European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200243.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 22. März 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass man ihn aufgrund seiner Tätigkeit in einem Krankenhaus habe zwingen wollen, in Syrien auszuhelfen. Weiters brachte der Revisionswerber vor, dass ihm aufgrund seiner Konversion zum Christentum Verfolgung drohe.
2 Mit Bescheid vom 18. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Erhebung einer Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision wendet sich in der Begründung für ihre Zulässigkeit gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der vorgebrachten Konversion des Revisionswerbers.
8 Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden.
9 Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens‑ und Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation sowie des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. zum Ganzen VwGH 15.3.2021, Ra 2021/20/0047, mwN).
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 22.4.2021, Ra 2021/20/0108, mwN).
11 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Zuge einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft sowie ihn zu seinen Motiven zum Religionswechsel, zu seinem Wissen über das Christentum und seinen religiösen Aktivitäten befragt. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht ein ehemaliges Mitglied der Gemeindevertretung der Kirchengemeinde und Betreuerin des Revisionswerbers als Zeugin einvernommen und sich ‑ entgegen dem Revisionsvorbringen ‑ mit deren Angaben beweiswürdigend auseinandergesetzt. Mit ausführlicher Begründung ist das Bundesverwaltungsgericht in einer Gesamtschau der Aussagen zur Auffassung gelangt, dass das Vorbringen des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht unglaubwürdig sei und eine aus innerer Überzeugung vollzogene Hinwendung zum christlichen Glauben nicht glaubhaft gemacht habe werden können. Es handle sich sohin um eine Konversion zum bloßen Schein. Unter Bezugnahme auf die Länderfeststellungen hat das Bundesverwaltungsgericht weiter ausgeführt, dass der Revisionswerber bislang nicht in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten sei, weshalb ihm ‑ aus näher dargelegten Gründen ‑ die Scheinkonversion in Österreich auch nicht zum Nachteil gereiche. Die Revision, die sich insbesondere gegen einzelne beweiswürdigende, das theologische Wissen des Revisionswerbers betreffende Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts sowie dessen Würdigung der Aussagen des Revisionswerbers wendet, zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts insgesamt als unvertretbar zu werten wäre.
12 Davon ausgehend sind diese Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde zu legen. Damit ist auch der in der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die Taufe im Iran zu einer asylrelevanten Verfolgung führe, der Boden entzogen.
13 Insofern die Revision rügt, das Bundesverwaltungsgericht wäre von amtswegen verpflichtet gewesen, Zeugen zu laden, die aufgrund der Aktenlage für die Beweiswürdigung maßgeblich sein könnten, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflichten weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 28.5.2021, Ra 2021/20/0070, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, zeigt die Revision nicht auf.
14 Soweit sich der Revisionswerber gegen die im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung wendet, ist er zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel ist (vgl. VwGH 17.5.2021, Ra 2020/20/0399, mwN).
15 Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen dem Vorbringen in der Revision im vorliegenden Fall sämtliche bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände einbezogen und auch die Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers in Österreich in seine Abwägung einbezogen. Mit dem pauschalen Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Interessenabwägung das Vorbringen zur Integration und Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Revisionswerbers unzureichend sowie das Bewusstsein über den unsicheren Aufenthalt unverhältnismäßig stark gewichtet, gelingt es der Revision nicht, aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seinen im Rahmen der Interessenabwägung vorgenommenen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien nicht beachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 4. August 2021
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