig Forschung und experimenteller Entwicklung dienen.
3. Finanzierungsaufwendungen (‑ausgaben), soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.
4. Gemeinkosten, soweit sie der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sind.
(3) Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne dieser Verordnung, die gemäß § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 an Dritte außer Haus vergeben werden (externe Aufwendungen und Ausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklung, Auftragsforschung), sind keine Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988.
(4) Die Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung und experimentelle Entwicklung eines Wirtschaftsjahres sind in einem nach Maßgabe des Anhanges II zu dieser Verordnung erstellten Verzeichnis darzustellen. Das Verzeichnis hat die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus ermittelte Forschungsprämie zu enthalten. Das Verzeichnis ist auf Verlangen der Abgabenbehörde vorzulegen.“
[...]
„Anhang I
Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen
A. Allgemeine Begriffsbestimmungen
1. Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne des § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 ist eine schöpferische Tätigkeit, die auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Forschung und experimentelle Entwicklung in diesem Sinne umfasst Grundlagenforschung (Z 2) und/oder angewandte Forschung (Z 3) und/oder experimentelle Entwicklung (Z 4). Sie umfasst sowohl den naturwissenschaftlich‑technischen als auch den sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich.
2. Grundlagenforschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens ohne Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel zu vermehren.
3. Angewandte Forschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens zu vermehren, jedoch mit Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel.
4. Experimentelle Entwicklung umfasst den systematischen Einsatz von Wissen mit dem Ziel, neue oder wesentlich verbesserte Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Methoden oder Systeme hervorzubringen.
5. Forschungsprojekte sind auf ein definiertes wissenschaftliches oder spezifisch praktisches Ziel gerichtete inhaltlich und zeitlich abgrenzbare Arbeiten im Bereich der Forschung und experimentellen Entwicklung unter Einsatz von personellen und sachlichen Ressourcen.
6. Ein Forschungsschwerpunkt ist eine Zusammenfassung von Forschungsprojekten oder laufenden Arbeiten im Bereich der Forschung und experimentellen Entwicklung, die inhaltlich einem übergeordneten Thema zugeordnet werden können.
Als Grundsatz gilt, dass Forschung und experimentelle Entwicklung (Z 1) aus Tätigkeiten besteht, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens ist. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung der experimentellen Entwicklung von Produktionstätigkeiten. Sind hingegen das Produkt oder das Verfahren im Wesentlichen festgelegt und ist das primäre Ziel der weiteren Arbeiten die Marktentwicklung oder soll durch diese Arbeiten das Produktionssystem zum reibungslosen Funktionieren gebracht werden, können diese Tätigkeiten nicht mehr der Forschung und experimentellen Entwicklung (Z 1) zugerechnet werden. Grundlage dieser Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen ist das Frascati Manual (2002) der OECD in der jeweils gültigen Fassung, das ergänzend zu diesen Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen herangezogen wird.
B. Weitere Abgrenzungen (in alphabetischer Reihenfolge)
[...]
9. Patentarbeiten: Administrative und juristische Arbeiten, die im Zusammenhang mit Patenten stehen, fallen nur dann unter Forschung und experimentelle Entwicklung (Teil A, Z 1), wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Teil A, Z 1) stehen.
[...]“
19 Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist im Revisionsfall strittig, ob bei der Forschungsprämie für Auftragsforschung auch Aufwendungen der Auftraggeberin und Antragstellerin für außerhalb des eigentlichen Forschungsantrages empfangene (Vor‑)Lieferungen und Leistungen (zB Kosten ihrer Büroausstattung und PKW‑Leasing oder auch für ein Mikroskop und Glasschalen) in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie miteinzubeziehen sind, wenn diese in einem Zusammenhang zur vergebenen Auftragsforschung stehen.
20 Seit der Aufnahme von Auftragsforschung in die Forschungsprämie kennt § 108c EStG 1988 zwei Tatbestände, die zu einer Forschungsprämie führen, nämlich die in § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 geregelte „eigenbetriebliche Forschung und experimentelle Entwicklung“ einerseits und die in § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 geregelte „Auftragsforschung für in Auftrag gegebene Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne der Z 1“ andererseits.
21 Die beiden Forschungsprämientatbestände haben dabei unterschiedliche Antragsvoraussetzungen (Wallner/Grabner, Praxisleitfaden Forschungsprämie, 2021, 8).
22 Voraussetzung für die Geltendmachung einer Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung ist ein vom Steuerpflichtigen bei der FFG anzuforderndes Gutachten (§ 108c Abs. 7 EStG 1988), wobei der Steuerpflichtige konkrete Angaben über die eigenbetriebliche Forschung und die gesamten (geplanten) bemessungsgrundlagenrelevanten Forschungsaufwendungen nach vorgegebener Gliederung bekannt zu geben hat (siehe dazu im Einzelnen Anhang III der Forschungsprämienverordnung).
23 Die Geltendmachung einer eigenbetrieblichen Forschungsprämie ist damit an die besondere formale Voraussetzung der zwingenden Einbindung der FFG gebunden. Aufgabe der FFG ist es dabei, im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme zu beurteilen, „inwieweit eine Forschung und experimentelle Entwicklung unter Zugrundelegung der vom Steuerpflichtigen bekanntgegebenen Informationen die Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 erfüllt“ (§ 108c Abs. 7 Satz 2 EStG 1988). Durch die Einbindung der FFG wird das Finanzamt sohin bei der Prüfung der Berechtigung der Prämienanträge für eigenbetriebliche Forschung durch dessen Expertise stets in fachlicher Hinsicht unterstützt.
24 Im Gegensatz zur Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung ist im Falle der Auftragsforschung dagegen kein im Vorfeld einzuholendes Gutachten der FFG notwendig.
25 Wie die zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage allerdings zeigen und die Revisionsbeantwortung des Finanzamts zutreffend herausstreicht, sollten mit dem neuen zweiten Tatbestand einer Forschungsprämie für Auftragsforschung gerade jene (typischerweise kleineren) Unternehmen in die Förderung einbezogen werden, die nicht selbst forschen. In diesen Fällen fällt jedoch typischer Weise gerade kein zusätzlicher eigenbetrieblicher Forschungsaufwand im Zusammenhang mit der in Auftrag gegebenen Forschung an.
26 Dementsprechend umschreibt auch § 1 Abs. 3 Forschungsprämienverordnung die von § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erfassten Aufwendungen als „externe Aufwendungen“ bzw. „Aufwendungen (Ausgaben) für Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne dieser Verordnung, die gemäß § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 an Dritte außer Haus vergeben werden“.
27 Bemessungsgrundlage einer Forschungsprämie für Auftragsforschung iSd § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 sind daher allein die der Auftraggeberin vom Auftragnehmer in Rechnung gestellten Kosten (Atzmüller, in Doralt EStG § 108c, 20. Lfg, Rz 28, sowie Wallner/Grabner, Praxisleitfaden Forschungsprämie 183).
28 Freilich kann ein erteilter Forschungsauftrag auch Teil eigener Forschung sein, womit eigene Aufwendungen des Unternehmens über die Aufwendungen für die Auftragsforschung hinaus Grundlage für eine eigene Forschungsprämie für eigenbetriebliche Forschung sein können (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG § 108c Rz 2.2). Diesfalls wäre aber ein entsprechender Antrag auf Forschungsprämie gemäß § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 zu stellen.
29 Liegt jedoch keine eigenbetriebliche Forschung iSd § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 vor, ist für die Geltendmachung eines Prämienanspruchs des Steuerpflichtigen für eigene Aufwendungen kein Raum.
30 Im Revisionsfall hat die Revisionswerberin nur eine Forschungsprämie für Auftragsforschung beantragt. Das BFG hat zudem festgestellt, dass keine eigenbetriebliche Forschung erfolgte. Dies wurde von der Revisionswerberin in der vorliegenden Revision auch nicht bestritten.
31 Das BFG ist damit zutreffender Weise davon ausgegangen, dass die Aufwendungen der revisionswerbenden Auftraggeberin und Antragstellerin für gegenüber ihr selbst erbrachte (Vor‑)Lieferungen und Leistungen nicht in die Bemessungsgrundlage für die Forschungsprämie miteinzubeziehen sind, weshalb die Revision als unbegründet abzuweisen war.
32 Dass das BFG dessen ungeachtet ohne die Feststellung eigenbetrieblicher Forschung auch Patentaufwendungen der Revisionswerberin selbst (und sohin auch ohne den in Anhang 1 Teil B Z 9 Forschungsprämienverordnung geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten gemäß Teil A, Z 1) in die Bemessungsgrundlage der Forschungsprämie für Auftragsforschung aufgenommen hat, verletzt sie nicht in ihren subjektiven Rechten.
33 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal schon das BFG eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.
34 Dem Antrag, von einer Veröffentlichung der Entscheidung gänzlich abzusehen, konnte schon mangels diesbezüglicher gesetzlicher Grundlage nicht nachgekommen werden (zur Anonymisierung von Erkenntnissen siehe § 43 Abs. 8 VwGG). Die Aufgabe des Verwaltungsgerichthofs zur Entscheidung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erfordert vielmehr geradezu wesensimmanent eine Veröffentlichung der von ihm getroffenen Erkenntnisse zur Klärung der in Revisionen aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.
Wien, am 10. Februar 2022
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